Volltext: Das Weltkriegsende

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Die Kaiserfrage 
Die Kaiserfrage. 
Das Problem der höchsten Verantwortlichkeit im Kriege, das 
den Hauptinhalt dieses Buches bildet, hatte sich im Herbst 1918 von 
der ideellen Grundlage des Triumvirats, wie es uns nach dem Vor¬ 
bilde Moltkes und nach der Anschauung des Grafen Schliessen er¬ 
schien, weit entfernt. Die Vorherrschaft des rein militärischen Den¬ 
kens, die bis zur Forderung und Erzwingung des Waffenstillstands¬ 
angebotes maßgebend war, wandelte sich mit diesem Zeitpunkt. Im¬ 
mer noch war der Oberste Kriegsherr in dem Sinne bestimmend, daß 
für ganz wichtige Entschließungen seine Entscheidung eingeholt wer¬ 
den mußte, er also doch mit der Verantwortung für das Geschehen im 
Großen belastet blieb. Die bisher maßgebende Oberste Heeresleitung 
mußte sich immer mehr auf die reine Kriegführung beschränken und 
galt gegenüber dem Kriegskabinett, das unter dem verantwortlichen 
Vorsitz des Reichskanzlers arbeitete, in der Hauptsache als Auskunfts¬ 
behörde. Das war sicherlich keine Ideallösung, aber sie war aus der 
tiefen Enttäuschung über das plötzliche Waffenstillstandsangebot er¬ 
wachsen. 
Im Laufe des Notenwechsels mit Wilson trat, von seiner zweiten 
Note an, die Kaiserfrage in den Vordergrund. Je größer die Bewun¬ 
derung war, die man dem deutschen Kaiser vor Ausbruch des Welt¬ 
krieges zollte, um so leidenschaftlicher hatte sich der Haß gegen ihn 
unter der Auswirkung einer zügellosen, geradezu verruchten Propa¬ 
ganda im Laufe des Weltkrieges gesteigert. Nichts bezeichnet stärker 
die wahre Bedeutung der Kaisermacht und der kaiserlichen Persön¬ 
lichkeit, als daß die Entente gerade gegen ihn ihre vergifteten Pfeile 
richtete. So verunglimpfte die illustrierte Presse aller kriegführenden 
Länder schon in den ersten Wochen des Weltkrieges den deutschen 
Kaiser als den Urheber alles Unheils. Man zeichnete ihn in der ab¬ 
stoßendsten und rohesten Form, gab seinen Gesichtszügen einen 
grauenerregenden Ausdruck und befestigte gerade durch dieses so sehr 
wirksame Propagandamittel in den urteilslosen Massen die Anschau¬ 
ung, als wenn es sich in dem Kriege gegen Deutschland hauptsächlich 
um den Kampf gegen den Kaiser persönlich handelte, der an allem 
Elend die Hauptschuld trage. Nicht nur, daß er den Weltkrieg hinter¬ 
listig und zielbewußt angezettelt habe, um so die Weltherrschaft zu 
erreichen, warf man ihm vor, sondern daß er auch an den brutalen 
Methoden der deutschen Kriegführung, die man uns ohne jede Be¬ 
rechtigung unterstellte, schuld sei. 
Hatte man sich in vier schweren Kriegsjahren vergeblich bemüht, 
Deutschland niederzuringen, so schien nach der Anbahnung der Waf¬ 
fenstillstandsbesprechungen nunmehr die Beendigung des Krieges zu 
nahen. Noch aber stand das deutsche Heer an der Westfront als be-
	        
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