Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

46 
Robert Sommer 
ist, was er in einem bestimmten gefährlichen Fall zu tun hat. Dabei ist 
in keiner Weise etwa sicher, daß die im Fall der Gefahr zu vollziehende Handlung 
nun auch objektiv einen ausreichenden Schutz gegen die Gefahr gewährt. Psy 
chologisch handelt es sich nur darum, daß gewissermaßen im Fall eines möglichen 
gefährlichen Ereignisses der einzelne Mensch sofort weiß, was er zu tun hat. Die 
motorische Bereitschaft und Einstellung auf eine bestimmte Art von 
Handlungen ist das Wesentliche, nicht die objektive Gefahrlosigkeit. So gibt 
es z. B. Menschen, die beim Fahren mit raschen Eisenbahnzügen sich sofort über 
zeugen, wo sich die Notbremse befindet, die jedoch dann ganz ruhig und gelassen 
auch im Falle wirklicher Gefahr der Entgleisung bleiben, weil sich bei ihnen die 
Vorstellung der Gefahr vor Ausbildung eines Affektes sofort in eine bestimmte 
Handlung umsetzt. Eine ganze Menge von Beobachtungen und Erzählungen aus 
dem Krieg stimmen in diesem Punkt überein. Angst bricht bei einer Truppe um so 
weniger aus, je klarer jeder einzelne weiß, was er im Moment der Gefahr zu tun hat. 
Dabei handelt es sich nicht nur um eine passive Abwehr gegen die Gefahr, sondern 
auch z. B. um aktive Widerstandsbewegung, besonders in Form der hartnäckigen 
V erteidigung. 
Im Gegensatz zu dieser ganzen Gruppe von Erscheinungen, die Angstlosigkeit 
auch bei größter objektiver Gefahr zeigen, kommt es offenbar gelegentlich vor, daß 
bei einem Ereignis, dessen Ursache und Tragweite nicht klar überblickt werden 
kann, z. B. wenn bei dem Passieren einer Ortschaft im feindlichen Lande plötzlich 
einige Schüsse fallen, eine zu dem objektiven Tatbestand in gar keinem Ver 
hältnis stehende Aufregung sich auch einer sonst ganz mutigen Truppe bemächtigt. 
Am klarsten werden diese Verhältnisse bei dem Massenzustande, den man als Panik 
bezeichnet, und bei dem zweifellos die gegenseitige Beeinflussung und Suggestion 
bei ungenügender Kenntnis des objektiven Tatbestandes eine ent 
scheidende Bedeutung hat. Sicher ist, daß die Erfahrungen des Krieges die Psycho 
logie der Affekte in einer ganzen Reihe von Punkten weiter zu entwickeln geeignet 
sein werden. 
VI. Willenscharakter. 
Mit den Affektzuständen ist der Willenscharakter des einzelnen Menschen 
eng verflochten. Die Affekte stören vielfach den bewußten Willen, sodaß die Willens 
schwäche durch das Vorherrschen von bestimmten Affekten, z. B. Angst, Zorn u. a., 
bedingt ist. Das Wesentliche des Willens besteht entweder in der Festhaltung und 
dem andauernden Charakter einer bestimmten Innervation oder der zielsicheren 
Ausführung von bestimmten Bewegungen. Bei den höheren, schon intellektuell 
gefärbten Formen des Willens kommt dieser ursprüngliche Grundcharakter in dem 
Festhalten und dem Ausführen einer Idee zum Vorschein. Der Begriff des Willens 
ist demnach mit dem der Konstanz und der absichtlichen Erreichung 
eines Zieles untrennbar verknüpft. Die Ausbildung des Willens ist die 
wesentliche Aufgabe der militärischen Erziehung, und hauptsächlich 
auf ihr beruht die Kriegsbereitschaft des Einzelnen wie eines ganzen Volkes. 
Man hat vielfach die militärische Ausbildung mit dem Begriff des „Drills“, der den 
Nebenbegriff des Automatischen und Technischen hat, abzutun gesucht.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.