Geschichte der Juden
in Brandéis a. d. E. und Elbekosteletz.
Bearbeitet von
Rb. Moritz Mandl, Prag.
In der Gegend von Brandeis a. d. E. (c. Brandys
n./L.) und Elbekosteletz (c. Kostelec n./L.) finden
sich die ersten Spuren einer jüdischen Ansiedlung in
der zweiten Hälfte des 16. Jhts. Die ersten fünf jüd.
Häuser in B. standen bei der Bachmühle unterhalb
des Schlosses, wo ihnen die Ansiedlung auf kirchl.
Boden gestattet wurde.
Tempel (Innenansicht)
Schon lange vor dem J. 1559 errichteten sie sich
eine eigene Schule mit Bethaus an der Stelle, wo noch
heute die Synagoge steht. Bis in die spätere Zeit
wurden die Rechts- und Gemeindeangelegenheiten
von zwei Ältesten, die durch den jeweiligen
Stadtrat ernannt u. beeidet wurden, verwaltet. Diese
jüd. Ansiedlung entstand auf dem Boden dieser Stadt
wohl während der Regierungszeit Ferdinand I. Als
nun die Juden sich mit ihren hier erworbenen Ka¬
pitalien auch an ausländischen geschäftl. Unterneh¬
mungen zu beteiligen begannen, wurden alle Juden
aus Böhmen vom Kaiser im J. 1559 ausgewiesen. Die
Brandeiser Juden entschlossen sich damals nach Po¬
sen auszuwandern. In der Hoffnung, daß sie bald
wieder in ihre Heimat zurückkehren, stellten sie ihre
Schule und ihr Eigentum in den Schutz der Stadtver¬
waltung und verpflichteten sich hiefür 20 Groschen
jährlich zu entrichten. Am 18. Juli 1559 verließen sie
mit Weib und Kind die Stadt B.
Nach dem Tode Ferdinand L bestieg dessen Sohn
Maximilian im J. 1564 den Thron und schon 1568 be¬
willigte er den Juden die Rückkehr. Aus dieser Zeit
stammt der eigene jüd. Friedhof in B., der noch bis
zum heutigen Tage in Benützung steht. Nach dier
Schlacht auf dem Weißen Berge 1618—1620 erging
es den Juden in Böhmen gut, da sie während des
böhm. Aufstandes treu zum Kaiser hielten. — In B.
siedelten sich die Juden damals auch außerhalb der
Schloßumgebung in verschiedenen Stadtteilen an. Ins-
besonders in der sog. Bäckergasse, später genannt die
Judenstadt. 1630 besaßen sie dort 9 Anwesen
und zu Ende des 30-jähr. Krieges bereits 13. Als die
Schweden auf ihrem Zuge einige Judenhäuser zer¬
störten, flüchteten die Bewohner dennoch nicht, wes¬
halb sie des Einverständnisses mit dem Feinde be¬
zichtigt wurden. Nach dem Westfälischen Frieden;
1648, verließen viele die Stadt, ihr Eigentum zurück¬
lassend. — Die Prager Judengemeinde versuchte so
ihre Glaubensgenossen in B. zu unterstützen, aber
die böhm. Kammer verbot den Juden in B. sich
neuerdings anzusiedeln, da sich die übrigen Einwoh¬
ner über das starke Anwachsen der ansässigen Juden
beschwerten, insbesondere die Gewerbetreibendlen,
wie die Fleischhauer, die sich geschädigt fühlten, wo¬
durch den Juden das Leben erschwert wurde. Der
Schloßhauptmann jedoch schützte sie, da von ihnen
in die Brandeiser Herrschaftskasse große Summen
Geldes einflössen — und außerdem die Lohgerbe¬
reien und Zölle von den Juden einen hohen Pacht¬
zins einbrachten. Selbst der Kaiser enthob 1656 die
Brandeiser Bürgerschaft der Pflicht, Juden in ihre
Gemeinden aufzunehmen, wogegen sich der Schloß
hauptmann Kostíáb fortan um die Juden be¬
mühte, bis der Kaiser zwei Jahre später den Aus¬
weisbefehl widerrief, worauf sie mit Hilfe des Haupt¬
mannes in die Stadt kommen konnten. Die Juden
mußten sich aber zu einer besonderen neuen Steuer
an die Stadtkasse verpflichten, nebst dem sich für die
Folge des Fleischerhandwerks enthalten.
In Elbekosteletz, der Nachbargemeinde,
wurde fernab auch ein Unterschied gemacht zwischen
Grundbesitzern und solchen Juden, die nur in Miete
bei ihren Glaubensgenossen wohnten. Die Mieter
durften erst dann einen Familienstand grün¬
den, bis eine Familienwohnung frei wurde. Die Ver¬
waltung der jüd. Gemeinde, deren Synagoge und
Friedhof führten auch hier die zwei Ältesten, die all¬
jährlich vom Stadtrat ernannt wurden. Nach der
Rückkehr der Juden 1661 wohnten dort bloß sechs
jüd. Familien mit fünf Mietparteien (ohne Familien),
daher die früheren Häuser nicht voll besetzt waren.
Einige derselben waren bereits verfallen, während
andere wieder in christl. Hände kamen. Es wohnten
jetzt nicht alle Juden in ihrem Viertel, vielmehr sie¬
delten sich andere bereits in anderen Straßen der
Stadt an. Sie lebten hier, sowie in B., streng nach
ihren Religionsvorschriften und umzogen in letzterer
Brandys nJL. 1
56
Brandeis 1