Volltext: Ein Nothruf wegen der Einführung der neuen Civilprozeß-Ordnung

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Protokolle ausgefüllt werden, daß, während ein Advokat diktirt, der 
Richter und der andere Advokat gar nichts thun, daß wenigstens 50®/o 
der Diktate nutzloses, überflüssiges Geschwätz enthält, also auch die auf 
das Lesen und Extrahircn verwendete Zeit vergeudet ist, so wird man 
Wohl zugeben müssen, daß, wenn alle diese Zeit erspart würde, eine 
Personalvermehrung gar nicht nothwendig wird, im Gegentheile das 
Budget der Justiz etwas entlastet werden kann. 
Bereits vor 19 Jahren — am 16. Mai 1860 — habe ich in 
einem Aufsatze „die Ersparnisse im Staatsbudget durch Einführung des 
mündlichen Civilverfahrens" (Zeitschrift für das Notariat, 2. I.) an 
der Hand der mir von einem rheinischen Richter, den ich während 
meines Aufenthaltes am Rhein kennen gelernt habe, mitgetheilten Daten 
diesen Beweis durch Vergleichung dreier österreichischer Länder von 
analoger Bevölkcrungsziffer mit den drei rheinischen Ländern, in welchen 
damals der französische Prozeß seit 40 Jahren bestand, zu führen gesucht, 
seither habe ich weitere Daten gesammelt, und bin in meiner damaligen 
Auffassung nur bestärkt worden. 
Ein Beispiel anstatt vieler. — Die auf Grund des mündlichen 
Civil- und Strafverfahrens organisirte Justiz erster und zweiter Instanz 
im Großhcrzvgthum Baden mit 5 Gerichtshöfen zweiter Instanz, 
7 Gerichtshöfen erster Instanz und 54 Einzclngerichten für 1V» Million 
Einwohner kostet nach dem neuesten Budget in Allem 1,220.800 Mark 
oder 610.400 fl. ö. W. 
Der Aufwand für das eine Oberlandesgericht Graz*) 5 Gerichts 
höfe in Steiermark und Kram, dann 95 Einzelngerichte für eine nahe 
zu gleiche Bevölkerung ist beiläufig 950.000 fl. ö. W. Dabei ist aber noch 
zu erwägen, daß die namhaften Kosten für Diurnisten, die beim münd 
lichen Verfahren entbehrlich sind, gar nicht in Anschlag genommen wurden. 
V. 
Es werden auch noch als Bedenken gegen die Einführung der 
vorgeschlagenen Civilprozeßordnung folgende Momente angeführt: 
Erstens die unpassende Jurisdiktionsnorm, welche den Gerichts 
höfen eine Menge Agenden zuweist, die besser von Einzelnrichtern be 
sorgt werden können. 
*) Das Grazer Oberlandes-Gericht ist auch sür Kärnthen zweite Instanz . 
und wurde darauf Rücksicht genommen.
	        
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