Volltext: Nr. 11 1927 (Nr. 11 1927)

Nr. 11 
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1922 eine eigene Kriegsbcschädigtenabteilung zu sichern, 
wenn und insolange die Abteilung mindestens 30 Insassen 
beherbergt. Sinkt die Zahl unter 30, so kann die Abtei- 
lung aufgelassen werden. 
Ein Absatz sagt: Der Magistrat der Gemeinde Linz 
wird bis längstens 30. Dezember l. I. telegraphisch sein 
Einverständnis mit obenstehenden Vereinbarunqen dem 
Volksgesundheitsamte im Bundesministerium für soziale 
Verwaltung bekanntgeben, da im gegenteiligen Falle die 
Auflassung des Spitales ohne Rücksichten auf die bisher!- 
gen Vereinbarungen erfolgen müßte. 
Das Telegramm ist auch über Intervention unseres 
Verbandes bei der Gemeinde an das Volksgesundheits- 
amt abgegangen, das Spital der Kriegsinvaliden war ohne 
Zutun der „späten Jnvalidensreunde" durch Jahre ge- 
sichert. 
Selbstverständlich wurde die Zahl der Heilung Suchen- 
den immer geringer, da viele gesundeten, viele starben, 
viele andere Spitäler aufsuchten. Dadurch wurde auch die 
Zahl der Insassen der Kriegsbeschädtigtenabteilunq immer 
geringer, so daß die größte Zahl der Betten unbesetzt 
blieb, während in den anderen Abteilungen des Allgemei- 
nen Krankenhauses Platzmangel war, zufolge dessen 
Kranke, die nicht kriegsbeschädigt waren, abgewiesen wer- 
den mußten. Vom rein menschlichen Standpunkte aus be- 
trachtet, ein auf die Dauer unhaltbarer Zustand. 
Nunmehr hat sich der Stand auf unter 30 Insassen 
vermindert, weshalb die Gemeinde an die Auflassung der 
eigenen Abteilung schritt, um Platz zu gewinnen für 
andere Kranke, die sonst hätten abgewiesen werden 
müssen. Die Spitalsbedürftigen wurden in andere Ab- 
teilungen gebracht oder auf häusliche Pflege gegeben, 
wenn sie dies vorzogen. 
Das nehmen nun der Reichsbundobmann Grinzinger 
und der politische Ehrenmann Hermann, der seine Gesin- 
nung wie ein Hemd wechselt, zum Anlaß, gegen unseren 
Verband und die Gemeinde loszudonnern in der nicht zu 
verkennenden Absicht, den Reichsbund als Invaliden- 
retter hinzustellen, sich populär zu Machen, um Führer 
spielen zu können/unseren Verband zu mißkreditieren. 
Die Zornesader schwoll den beiden Herren besonders 
deshalb an, weil sie im Spital Eingang zu finden suchten 
und sich auch tatsächlich einige Unterstiitzungstechniker 
kauften, die nun für den Reichsbund agitieren und dadurch 
die Heilslehre auf dem Lande verbreiten sollten, welchem 
Bestreben nun eine Begrenzung gezogen wurde. 
Sie schieben die Schuld der Auflassung des Spitales 
unserem Verbände in die Schuhe, der angeblich wegen des 
Vordringens der Antimarxisten das Spital beseitigt wissen 
will. 
Der unpolitische Hermann, der wirklich unpolitisch ist. 
hat er doch schon die Farben rot, schwarz und blau ge- 
tragen, erfrecht sich, unserem Verbände Terror vorzuwer¬ 
fen, ein Hermann, dessen Lausbubenstücke im Schulungs- 
Heime noch nicht vergessen sind, ein Hermann, der dem 
braven Direktor des Schulungsheimes, Herrn Oberrech- 
nungsrat Schurrek, ein Konzert mit Hafendeckeln und 
Häfen und dergleichen Lärminstrumente mehr veranstal¬ 
tete und diesem damit die Existenz raubte, allerdings da- 
für zur Verantwortung gezogen wurde, ein Hermann, der 
dadurch nicht unerheblich wenig zur Auflassung des Schu- 
lungsheimes beigetragen hat, ein Hermann, der durch 
seine Terrorakte sehr viel zur Verschlechterung der Woh- 
nungsverhältnisse im Schulungsheime beitrug, ein Her- 
mann, der nur dem unerforschlichen RatschlusseGottes sein 
weiteres Leben verdankt, der hat am allerwenigsten ein 
Recht, anderen Terror vorzuwerfen. 
Trotzdem Herr Primär Rupp ihnen erklärte, daß von 
keiner Seite die Auflassung gefordert wurde, behaupteten 
sie weiter die aufgestellten Lügen, daß der „rote" Verband 
Und die „rote" Gemeinde das Spital beseitigen wollen. 
weil „bürgerliche" Invalide darin nichts zu suchen hätten, 
Invalide, die sich dem Reichsbunde angeschlossen haben 
und sich losgesagt haben vom Verbände des Terrors. 
Warum bei manchen Invaliden der Uebertritt er- 
folgte, sei durch ein Beispiel erwiesen. Ein Mann mit 
wenig Rente und größerer Familie, der das Unglück 
hatte, immer arbeitslos zu sein, der auch, nachdem er von 
unserem Verbände eingestellt wurde, aber am dritten 
Tage schon wieder krank werden mußte, zog es vor, 
wiederholt selbst oder durch seine Frau um Unterstützung 
anzusuchen, die er auch wiederholt bekam. Einige Male 
sollte ein Kind nach Kärnten gebracht werden, wozu 
Unterstützung verlangt wurde. Er hat sie erhalten. Plötz- 
lich sah er keinen Platz mehr für sich in der Heimat, er 
entschloß sich, nach Argentinien, dann nach Rußland aus- 
zuwandern. Jeder wurde bewegt von der Auswanderer- 
gruppe anläßlich der Maifeier im vergangenen Jahre. 
Unser Mann trug die Tafel mit der Aufschrift: 
„Auswanderergruppe. Letzte Maifeier in der Hei- 
mat." Er ist ausgewandert und endlich, nachdem er noch 
mehrere Male Unterstützung erhielt, in Argentinien, 
Bethlehemstraße 44, ausgeschifft worden, wo ihn die 
Kolonialregierung des Herrn Grinzinger sofort mit 30 3 
australischer Währung freudig empfing. 
Der Mann ist aber nicht einzig dastehend. Solche 
Unterstützungstechniker gibt es mehrere, die alle Unter- 
stützungsquellen trocken zu legen versuchen, um dann beim 
Reichsbunde zu landen. 
Das sind die „bürgerlichen" Invaliden, die der „rote" 
Verband im Spital nicht sehen will. 
Die Herren Grinzinger und Hermann und Konsorten 
mögen wettern, wie es ihnen beliebt, sie mögen den Ver- 
band und dessen Führer verleumden, wie sie wollen, es 
wird die Jnvalidenschaft selbst zu entscheiden haben, wo 
ihre wirklichen Freunde sitzen. 
Nicht an Worten, an den Taten wird man sie er- 
kennen. F. 
300.000 Zote in einem Grabe. 
Ein Grabmal erhebt sich bei V e r d u n, ein ungeheu- 
res Grabmal; man hat es erbaut, um dreihunderttausend 
Toten ein Denkmal zu setzen, dreihunderttausend namen- 
losen Toten, man hat es vor einigen Tagen feierlich ein- 
geweiht. Pathetische Reden wurden gehalten, ein Bischof 
zelebrierte die Messe, die Marseillaise, für uns das Lied 
der Revolution, in Frankreich das Lied der Hundertpro- 
zentigen Patrioten, erklang — dreihunderttausend Tote, 
anonymes Menschenmaterial. Hunderttausend hat man 
schon früher begraben, hunderttausend, deren Identität 
man feststellen konnte; vierhunderttausend waren es also, 
die mit ihrem Blut, mit ihren Knochen rings um Berdun 
die Erde düngten. Man kann es nicht fassen, man wagt 
es nicht, die Zahl, verkörpert in Totenschädeln, in Ske- 
leiten in den armen Ueberresten menschlicher Körper, sich 
vorzustellen, aber die grauenhafte Vision ist nicht zu ban- 
nen: Städte, Länder, halbe Erdteile, hat man ausge- 
pumpt, endlose Menschenkolonnen marschierten ununter- 
krochen hinaus, endlose Menschenkolonnen verschlang 
eine Hölle, wie sie wüsteste Phantasie nicht träumen 
konnte — und der Sinn, das Ende, die Rechtfertigung? 
Ein Grabmal für dreihunderttausend Menschen, deren 
Leben so bis zum Letzten erloschen ist, daß kein Name, 
kein Schatten, nichts Persönliches übrigblieb, nur die 
Lüge vom Heldentod und die alle Lügen, alle Phrasen 
zermalmende Wirklichkeit: ein Knochenberg, über den, 
schonungsvoll, ein Denkmal sich türmt. Menschen- 
Material — herrliche Baumeister, unübertreffliche 
Künstler, die das Material so plan- und sinnvoll verwen- 
deten, daß es innerhalb weniger Iahr^ in einen Haufen 
Staub und Asche zerfiel. Dreihunderttausend Menschen,
	        
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