Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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Siegmund Günther 
dürfnis erweisen sollte, wird von dem inzwischen neu und kraftvoll einsetzenden 
Studium des Wirkungsbereiches der Wettertypen und Aktionszentren eine wesent 
liche Förderung erfahren. 
Zweiter Abschnitt. 
Die Klimatologie. 
Die dauernden atmosphärischen Zustände über einem Kriegs- oder auch 
besonders wichtigen Vaterlandsgebiete kennen zu lernen, wird bei einer so überaus 
langen Dauer der Feindseligkeiten, wie sie jetzt zur unerwarteten Tatsache geworden 
ist, von großer Bedeutung sein. In Ländern, die schon seit Jahrzehnten gut einge 
richtete Observatorien besaßen, tritt vielleicht das Bedürfnis nicht so unmittelbar 
in die Erscheinung, allein gerade dieser Weltkrieg, der mit einziger Ausnahme der 
Südpolarzone die ganze Erdkugel in Mitleidenschaft zieht, der auf der Balkan 
halbinsel, in Westasien und Nordafrika Länderräume in Mitleidenschaft zieht, 
deren klimatische Eigenart bisher nur ungenügend oder auch gar nicht erforscht 
war, macht jetzt die Notwendigkeit, bisher Versäumtes nachzuholen, mit allem 
Nachdrucke geltend. Zeitungsmeldungen zufolge sind beispielsweise von der Türkei 
zwei deutsche Gelehrte, der Geograph Obst und der Physiker Würschmidt, einge 
laden worden, um für das weite Areal des Sultanates den klimatologischen Dienst 
zweig, der dann auch die Wetter Verfolgung in sich begreift, zu organisieren. 
Hier gab der Krieg zwar nur den unmittelbaren Anstoß, und die wissenschaftlichen 
Früchte, die er pflanzen ließ, werden erst in Friedenszeiten ausreifen, allein nichts 
destoweniger darf man wohl diese hochwichtige Neuerung, die unter gewöhnlichen 
Verhältnissen vielleicht noch lange auf sich hätte warten lassen, unter den Gesamt 
titel Kriegsklimatologie mit einbeziehen. 
Durch das grundlegende Werk von J. Hann sind uns nicht allein die allge 
meinen Lehren der Klimakunde in übersichtlicher Darstellung zugänglich gemacht 
worden, sondern es enthält dasselbe auch so eingehende, aus zuverlässigen Quellen 
geschöpfte Klimaschilderungen für größere und kleinere Bereiche der Erdoberfläche, 
daß man auch für militärische Zwecke darauf Entwürfe bauen darf. Die Balkan 
halbinsel, welches Wort man ja neuerdings, unter Hinzurechnung Rumäniens, 
in einem geographisch kaum noch zu rechtfertigenden Sinne gebraucht, ist zumal 
durch österreichisch-ungarische Forscher so ausreichend studiert worden, daß 
Überraschungen, die der Truppenbewegung nachteilig werden könnten, so gut wie 
ausgeschlossen sind. Man kennt ziemlich genau die Termine, zu welchen die untere 
Donau vollständig zufriört und eine Eisdecke von solcher Festigkeit gewinnt, 
daß selbst die Trainkolonnen eines Heeres den Strom ohne künstliche Hilfsmittel 
überschreiten können; eine Tatsache, die natürlich für eine gleichzeitig westlich 
und östlich des untersten Laufstückes vorgehende Armee von hoher Wichtigkeit 
werden kann. Ebenso ist man unterrichtet über die Vereisung der an die nord 
russische Küste angrenzenden Teile des Nördlichen Eismeeres. Man weiß, daß zwar 
die sogenannte Murmanküste (Normannenküste) offenbleibende Buchten besitzt, 
die aber beim Mangel guter Anlegeplätze und leistungsfähiger Bahnlinien für die
	        
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