Volltext: Das Weltkriegsende

Die Männer der politischen Leitung 29 
gen von Bethmanns Rücktritt bedenkliche gewesen sind: „Der bisher 
nach außen hin aufrechterhaltene Schein des politischen Burgfriedens 
zwischen den Parteien hörte auf. Es bildete sich eine Mehrheitspartei 
mit dem ausgesprochenen Anschluß nach links. Die Versäumnisse, 
die angeblich in früheren Zeiten in der Weiterentwicklung unserer 
innerstaatlichen Verhältnisse begangen waren, wurden nunmehr im 
Kriege und unter dem Druck einer politisch ungeheuer schwierigen 
äußeren Lage des Vaterlandes dazu benutzt, um von der Regierung 
immer weitere Zugeständnisse zugunsten einer sogenannten parlamen¬ 
tarischen Entwicklung zu erpressen. Wir mußten auf diesem Wege 
an innerer Festigkeit verlieren. Die Zügel der Staatsleitung gerie¬ 
ten allmählich in die Hände extremer Parteien"'. 
Der Reichstag. 
An dieser Stelle ist es angezeigt, einen Blick auf den Reichstag 
zu werfen. Von einer Parlamentarisierung der deutschen Regierungs¬ 
verhältnisse konnte in den ersten Kriegsjahren durchaus keine Rede 
sein: der Reichstag war wohl vorhanden, aber seine Tätigkeit er¬ 
schöpfte sich im Reden, nicht im Handeln. Immerhin verblieb ihm als 
Hauptaufgabe die Bewilligung der gewaltigen Kriegskredite, wobei 
ihm die Möglichkeit gegeben war, über diese oder jene Frage Auf¬ 
klärung zu verlangen. In der allgemeinen Begeisterung der ersten 
Kriegsjahre hatte sich hierzu weniger Anlaß geboten: der „Burg¬ 
friede" Bethmann Hollwegs und die strenge Handhabung der Presse 
hinderten die Parteien an einer allzu rücksichtslosen Bekundung ihrer 
Sonderauffassungen. Die Kriegskredite wurden eigentlich immer an¬ 
standslos bewilligt — im Ganzen haben sie während des ganzen 
Krieges nicht weniger als 154 Milliarden Mark ausgemacht —, wo¬ 
bei auch die sozialdemokratische Fraktion an Gebefreudigkeit hinter 
den anderen Parteien nur wenig zurückstand. Die gemeinsame Über¬ 
zeugung des uns aufgezwungenen Verteidigungskampfes einigte die 
Parteistandpunkte. Aber mit Bethmanns Rücktritt hörte das auf. 
Die erste schwere Belastungsprobe, die Michaelis in seiner kurzen 
Amtszeit zu bestehen hatte, ergab sich aus der Friedensresolution 
vom 19. Juli 1917. Michaelis stellte sich bei dieser Gelegenheit dem 
Reichstage — es handelte sich um die Beratung eines Nachtrages 
zum Reichshaushaltsetat 1917 — zum ersten Male als Reichskanzler 
vor und hatte nun gleich zu der vom Abgeordneten Erzberger am 
6. Juli in einer Sitzung des Hauptausschusses gehaltenen Rede Stel¬ 
lung zu nehmen. Erzberger hatte an jenem Tage mit einer Deut¬ 
lichkeit über die Kriegslage gesprochen, wie sie damals noch als ganz 
7 Aus meinem Leben", S. 285.
	        
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