Volltext: 64. Heft 1914/16 (64. Heft 1914/16)

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Stöße unendlich alter Berdangewehre zurück, die in 
einem für ein preußisches Auge geradezu u.nglaub- 
lichen Zustande waren. Hinter Brest-Litowsk erbeute- 
ten wir amerikanische Winchester-Karabiner mit einer 
für den Feldgebrauch sehr unpraktischen Art Fall- 
blockverschluß sonst aber eine sehr gute Waffe. Weiter 
nördlich lagen viele echt japanische, dem Mannlicher- 
Schönauer Karabiner 6,5 Millimeter bis ins kleinste 
nachkonstruierte oder vielmehr nachgemachte Schuß- 
Waffen. Der ebenso 
praktische Wie skrupel- 
lose Japs hat dies 
ausgezeichnete Ge- 
Wehrmodell einfach 
übernommen .... 
Ebensoviel Gewehre 
wie die Russen 
liegenließen, ebenso- 
viel Munition fiel in 
unsere Hand. Nun 
klagen sie sehr über 
Mangel. Und was 
für Geschoßmengen 
haben sie zu Beginn 
des Feldzuges über 
uns ausgeschüttet! 
Damit hätten wir 
Deutschen drei sol- 
'che Kriege geführt. 
Der deutsche Soldat 
schießt nur, nachdem 
er ein Ziel gesehen 
And erfaßt-hat. Die 
Kugel ist ihm keine 
Törin, sondern eine 
wohlvertraute Helfe- 
rin, die er bedachtsam 
aus der trefflichen 
und immer wohl- 
gepflegtenWaffe ent- 
sendet. Das Bajo- 
nett ist ihm un ent- 
behrlich, aber nicht 
um allstündlich auf 
der Waffe rühm- 
redig zu blinken, 
sondern er steckt es 
auf in stillem, hei- 
ligem, entschlossenem 
Grimm: Siegen oder 
Sterben! Darin liegt das Geheimnis unseres Erfolges. 
Gonv. Minsk im Dezember 1915. Incus. 
* .* 
Im Lager der oberösterreichischen Schützen. 
Eine halbe Stunde hinter dem Schützengraben, 
zwischen hohen Tannen, steckt da eine ganze Kolonie von 
Btockhäuseru und Farmerhütten aus grünem Tannen- 
reisig. Das sind die Quartiere für Jung-Osterreich. 
Lustig geht's da zu! In der Frühe, wenn ein bitterkalter 
Herbstnebel sich lagert, kräht der Korporal vom Tag sein 
- „Tagwache, alles auf!" Einer nach dem andern kriecht 
nun aus der haarigen Winterdecke heraus, reibt sich den 
Schlaf von den traumschweren Augendeckeln und holt 
sich einen „Schwarzen", der bei dem kolten Herbstsrost 
mit Wohlbehagen hinunterläuft ins Verdauungswerk. 
Sprengung des O stender Leuchtturms am September 1915. 
Gezeichnet von Fritz Gehrke. 
Dann wird an die Arbeit gegangen, die nur von 
zwei wichtigeren Momenten unterbrochen wird: wenn's 
heißt: Menage! oder wenn unser „Postroß" kommt, 
keuchend und den Sack mit heimatlichen Grüßen am 
Rücken. Hie und da erhalten wir auch eiserne Grüße, 
die der Welsche sendet. Pfaucht da einmal eine Granate 
daher, fährt hinter einem Fuhrwerk in die Straße, 
reißt den hinteren Teil des Wagens in tausend 
Trümmer, wirbelt den Lenker in eine Kotpfütze hinein 
und macht die Rosse 
scheu, daß sie nur mit 
dem Vorderteil des 
Wagens in sausen- 
dem Galopp dahin- 
fliegen. Noch dampft 
und raucht es aus 
demGranatentrichter, 
da scharren unsere 
Steingrauen schon 
nach Granatsplittern 
drinnen herum! 
Am Abend ver- 
kriecht und verduftet 
sich alles in die Ba¬ 
racken. Nur im Block- 
haus der Offiziere 
brennt ein Licht; da 
wird beraten, be- 
sprochen, zensuriert 
und gelesen bei einer 
duftenden Britanika. 
Von der Mannschaft 
hat sich schon jeder 
in seine Decken ver- 
rollt und schnarcht. 
In einer Hütte aber 
geht's noch lustig zu; 
auf ihrer Tür prangt 
die Aufschrift: Cave 
Canem! Deutsche 
Bluthunde! Innen 
ist sie mit Dachpappe 
luxuriös ausgestattet; 
auf einer Pritsche mit 
Str.ohsäcken liegen 
fünf dunkle Gestalten; 
eine jede hat die 
graue Kappe mit dem 
Edelweiß auf dem 
Mantelkragen aufge- 
stülpt bis über die Ohren; eine requirierte Öllampe läßt 
ihre Züge ein wenig erkennen; es sind Pennäler. Sie 
plaudern von 'Heimat und -Liebe und rauchen eine 
Abendzigarette. Dann singen sie wieder leise im Chor: 
„Als ich zur Fahne fortgemußt, hat sie so herzlich mich.." 
oder ein naseweisesBürschchen zitiert aus dem alten 
Vater Homer, dem Schilderer blutiger Schlachten. 
In einer anderen Hütte rührt sich auch noch etwas. 
Dort träumt einer einsam. Sein Kamerad steht draußen 
Posten im Schützengraben. „Trudi, mein lieber, blau- 
äugiger Blondkopf, du süßer Engel!" murmelt er im 
Traume vor sich hin. Aus Wels soll der Träumer sein, 
wo er sechs Jahre auf harter Schulbank geschmachtet. 
Dann wieder Stille; nur hie und da ein Krachen aus 
eisernen Rohren; dann banges, ernstes Schweigen, das 
nur durch die Tritte des Postens gebrochen wird. E- C.
	        
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