Volltext: Polizei-Humoresken [35/36]

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Wachmann entstanden war, wurde in der Meldung nicht näher 
ausgeführt, aber jedenfalls behinderte diese wichtige Angelegen— 
—DD chäftigen, und 
als er von Passanten auf, die im Wasser treibende Leiche auf— 
merks am gemacht wurde, herrschte er die Leute an, daß sie sich 
nicht in seine Amtshandlung einmengen sollten, die er zuerst 
beenden müsse, und schloß daran die Aufforderung, daß die 
Leiche warten müsse. Da Tote aber nichts hören und deshalb 
auch nicht obrigkeitliche Befehle befolgen können, wartete auch 
der im Wasser treibende Leichnam nicht, sondern wurde immer 
weiter stromabwärts getragen, bis er schließlich nächst der 
Aspernbrücke von den Matrosen eines dort verankert gewesenen 
Steinschiffes geborgen und an das stadtseitige Ufer gebracht 
wurde. Damit war jeder weitere Kompetenskonflikt entschieden. 
Wenn auch der Wasserlauf, polizeilich genommen, dem 
Kommissariat Leopoldstadt unterstellt war, so gehörte das jen— 
seitige Usfer dennoch unstreitig zum Polizeikommifsariat Innͤere 
Stadt. Da nützte alles Fluchen und Murren des Herrn 
Konzipisten nichts, der eben im Stadtbezirk im Dienste stand 
und der noch dazu erste Sektion hatte. Ob er nun wollte oder 
nicht, er mußte ausrücken. *L 
Nebenbei bemerkt war von Wollen gar keine Rede, aber 
der eiserne Muß des Dienstes zwang ihn. Er verfügte noch, daß 
man die Leiche vorläufig in die Totenkammer der städtischen 
Sanitätsstation bringen solle, die sich damals auf dem Vorkai 
des Donauufers nächst der Kreuzung des Schottenringes und des 
Franz Josef-Kais befunden hat. Dorthin hatte er es näher als 
bis zur Aspernbrücke, und dann war er bei der Amtshandlung 
die Hunderte von Gaffern los, die sich erfahrungsgemäß bei 
solchen Anlässen an beiden Ufern ansammelten. Er verständigte 
den Polizeiarzt, der mitgehen mußte. Auch bei diesem war von 
Wollen keine Rede, und er scheute sich nicht, seiner Meinung 
offen Ausdruck zu verleihen, indem er sich äußerte, ob man denn 
die Leiche nicht hätte weiter treiben lassen können, bis zum 
Rayon des Kommissariats Prater oder Landstraße. Das wäre 
doch schon einerlei gewesen, da der Leichnam dort ebenso tot 
angekommen wäre wie im Bereiche des Kommissariats Stadt. 
Für die Beamten wäre dies aber nicht einerlei gewesen, denn in 
dem andern Falle hätten die Herren Kollegen von den andern 
Kommissariaten amtshandeln müssen. 
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Jetzt war es aber schon einmal so, und an dieser Tatsache 
war nichts mehr zu ändern. Der Herr Konzipist, der Herr 
Polizeibezirksarzt und ein Polizeiagent begaben sich in die 
Totenkammer der Sanitätsstation, wo es vor allem gelang, fest— 
zustellen, daß der Mann wirklich tot war, eine Feststellung, die 
nicht allzu schwierig war, da die in Zersetzung über—⸗
	        
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