Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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Rudolf Stübe 
Friedr. Meinecke, Deutsche Kultur- und Machtpolitik im englischen Urteil. Berlin 1915. 
F. Meinecke, Die Erhebung von 1914. Stuttgart 1914. 
Walther Rathenau, Von kommenden Dingen. Berlin 1917. 
4. Vom Geiste der deutschen Kultur. 
Wir sind damit bereits dem Unerschöpflichen nahegetreten, dem Geiste 
der deutschen Kultur. Gewiß sehen wir durch die Ferne des Abstandes andere 
Kulturvölker in einem durch die wesentlichen Züge beherrschten Bilde größerer 
Geschlossenheit und Einheitlichkeit. Und je älter eine Kultur ist, desto mehr 
prägt sie den Völkern typische Züge auf. Der Krieg, in dem die Staaten ihren 
Anspruch auf Weltgeltung oder Weltherrschaft durchsetzen sollen, hat für die 
Völker die tiefgreifende Wirkung geübt, daß sie in vertieftem Maße sich auf ihr Wesen 
besinnen, daß sie ihr Denken und Wollen im weltgeschichtlichen Erleben prüfen. 
Wir dürfen sagen, daß sich kein Volk so tief und so unbefangen auf seinen Geist 
besonnen hat wie das deutsche. Eine fast überreiche Literatur, die wertvollste 
Beiträge bietet, ist dessen Zeuge. Die Namen Ernst Troeltsch und Max Scheler 
müssen hier vor allem genannt werden. 
Aus dem geschichtlichen Werden des deutschen Geistes wird erst der Geist 
der deutschen Kultur verständlich. Aus dem spät erfolgten politischen Zusammen 
schluß Deutschlands erklärt sich die eigenartige Spannung, in die der Lebenswille 
der geeinten Nation zum alten Europa trat. Mit dem Werden und mit den ungelösten 
Aufgaben verband sich das Selbstgefühl aufsteigenden Lebens und der starke 
Lebensdrang, der in die Weite strebte. Mit diesem hoffnungsfrohen Streben nach 
tätiger Geltung, nach Teilnahme am kulturellen Weltleben traten wir in den Kreis, 
der älteren, besitzenden Welt Völker. So liegt denn im Geiste unserer Kultur ein 
Antrieb zu Gegensätzen, die sich mit der fortschreitenden Entfaltung deutschen 
Lebens nur verschärfen konnten. 
Daß sich die Lebenskraft der Nation zu einem Staate zusammenschloß r 
ist wesentlich eine Wirkung der Tatsachen, daß sich diese an den stark gefesteten 
Militärstaat Preußen anlehnen konnte. Die innere Einheit des deutschen Geistes 
aber, die Bildung einer geistig geeinten Nation ist die Wirkung der Dichtung und 
Philosophie, die dem Bürgerleben des 18. Jahrhunderts im engsten Kreise welt 
weite Dinge gab, die einen gemeinsamen Besitz über den zersplitterten Formen 
des politischen Daseins schuf. Goethes „Hermann und Dorothea“ und Wilhelm 
von Humboldts Kulturpolitik wurden der klassische Ausdruck des deutschen 
Kulturgeistes. Wohl haben sich der Geist des preußischen Militärstaates und der 
Weimarer Geist einer universalen Persönlichkeitsbildung aneinander ge 
stoßen. Aber es ist das doch die Berührung lebendiger Kräfte gewesen, die eine 
Einheit im Leben der Nation nicht ausschloß. In Kant, Fichte und Bismarck 
haben wir die höchsten Synthesen beider Kräfte, die das Wesen des deutschen 
Lebens bestimmen. Und diese Verbindung gipfelt im Ethischen. Aus Organisation 
und Disziplin ist jenes Pflichtgefühl erwachsen, das den Dienst an der Gesamtheit 
als vornehme Aufgabe adelt. Und die selbständig erwachsene deutsche Bildung 
hat in gleicher Weise sich dem Leben der Nation hingegeben und ist in seinem ganzen 
Bereiche wirksam geworden. Auch sie ist sich der dienenden Aufgabe bewußt
	        
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