Volltext: Der Sammler 10. Jahrg. 1914 (1914)

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Perlen und Goldkörnlein von ihm 
heraufgebracht. 
Man weiß, daß zu heiligen Zeiten die! 
Schätze aus ihrem Versteck kommen und sich 
sonnen. So stieg in den hehren Augusttagen 
der ganze Nibelungenschatz deutscher Treue und 
Rechtlichkeit herauf. 
Enkel und Urenkel! Wir haben im August 
1914 den Nibelungenhort sich sonnen gesehen. 
Auch wir Heimatler sind jetzt ja aus einem 
Kulturwerk herausgerissen worden. Die Inven 
tarisation der vaterländischen Denkmale zum 
Zwecke des Heimatschutzes mußte abgebrochen 
und der vorbereitende Heimatkurs jäh abgesagt 
werden. 
„Juhei!" haben wir gesagt, als wir (am 
Abend des letzten Juli) die Programme aus den 
Briefumschlägen wieder herausnahmen und die 
bündige Absage des Kurses hineinsteckten, „jetzt 
geht der Heimatschuß im Großen an". 
Vor dem ungeheuer großen Kulturwerk 
muß das kleine zurückstehen, lind wie wir 
Heimatler bei unseren kleinen Kulturwerken 
keinen Partei-, keinen Rang- und keinen Kon 
fessionsstreit kannten, so klang das Kaiserwort vom 
1. August durch die deutschen Gaue: 
„Es gibt nur noch Deutsche." 
Deutsche, wenn Ihr die Zeilen dieses 
Blättchens nach Jahren wieder leset, merket: 
Wir haben in diesen Augusttagen Stunden 
erlebt, welche uns das Innerste der Seele auf 
wühlten. Stunden hellen Zornes, grimmer Wut 
und tiefen Bedauerns, als eine Kriegserklärung 
nach der anderen angeschlagen wurde. 
Aber da war es bei der Mobilmachung, 
als ob ein riesiger Recke sich erhebe, ernst, ruhig 
und wortlos, und seine Glieder strecke und um 
sich sehe. 
Auf einmal war das Gerede den Zeitungen 
wie abgeschnappt. Nur die präzisen Weisungen 
der Korpskommandos, dann die knappen Berichte 
des Hauptquartiers. Das tat einem so wohl, 
wenn man ohnehin die Wortmachereien nicht 
ausstehen kann, am wenigsten die patriotischen. 
Diese Offiziere waren doch famose praktische 
Psychologen. 
Die Schreier sind zusammengeduckt, einige 
beschränkte bureaukratische Maßnahmen waren 
wie weggeweht; ein Geist der Versöhnung ging 
durchs Land. 
Es war, als ob der Riese ganz bedächtig 
sein Schwert ziehe; nichts sprach aus seinen 
Augen als Pflicht und Gewissen. 
Dieser Riese war das deutsche Volk; nie 
haben wir es größer gesehen, nein, wir haben 
an ihm staunend emporgeschaut, und wir segnen 
die Stunden, in denen wir dies erleben durften. 
11ns friedlichen „Kultur-Arbeitern", wir 
j verschweigen es nicht, grauste vor den Krieg, 
j den wir uns nur als kulturzerstörend vorstellten ; 
jetzt erkannten wir, daß ein Krieg auch ein 
Kulturwerk sein kann, wir begriffen, was für 
uns Deutsche ein heiliger Krieg sein kann. 
Ein heiliger Krieg, nicht als Phrase ge 
nommen, ist für uns jener, welcher heilige 
Güter, hier unsere ideale Kultur, zu retten und 
zu sichern bestimmt ist; so lange er dies tut, so 
lange gilt er uns heilig. 
Wir verkennen nicht, daß auch etwas 
„Unheiliges" sich einschleichen kann und daß 
Stimmungen und Erfolge eines solchen Krieges 
zu keineswegs idealen Zwecken ausgenützt wer 
den können. 
Auch missen wir, daß nicht alles gute 
deutsche Kultur ist, wos sich so heißt. In 
Sprüchemachen und Schwätzen äußert sich die 
deutsche Kultur wahrlich nicht, ebensowenig 
in der Mißachtung deutscher Eigenart in 
stammlichen und anderen Beziehungen, die 
gerade jetzt ihre Reichstreue bis in den Tod 
bekundet. 
Kultur ist Bildung. Wir verstehen darunter 
nicht die fremde humanistische Bildung, noch 
das Bildungsideal des englischen Gentleman; 
dieses hat zur Voraussetzung, der Bauer und 
Arbeiter müsse sich zurückstellen, was Intelligenz 
und sozialen Einfluß betrifft; mit Bildung des 
Gemütes hat der Gentleman vollends nichts 
zu tun. 
Deutsche Bildung ist Bildung des Geistes, 
Willens und Herzens: Weiser, kraftvoller, gerechter 
Sinn. Er braucht nur allseits herangebildet zu 
werden; denn er ist die Grundstimmung des 
Deutschen. 
So verstanden ist unser Ideal die Erweite. 
rung des obigen Kaiserwortes: 
Es gebe nur noch gebildete Deutsche! 
fii* 1915. 
Gerade noch zur rechten Zeit, zu Weih 
nachten, wo man den Kalender für das neue 
Jahr auf den Tisch legt, ist der Innviertler 
Heimatkalender erschienen. Der Krieg war 
wohl daran schuld, daß das so spät geschah; 
andere Jahre war er ja schon viel früher da. 
Der Charakter dieses Heimatkalenders ist ja 
jetzt schon mehrere Jahre bekannt. Was ihn 
von anderen bei uns verbreiteten Kalendern 
unterscheidet und ihn gerade für uns überaus 
wertvoll macht, ist der Umstand, daß er rein 
für uns Innviertler geschrieben und kein 
Allerweltskalender ist, daß er immer wieder 
vom Jnnviertel erzählt, daß er in Bildern und 
Aufsätzen zeigt, was wir in unserer Heimat
	        
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