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Die rein militärische oberste Kriegsleitung
Für die O.H.L. war es eine üble Überraschung, daß am 28. Ja¬
nuar 1918 in Berlin tatsächlich ein großer Streik von etwa 500 000
Arbeitern ausbrach. Die Regierung zeigte Energie; sie verhängte
den verschärften Belagerungszustand, so daß der Streik nach etwa
acht Tagen zusammenbrach. In der Arbeiterschaft aber zitterte nach
den Darlegungen des Generals v. Wrisberg (Der Weg zur Revolu¬
tion 1914—1918. Leipzig 1921, S. 102) eine starke Erregung nach,
die sich in unvermindertem Mißtrauen gegen die Absichten der Reichs¬
leitung in der äußeren Politik und gegen die Festigkeit der preußi¬
schen Regierung in der Wahlrechtsfrage äußerte.
Die große Gefahr des Streiks lag darin, daß eine Anzahl von
Truppen und von Ersatzmannschaften im Jnlande festgehalten wurde,
deren die O.H.L. an der Front dringend bedurfte. Außerdem konnte
die gesamte Rüstungsindustrie unter Umständen in Mitleidenschaft
gezogen werden. Besorgt schrieb Hindenburg am 17. Februar 1918
an den Reichskanzler, er sei fest überzeugt, daß es nur durch Stärke
und Festigkeit der Regierung gelingen könne, auf die Dauer größere
Streiks zu verhindern. Er halte es für wichtig, sich in voller Öffent¬
lichkeit dazu zu bekennen, daß Streik während des Krieges Landes¬
verrat sei. Es sei vielleicht möglich, die Gewerkschaftsführer und die
sozialdemokratischen Abgeordneten zu einer klaren Antwort aufzu¬
fordern, ob sie den Streik während des Krieges unbedingt verur¬
teilten oder nicht. Sie müßten Farbe bekennen. Lehnten sie die
grundsätzliche Verurteilung des Streiks ab, so seien sie als Landes¬
verräter anzusehen, und die Festnagelung dieser Tatsache in Presse
und Parlament würde voraussichtlich nicht nur ihre Anhängerschaft
erheblich verringern, sondern auch die große Mehrheit des Volkes
endlich über die staatszersetzenden Ideen der radikalen Sozialdemo¬
kratie aufklären. Vielleicht gelinge es auch, die wirtschaftsfriedlichen
Arbeiterorganisationen zusammenzufassen und ihnen die gleiche
staatliche Anerkennung zu geben wie den freien Gewerkschaften. Von
größter Bedeutung aber sei es, die arbeitswilligen Arbeiter bei
Streiks vor dem Terrorismus der Streikenden zu schützen. In die¬
sem Sinne wendete sich General Ludendorff tags darauf an den
Kriegsminister v. Stein in Berlin und betonte die Notwendigkeit,
unter Umständen gegen den Terrorismus mit schärfster Gewalt vor¬
zugehen. Wenn auch die Hoffnung bestehe, daß man in Zukunft ohne
Waffengewalt werde auskommen können, so sei es doch nötig, sich
für diese Fälle vorzubereiten, und dieser Grund sei auch für ihn be¬
stimmend gewesen, die gewünschten Truppen in Deutschland zu be¬
lassen oder bereitzustellen.
Am 13. Februar 1918 fand zu Homburg in Gegenwart des
Kaisers eine große Aussprache statt, bei der durch Vizekanzler