Quadratklafter. In dem neuen Teil wurde als erste
Leiche die verwitwete, im Alter von 70 Jahren ver¬
storbene Frau Marie Fischi am 7. August 1896 be¬
stattet, bei welchem Anlaß der Rabbiner auch Worte
der Weihe sprach. Schon i. J. 1894 fand der Antrag
des Dr. Wilh. Hersch einstimmig Annahme, daß für
den Fall, als vielleicht einmal die Sperrung des Fried-
Die Zeremonienhalle (Außenansicht)
hofes von der pol. Behörde verfügt werden sollte, die
freibleibende Bauarea nur für Bauten zu humani¬
tären Zwecken abgegeben werden möge. Im
darauffolgenden Jahre wurde die Verbindungsmauer
zwischen dem alten Friedhofe und dem neuen Grund¬
stücke abgetragen, und eine neue Mauer ringsum
errichtet. Der Bau wurde dem Baumeister Jos. Pilz
um den Betrag von 2650 fl. übertragen. Endie 1900
wurden vom Baumeister Anton Worf eine Zeremonien-
Zeremonienhalle (Innenansicht)
halle, neue Leichenhalle und Friedhofsgärtnerwoh¬
nung mit einem Kostenaufwand von 27.000 K aufge¬
führt. Kanzel und Luster spendeten zwei freigebige
Gemeindemitglieder. Kürzlich erfolgte die stim¬
mungsvolle, würdige Ausmalung der Zeremonienhalle.
Wenige Schritte vom Eingang des Friedhofes steht
das Denkmal der im Weltkriege Gefallenen, so daß es
den Blick der Besucher gleich auf sich lenkt. Seine
feierliche Enthüllung fand in Gegenwart vieler Teil¬
nehmer im Juli 1927 statt. Nach einer Ansprache des
K. V. Dr. Langstein hielt Rb. Prof. Hofmann die
Gedächtnisrede. Die schlichte, aber würdige Feier,
bei der Gesänge unterblieben, war sehr eindrucks¬
voll. Außer diesem Ehrenmal enthält der Friedhof
eine Ehrenreihe von Gräbern gefallener Krieger,
Gräber von etwa 80 Kriegsflüchtlingen, einen Urnen¬
hain (die Aschenurnen werden wie Särge behandelt)
und Kindergräber. An den Grabsteinen verdienst¬
voller Kultus- und Tempelvorsteher sowie anderer
um die Gemeinde und Ch. K. verdienter Männer ist
eine Tafel angebracht, die eine von der Gemeinde
gewidmete ehrende Inschrift enthält.
Organisatorisches.
Das Statut der Kultusgemeinde erschien viermal
im Drucke, im J. 1877, 1896, 1924 und 1931. Noch
das Statut vom J. 1877 bestimmt: „Jeder der Kult.-
Gem. neu Beitretende hat eine Aufnahmsgebühr zu
erlegen, über deren Höhe er sich mit dem Kultus¬
vorstande zu einigen hat und der mindestens der
Höhe seines jährl. Beitrages gleichkommen muß,
keineswegs aber das Dreifache von der Hälfte des
jährl. Kultusbeitrages eines Höchstbesteuerten über¬
steigen darf.44 Was die Umlagen anbelangt, herrschten
zur Zeit der Gründung der Gemeinde idyllische Zu¬
stände. Es gab vier Klassen von Zensiten mit Bei¬
trägen zu 16, 12, 8 und 4 fl. Sechs Jahre später wur¬
den die Beiträge bereits schon erhöht. Sie betrugen
24, 18, 12 und 6 fl. Im Statut erscheinen zehn Jahre
später 6 Beitragsklassen, mit Beiträgen von 45, 36,
30, 24, 15 und 6 Gulden. Infolge der steigenden Be¬
dürfnisse wurde naturgemäß der Gemeindehaushalt
immer größer und die Erhöhung der Umlagen not¬
wendig. Im J. 1896 wurde der Beitragsquotient fest¬
gestellt. Dieser ergab sich aus der Teilung der umzu¬
legenden Summe durch die Zahl der Kontribuenten
und bildete die Grundklasse für die einzelnen Auf¬
teilungsklassen, in die die Beitragspflichtigen einzu¬
reihen waren. Es ergaben sich: a) Nach abwärts die
Klassen Vs, 3/ö? Vs, 4/s des Quotienten, wobei jedoch
als der geringste Beitrag von 1 fl. festgesetzt wurde;
b) nach aufwärts lVs, lVs, l3/s9 14/ò, 22/59 24/5, 375, 33/5
und 4 usw. bis zum Maximum, das die Summe von 150 fl.
nicht übersteigen durfte. Im J. 1876 faßte die Gene¬
ralversammlung einen Entschluß, daß jeder Israelite,
der mindesitens ein halbes Jahr seinen Aufenthalt in R.
genommen hat, ohne Mitglied der Kultusgemeinde zu
sein, beitragspflichtig sei. Dieser Beschluß hatte für
alle Gemeinden eine grundsätzliche Bedeutung. Aber
die k. k. Statthalterei versage ihm die Genehmigung
mit der Begründung, daß er gegen die Glaubens¬
freiheit verstoße und Israeliten nur dann beizutragen
verpflichtet sind, wenn sie sich zur Teilnahme an
den rituellen Kultus- und Wohltätigkeitsanstalten
erklärt, oder an denselben wirklich teilgenommen
haben. Gegen diese beschränkende Anordnung
machte die Kultusgemeinde in ihrer Beschwerde an
das Ministerium für Kultus und Unterricht in Über¬
einstimmung mit dem Magistrate geltend, daß die¬
selbe den Lebensnerv der Gemeinde bedrohe und
daß die Glaubensfreiheit durch diie Pflicht der Bei¬
tragsleistung durchaus nicht berührt werde. Dieser
Rekurs hatte jedenfalls vollen Erfolg, denn eine
ähnliche Bestimmung konnten dann viele Gemeinden
anstandslos in ihre Statuten aufnehmen.
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