Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden 
in Brandéis a. d. E. und Elbekosteletz. 
Bearbeitet von 
Rb. Moritz Mandl, Prag. 
In der Gegend von Brandeis a. d. E. (c. Brandys 
n./L.) und Elbekosteletz (c. Kostelec n./L.) finden 
sich die ersten Spuren einer jüdischen Ansiedlung in 
der zweiten Hälfte des 16. Jhts. Die ersten fünf jüd. 
Häuser in B. standen bei der Bachmühle unterhalb 
des Schlosses, wo ihnen die Ansiedlung auf kirchl. 
Boden gestattet wurde. 
Tempel (Innenansicht) 
Schon lange vor dem J. 1559 errichteten sie sich 
eine eigene Schule mit Bethaus an der Stelle, wo noch 
heute die Synagoge steht. Bis in die spätere Zeit 
wurden die Rechts- und Gemeindeangelegenheiten 
von zwei Ältesten, die durch den jeweiligen 
Stadtrat ernannt u. beeidet wurden, verwaltet. Diese 
jüd. Ansiedlung entstand auf dem Boden dieser Stadt 
wohl während der Regierungszeit Ferdinand I. Als 
nun die Juden sich mit ihren hier erworbenen Ka¬ 
pitalien auch an ausländischen geschäftl. Unterneh¬ 
mungen zu beteiligen begannen, wurden alle Juden 
aus Böhmen vom Kaiser im J. 1559 ausgewiesen. Die 
Brandeiser Juden entschlossen sich damals nach Po¬ 
sen auszuwandern. In der Hoffnung, daß sie bald 
wieder in ihre Heimat zurückkehren, stellten sie ihre 
Schule und ihr Eigentum in den Schutz der Stadtver¬ 
waltung und verpflichteten sich hiefür 20 Groschen 
jährlich zu entrichten. Am 18. Juli 1559 verließen sie 
mit Weib und Kind die Stadt B. 
Nach dem Tode Ferdinand L bestieg dessen Sohn 
Maximilian im J. 1564 den Thron und schon 1568 be¬ 
willigte er den Juden die Rückkehr. Aus dieser Zeit 
stammt der eigene jüd. Friedhof in B., der noch bis 
zum heutigen Tage in Benützung steht. Nach dier 
Schlacht auf dem Weißen Berge 1618—1620 erging 
es den Juden in Böhmen gut, da sie während des 
böhm. Aufstandes treu zum Kaiser hielten. — In B. 
siedelten sich die Juden damals auch außerhalb der 
Schloßumgebung in verschiedenen Stadtteilen an. Ins- 
besonders in der sog. Bäckergasse, später genannt die 
Judenstadt. 1630 besaßen sie dort 9 Anwesen 
und zu Ende des 30-jähr. Krieges bereits 13. Als die 
Schweden auf ihrem Zuge einige Judenhäuser zer¬ 
störten, flüchteten die Bewohner dennoch nicht, wes¬ 
halb sie des Einverständnisses mit dem Feinde be¬ 
zichtigt wurden. Nach dem Westfälischen Frieden; 
1648, verließen viele die Stadt, ihr Eigentum zurück¬ 
lassend. — Die Prager Judengemeinde versuchte so 
ihre Glaubensgenossen in B. zu unterstützen, aber 
die böhm. Kammer verbot den Juden in B. sich 
neuerdings anzusiedeln, da sich die übrigen Einwoh¬ 
ner über das starke Anwachsen der ansässigen Juden 
beschwerten, insbesondere die Gewerbetreibendlen, 
wie die Fleischhauer, die sich geschädigt fühlten, wo¬ 
durch den Juden das Leben erschwert wurde. Der 
Schloßhauptmann jedoch schützte sie, da von ihnen 
in die Brandeiser Herrschaftskasse große Summen 
Geldes einflössen — und außerdem die Lohgerbe¬ 
reien und Zölle von den Juden einen hohen Pacht¬ 
zins einbrachten. Selbst der Kaiser enthob 1656 die 
Brandeiser Bürgerschaft der Pflicht, Juden in ihre 
Gemeinden aufzunehmen, wogegen sich der Schloß 
hauptmann Kostíáb fortan um die Juden be¬ 
mühte, bis der Kaiser zwei Jahre später den Aus¬ 
weisbefehl widerrief, worauf sie mit Hilfe des Haupt¬ 
mannes in die Stadt kommen konnten. Die Juden 
mußten sich aber zu einer besonderen neuen Steuer 
an die Stadtkasse verpflichten, nebst dem sich für die 
Folge des Fleischerhandwerks enthalten. 
In Elbekosteletz, der Nachbargemeinde, 
wurde fernab auch ein Unterschied gemacht zwischen 
Grundbesitzern und solchen Juden, die nur in Miete 
bei ihren Glaubensgenossen wohnten. Die Mieter 
durften erst dann einen Familienstand grün¬ 
den, bis eine Familienwohnung frei wurde. Die Ver¬ 
waltung der jüd. Gemeinde, deren Synagoge und 
Friedhof führten auch hier die zwei Ältesten, die all¬ 
jährlich vom Stadtrat ernannt wurden. Nach der 
Rückkehr der Juden 1661 wohnten dort bloß sechs 
jüd. Familien mit fünf Mietparteien (ohne Familien), 
daher die früheren Häuser nicht voll besetzt waren. 
Einige derselben waren bereits verfallen, während 
andere wieder in christl. Hände kamen. Es wohnten 
jetzt nicht alle Juden in ihrem Viertel, vielmehr sie¬ 
delten sich andere bereits in anderen Straßen der 
Stadt an. Sie lebten hier, sowie in B., streng nach 
ihren Religionsvorschriften und umzogen in letzterer 
Brandys nJL. 1 
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Brandeis 1
	        
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