Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

sich kein angesiedeltes Judengeschlecht.46 (1811.) „In 
R. ist weder eine Judenfamilie ansässig, noch wohn¬ 
haft. Es gibt bloß zeitweilig Aufhaltende, ohne Weib 
und Kind." (1820.) Noch im J. 1850 berichtete das 
Stadtverordnetenko'llegium der neu eingeführten Be- 
zirkshauiptmannschaft: „Hierorts bestehen keine jüd. 
Kultus- oder Unterrichtsanstalten, da in der ganzen 
Stadtgemeinde kein Jude ansässig ist, den hier be¬ 
findlichen Juden aber bezügl. ihres Gewerbes nur ein 
zeitlicher für ihre Person gültiger Aufenthalt 
bewilligt war und ist.44 Das stand alles sehr schön 
auf dem Papier. Gewiß war den Juden in R. die Se߬ 
haftigkeit verwehrt, aber in Wirklichkeit wurde die 
gesetzliche Bestimmung umgangen. Die wirtschaft¬ 
lichen Erfordernisse erwiesen sich eben stärker, als 
bureaukratische Vorschriften. Manch jüd. Inwohner 
hatte auch Weib und Kind. Aus der Matrik der De- 
chantei in R. und der jüd. Gemeinde in Turnan ist 
es bis zur Gewißheit erwiesen, daß bei den Juden in R. 
nach 1810 Trauungen und Geburten vorkamen. Hier¬ 
durch wurde, wenn auch nicht de jure, so doch de 
facto ein gewisser Grad der Ansässigkeit erreicht. 
Doch wir wollen den Ereignissen nicht vorgreifen, 
sondern sie erst der Reihe nach darstellen. 
Sicherlich war der Magistrat in erster Zeit nach 
dem zweiten Judenverbote gezwungen, strenger vor¬ 
zugehen. Hierauf ist es zurückzuführen, daß zwei 
Juden, Brüder, denen der Wirt des Gemeindehauses 
Wachtel ein Quartier vermietet hatte, wozu er die 
Befugnis besaß, es räumen mußten. Es sei ganz ohne 
Vorwissen des Magistrats geschehen, daß „die beiden 
Juden sich ins Gemeindehaus als Mieter eingeschli¬ 
chen haben44. Zwei ausländische Juden, die Brüder 
Beyersdorf, wurden aus R. ausgewiesen. Sie genossen 
viel Vertrauen und man setzte sich auch vielfach für 
sie ein. Trotzdem ihre bevorstehende Abschaffung 
veröffentlicht wurde, trug man ihnen noch namhafte 
Summen als Darlehen an. Sie kehrten von Zittau zu¬ 
rück, um ihren Verbindlichkeiten nachzukommen 
und es wurde ihnen die Frist verlängert. Im J. 1815 
erhält Markus Taussig eine Geldstrafe von 7 Fl. 
wegen Offenhalten seines Gewölbes während der Zeit 
des sonntäglichen Gottesdienstes. 1823 wohnten in 
R.: Samuel Strenitz, Schutzjude aus Jungbunzlau, 
Siegmund Haan, Juda Weiss, Samuel Reitler, Jonas 
Pollak, Wollhändler und Wolf Prinz, Trakteur. 
Im J. 1827 erhielt die „Judenschaft44 von R. die 
Weisung, sich mit Pässen zu versehen. Die „Juden¬ 
pässe44 wurden nicht einmal auf ein Jahr, ja nicht 
einmal auf eine kürzere, aber bestimmte Zeit, son¬ 
dern bloß für einen bestimmten Zweck ausgestellt. 
Im nächsten Jahre war die Zahl der Juden in R. 
schon verhältnismäßig stattlich. Sie betrug 57. Wir 
besitzen die nachstehende Konsignationsliste. 
Geburtsort : 
Nathan Pollak 
Neubidschow 
Moses Österreicher 
Turnau 
Joachim Weil 
Turnau 
Leopold Kompert 
Münchengrätz 
Markus Sorer 
Trebitsch 
Leopold Sorer 
Trebitsch 
Josef Pollatschek 
Neukolin 
Lazar Fürth 
Prag 
S. B. Hirsch 
Prag 
Joachim Karpeles 
Prag 
Salomon Karpeles 
Prag 
Beer Kantor 
Prag 
Markus Nevekluf 
Prag 
Moritz Karpeles 
Prag 
Wolf E. Schuster 
Prag 
Friedmann Bodansky 
Pirnitz 
Siegmund Haan 
Münchengrätz 
Lazar Haan 
Münchengrätz 
Salomon Kantor 
Münchengrätz 
Alex. Winterberg 
Jungbunzlau 
Josef Rössler 
Jungbunzlau 
Josef Winterberg 
Jungbunzlau 
Adam Gitschin 
Jungbunzlau 
Abraham Brod 
Lieben 
Wolf Schulhof 
Goltsich jenikau 
Lazar Schulhof 
Goltachjenikau 
Adam Kornfeld 
Gol tsichj enik a u 
Jonas Pollak 
Go lischjenikau 
Benjamin Piaitter 
Kolin 
Jakob Platter 
Kolin 
Leopold Kompert 
Münchengrätz 
Josef Pollatschek 
Neukolin 
Löbl Taussig 
Zbenslowitz 
Philipp Österreicher 
Turnau 
Salamon Kraus 
Blinko 
Nathan Diener 
Prag 
Simon Moscheies 
Prag 
Samuel Fleckeies 
Prag 
Isaak Fürth 
Prag 
Isaak Lobositz 
Prag 
Low Freyberg 
Prag 
Salomon Löwy Kuh 
Prag 
J. Bondy 
Pirnitz 
Heinrich Gutfreund 
Polna 
Löbl S. Bäsch 
Polna 
Jos. Em. Herzka 
Ungarn 
Samuel Reitler 
Hrdlojone 
David Low Brandeis 
Jungbunzlau 
Henoch Straschnow 
Jungbunzlau 
Abraham Bloch 
Jungbunzlau 
Isaak Österreicher 
Turnau 
Simon Fried 
Zwikowetz 
Josef Simon 
Neubidschow 
Hermann Schnabel 
Neubidschow 
Israel Herzka 
Ungarn 
Markus Mayer 
Neubidschow 
Markus Neumann 
Neubidschow 
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Aufenthaltsschein für Reichenberg aus dem Jahre 1827 
Im nächsten Jahre schrumpfte die Zahl der Juden 
beträchtlich zusammen. Sie betrug nur noch 34. 
Diese Verminderung ist wahrscheinlich darauf zu¬ 
rückzuführen, daß die Paßlosen die Stadt verlassen 
539 
Reichenberg 11
	        
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