Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Zur Evidenzhaltung dieser Sitze 
und ihrer jeweiligen Eigenthümer wurden früher 
von der Gemeinde, später von den Pa¬ 
tri m o n a 1 Gerichten eigene Grundbücher ge¬ 
führt. So wurde auch das von der hiesigen Gemein¬ 
de im Jahre 1807 aufgelegte Synagogen-Grundbuch, 
später von der Patrimonialgerichtsbarkeit als Schutz¬ 
obrigkeit im Goltsch-Jenikau übernommen, als 
Grundlage für das neu zu verlegende behördliche 
Synagogengrundbuch, in welchem die inzwischen 
stattgehabten Besitzveränderungen und Belastungen 
grundbuchmässig eingetragen worden. 
Mit dem Aufhören der Patrimonialgerichtsbarkeit 
im Jahre 1850 wurden die Realgrundbücher und mit 
ihnen auch das Grundbuch über die Synagogensitze 
an die k. k. Gerichtsbehörden, das hiesige an die 
in Habe r n übertragen und das Letztere daselbst in 
einem Ergänzungsbande Nro 2 bis auf die neueste 
Zeit fortgeführt. — Nachdem jedoch mit Verord¬ 
nung des hohen Landesgerichtes dto Prag 
17. November 1873 Z: 36940 auf Grundlage ho¬ 
hen Justizministerialerlasse vom 14. November 
1873 Z. 14036 das Recht einen bestimmten Platz in 
einer Synagoge einzunehmen aufgehört hat, den Ge¬ 
genstand eines Grundbuches zu bilden und die vor¬ 
handenen diesbezüglichen Grundbücher abzuschlies- 
sen und keinerlei Eintragungen darin mehr vorzu¬ 
nehmen sind; wurde zu der im Interesse der Ge¬ 
meinde wie der Besitzer von Besitzen für alle Zeit 
so nöthigen Evidenzhaltung, und entsprechend dem 
in diesem Ministerialerlasse ausgesprochenen Grund¬ 
satze, dass die Privatrechte bezüglich der in diesen 
Büchern erhaltenen Eintragungen unberührt bleiben 
sollen — dieses neue Buch aufgelegt das 
bei der Gemeinde in sicherer Verwahrung zu bleiben 
habe, von derselben streng und gewissenhaft geführt 
werden soll, und in welchem alle in dem T e m p e 1 
mit fortlaufenden Nummern bezeichneten 
Sitze der Männer- wie der Frauenabtheilung, und 
ihre jeweiligen Besitzer genau zu verzeich¬ 
nen sind. 
Das war wieder aber für den Vorstand keine ge¬ 
ringe Aufgabe, denn 1 tens war es, um Streitigkeiten 
und Missheiligkeiten zu vermeiden nöthig, die mög¬ 
lichste Rücksicht darauf zu nehmen, dass den Be¬ 
sitzern von Betstühlen in der alten Synagoge ihr 
Recht mit thunlichster Beobachtung des 
innegehabten vorbestandenen Ranges 
gewahrt bleibe daher ihnen oder ihren Nach¬ 
folgern jene neue Plätze anzuweisen und zu verbii- 
chern waren, welche der frühern Reihenfolge ent¬ 
sprechen. 
2tens waren in Laufe der Jahre viele grundbücherli- 
che Übertragungen verabsäumt worden, in Folge dessen 
viele faktische Besitzer, die, sei es durch Erbsitzung 
oder Kauf in den Besitz derselben gelangt sind, ohne 
jedwede Besitzurkunde u. nicht im Stande waren 
rechtsgiltig ihr Eigenthumsrecht zu erweisen, was erst 
in umständlicher Zeit und Mühe erfordernder Weise 
zu erhärten war. — Und diese Schwierigkeiten wurden 
dadurch noch vermehrt, dass die Situation u. Reihen¬ 
folge der Besitze im neuen Tempel von der in der 
alten Synagoge ganz verschieden, eine vollkommen 
zutreffende Gleichschätzung derselben kaum zulies- 
sen und dass schon in Folge der zugenommenen Po¬ 
pulation u. des weit grösseren Raumes des neuen 
Tempels, die Sitze um ein Merkliches vermehrt wer¬ 
den mussten. — 
Aber auch diese nicht geringen Schwierigkeiten zu 
besiegen ist dem redlichen und unablässigen Mühen 
des Vorstandes gelungen; von dem Gefühle der Recht¬ 
lichkeit und Billigkeit geleitet, war es ihm beschie¬ 
den, den einzelnen Besitzern, wie der Gemeinde als 
Inhaberin einer beträchtlichen Anzahl von Sitzen 
vollkommen gerecht zu werden. Die hier¬ 
aus erzielten Vereinbarungen und Resultate in den 
folgenden Blättern dieses Buches ersichtlich gemacht. 
Mit Genugthuung blickt der Vorstand auf die ge¬ 
wonnenen Erfolge, wünscht und hofft ein fernes Ge¬ 
deihen des so schwer errungenen Werkes und mit 
ihm ein erfreuliches Aufblühen u. Erstarken der Ge¬ 
meinde und es wird darin den süssesten Lohn für 
seine Bemühung finden. 
Následují: 
I. Männer-Abtheilung (Folio 1 bis 172). 
Männersitze von Nro 173 neu bis Nro 216 neu. 
II. Frauen-Abtheilung (Folio 173 bis 350). 
III. Männer-Abtheilung (Sitze Nro 173 bis 216). 
Ze zivota rodiny Kornfeldovy. 
Über die Niederlassung der Familie Kornfeld in 
G. J. sind keine authentischen Nachrichten vorhan¬ 
den, sowie auch verläßliche Daten über die erste 
jüdische Siedlung hier fehlen. Alle Dokumente, die 
darüber hätten Aufschluß geben können, sind bei 
einem Brande, der i. J. 1865 im damaligen Juden¬ 
viertel wütete und zahlreiche Wohngebäude ein¬ 
äscherte, vernichtet worden. Wir können uns daher 
nur auf Überlieferungen berufen, die von damaligen 
Zeitgenossen stammen und in der Nachkommenschaft 
der Familie von Geschlecht zu Geschlecht weiter er¬ 
zählt werden. Leider reichen diese Berichte nicht 
weiter zurück, als in die Mitte des XVIII. Jhts. 
In der zweiten Hälfte des XVIII. Jhts. waren hier 
die beiden Brüder Rabbi (M o d c h e) Michael Bär 
und Rabbi Salme Kornfeld, die wegen ihrer be¬ 
deutenden jüdischen Gelehrsamkeit, die sie nicht 
hinderte, eine für die damalige Zeit bemerkenswerte 
großzügige geschäftliche Tätigkeit zu entfalten, 
großes Ansehen unter der Judenschaft auch außer¬ 
halb Böhmens genossen, der Vorbeginn des später 
einsetzenden humanistischen Zeitalters, hatte damals 
schon ungemein befruchtend auf die geistige Regsam¬ 
keit der Juden in Böhmen gewirkt und der Einfluß 
Moses Mendelssohns und der Geist Lessings haben 
unverkennbare Spuren im Geistesleben der damaligen 
Judenschaft zurückgelassen. Der Wissensdrang der 
Juden in Böhmen um diese Zeit war trotz der Be¬ 
drückungen, denen sie ausgesetzt waren, ungemein 
groß und so finden wir damals unter allen Berufs¬ 
zweigen Männer, die in ihren freien Stunden ernst¬ 
hafte gründliche wissenschaftliche Studien betrieben. 
Rabbi (Modehe) Michael Bär war Begründer des 
„Branntweinhauses66 und der damals damit verbun¬ 
den gewesenen Spiritusbrennerei. In der jüdischen 
Gelehrtenwelt genoß er den Ruf eines gründlichen 
Kenners des jüdischen Schrifttums. Sein Sohn ist der 
bekannte Bibelforscher und Talmudist Rh. Aaron 
Kornfeld; ein zweiter Sohn, der der breiteren 
jüdischen Öffentlichkeit weniger bekannt ist, es aber 
verdient, wegen seiner gründlichen jüdischen For¬ 
schungsarbeit erwähnt zu werden, ist Rb. Michael 
Kornfeld. Der dritte Sohn war der hochbegabte 
humanistisch gebildete Moritz Kornfeld, von 
dem auch die bemerkenswerte Grabschrift auf dem 
Grabe Rabbi Aaron Kornfelds stammt, der Vater des 
bekannten Finanzmannes, des späteren Präsidenten 
der Ung. Allg. Creditbank, Sigmund Kornfeld in 
Budapest. Nach dem Tode Rb. Modehe Bärs teilten 
sich in die Führung des Geschäftes dessen Frau 
Theresia Kornfeld! und deren Sohn Moritz; 
Golcuv Jenikov 14 
165 
Goltsch-Jenikau 14
	        
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