Volltext: Polizei-Humoresken [35/36]

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kehrte er wieder zu seiner Einvernahme zurück, brachte den 
Hehler zum Geständnis, nahm die übrigen Parteien, eine nach 
der andern, vor und ließ sich nicht stören, obwohl aus dem 
gegenüberliegenden Sprechzimmer ein Lärmen laut wurde, als 
ob dort ein Huronenstamm einem Stamme der Siouxindianer 
den Krieg erklärt hätte, obwohl der Anmelder schon dreimal mit 
der besorgten Meldung gekommen war, daß sich die fünf Leute 
dort umbringen müßten, nach dem Geschrei zu schließen. 
„Das wird dann eben der Gerichtsarzt feststellen!“ ent— 
gegnete Dr. Ziegler in seiner durch nichts zu erschütternden 
Ruhe und setzte seine Arbeiten fort. Immer lauter, immer 
lärmender wurde das Geschrei von drüben. Man hörte nur 
Bruchstücke heraus, aber sie hätten genügend Material gegeben, 
um alle Wiener Bezirksgerichte für längere Zeit mit der Durch— 
führung von Ehrenbeleidigungsklagen zu beschäftigen. Dann 
plötzlich wurde es ganz still und ruhig, so daß Anmelder 
Wößner schon wieder besorgt meinte: „Herr Doktor, die müssen 
sich alle gegenseitig erschlagen haben und sind alle schon tot!“ 
Aber kurz danach hob das Lärmen von neuem an, diesmal nicht 
mehr gegnerisches Durcheinanderrufen, sondern ein gemein⸗ 
sames Brüllen, das aus fünf Kehlen gleichzeitig ausgestoßene 
Rufen: Aufmachen! Aufmachen!“ Und gleichzeitig erfolgte 
ein Rütteln an der Tür, daß diese wohl aus der Mauer aus—⸗ 
gebrochen wäre, wäre sie nicht von so guter Erzeugung gewesen. 
Oberkommissär Dr. Ziegler drehte den Schlüssel im Schlosse. 
„Verzeihen Sie, meine Herren, der Schlüssel ist wohl nur 
irrtümlich umgedreht gewesen! Im übrigen kommen Sie schon 
daran!“ — „Ddanke! Nicht mehr notwendig, verehrter, junger 
Freund!“ meinte Dr. Lindau und eilte seinem Klienten nach. 
Heute ist mit uns da kein Geschäft zu machen!“ erklärte der 
andre Klient, jener, der früher nur immer von Gaunerei und 
Betrug gesprochen hatte, und lief wieder seinem sich rasch ent⸗ 
fernenden Anwalt nach, um noch eine Gewissensfrage an ihn 
zu stellen. Es war ein allgemeines Fliehen und Flüchten, 
nachdem die Tür des Sprechzimmers aufges chlossen worden war. 
Rur der Konzipient des einen Rechtsanwaltes besaß genügend 
Takt, um sich mit einem „Meinen ergebensten Respekt, Herr 
Oberkommissär“, von dem Beamten zu verabschieden. Dann 
sief auch er, so rasch es eben seine Dickleibigkeit gestattete, den 
andern nach. Alles war erstaunt über diese rasche und allge⸗ 
meine Flucht, und Anmelder Wößner konnte sich nicht enthalten, 
kopfschuͤttelnd zu äußern: „Das s oll ein G'scheiterer verstehen. 
Zuerst haben sie es so g'nötig, daß sie die Türen stürmen, dann 
ftreiten fie, daß man schon glaubt, einer rennt dem andern sein 
Messer in den Leib, und wenn sie schließlich darankommen 
follen, laufen alle davon, als ob nichts gewesen wäre!“
	        
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