Volltext: 63. Heft 1914/16 (63. Heft 1914/16)

Nach Beendigung des Gefechtes werden die Pa- 
tienten zunächst nach den weniger geschützten, dafür 
aber geräumigeren Lazaretträumen des Schiffes ge- 
schafft. Dort finden sie alle Einrichtungen eines mittel- 
großen Lazarettes; die Räume sind mit Badevorrich- 
hingen versehen und haben eine gut ausgestattete 
Apotheke, die gleichzeitig als chemisches und mikro- 
skopisches Laboratorium dient. 
Auch hier bleiben aber nur die Leichtverletzten 
bis zu ihrer völligen Wiederherstellung; alle anderen 
werden, sobald als möglich, auf besondere Lazarett- 
schiffe übergeführt, große, mit allem Komfort aus- 
gestattete Personendampfer, die — sämtlichen Erforder¬ 
nissen der Krankenpflege entsprechend ausgerüstet — 
schwimmende Lazarette modernsten Stils darstellen. 
jedem Patienten weit mehr Raum und Luft als selbst 
nach den strengsten Anforderungen der Hygiene nötig 
wäre. Natürlich stehen die Betten auch nicht, wie meist 
auf Schiffen, über-, sondern nebeneinander wie in jeden: 
modernen Krankenhause: sie sind so aufgestellt, daß sie 
die Schwingungen des Schiffes nicht mitmachen und 
daher eine ruhige Lagerung gewähren. Für Schwer- 
kranke sind zudem besondere Schwingkojen vorhanden. 
Die Fenster liegen so hoch über dem Wasser, daß Sonne 
und Seeluft — die wichtigen Heilfaktoren — unge¬ 
hinderten Zutritt haben. 
Auf der „Sierra Nevada", dem Lazarettschiff des 
Norddeutschen Lloyd, erstrecken sich die Krankensäle in 
zwei oberen Decks über die ganze Schiffsbreite. 
Kleinere Räume, die von den übrigen gut isolierbar sind, 
dienen Jnfektions- 
kranken zur Unter- 
kuuft, und ebenso 
sind für Geistes- 
kranke, Schwerkranke 
anderer Art, kranke 
Offiziere usw. beson- 
dere Räume vorge- 
sehen. Vou großer 
Wichtigkeit sind auch 
die im Oberdeck be- 
legenen bellen Ope- 
rations-, Verbands- 
und Röntgenräume. 
Auch für die bei 
der Behandlung von 
Kieferverletzungcn 
in Tätigkeit tretende 
zahnärztliche Technik 
sind Räumlichkeiten 
und Instrumente vor- 
handen. Neben der 
Abteilung für innere 
Krankheiten liegt die 
Apotheke, und anch 
der Raum für elek-- 
trische Behandlung, 
medizinische Bäder 
und ähnliches schließt sich daran an. Besondere Wasch-, 
Bade- und Aborteinrichtungen sind in jeder Abteilung 
vorhanden, und die Abteilung für ansteckende Krank- 
Heiten ist auch mit einer Desinfektionsanlage versehen. 
Die Verpflegung an Bord ist gut; die Kücheneinrich^ 
tungen sind recht umfangreich, und auch Kühl- und 
Provianträume fehlen nicht. Ferner sind Werkstätten 
zur Ausbesserung vou ärztlichen Geräten und Kranken- 
kleidung, sowie eine Wasch-und Plättanstalt vorhanden. 
Schließlich finden die Patienten zu ihrer Unterhaltung 
eine Bibliothek, und auch die Arzte verfügen über alle 
erforderlichen wissenschaftlichen Nachschlagewerke. 
Die medizinische Leitung des Lazarettschiffes liegt 
in den Händen eines Chefarztes, dem drei Stabs- und 
mehrere Assistenzärzte für die einzelnen Abteilungeil 
unterstellt sind. Hierzu kommen noch ein Apotheker, ein 
Zahnarzt und die erforderlichen Sanitätsmannschaften 
und freiwilligen Krankenpfleger. Die seemännische 
Führung ist dem Kapitän und denselben Offizieren über- 
lassen, die in Friedenszeiten das Schiff geleitet haben. 
Zur Rettung Schiffbrüchiger sind die verschieden- 
artigsten Vorrichtungen vorhanden, so daß mehr als 
tausend im Wasser Treibende aufgefischt werden können. 
..... 
Inneres eines deutschen Lazarettschiffes. 
Der Transport vom Kriegsschiff auf das Lazarett- 
schiff erfolgt freilich nicht direkt, sondern mittels 
eigener Transportschiffe (sog. Hilfslazarettschiffe), deren 
Aufgabe darin besteht, längsseit der Kriegsschiffe zu gehen 
und die Verwundeten auf die eigentlichen Lazarettschiffe 
(manchmal freilich auch direkt in die Lazarette der Hafen- 
orte) zu überführen. Sie sind mit moderner Beleuchtung, 
Heizung und Lüftung versehen und mit je etwa 50 bis 
100 Betten und ärztlichen Einrichtungen zur vorüber- 
gehenden Unterbringung von Verwundeten ausgestattet. 
Die eigentlichen Lazarettschiffe sind hingegen große, 
mit hohen, hellen Decks und allem sonstigen hygienischen 
Komfort versehene moderne Verkehrsdampfer, zum Teil 
Lu^usdampfer, die bei Kriegsausbruch ihrer jetzigen Be- 
stimmung entsprechend umgeändert werden mußten. 
Die äußere Gestalt dieser Schiffe ist natürlich un- 
verändert geblieben; nur ist der früher dunkle Riesen- 
leib jetzt mit einem glänzend weißen Anstrich versehen, 
der durch einen in halber Bordwandhöhe angebrachten 
grünen Streifen von iy2 m Breite noch gehoben wird. 
In Friedenszeiten hat jedes solche Schiff etwa 
zweitausend Passagieren Unterkunft geboten; jetzt ist 
es nur mit 300 Betten ausgestattet und bietet daher
	        
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