Volltext: Die Stellung des Papsttums im Weltkriege [76]

Trotz alledem kann natürlich nicht davon die Rede sein, daß 
„sich der Papst einer vollkommenen Freiheit erfreut", worauf 
Italien nach der Ansicht des Justizministers Orlando (geäußert 
am 7. Dezember 1915) stolz sein dürfe. In vieler Hinsicht bleibt 
die Organisation der Kirche gestört. Anter allen Amständen ist 
die Korrespondenz und freie Aussprache des Oberhauptes der 
universalen katholischen Kirche mit mehr als 70 Millionen seiner 
Gläubigen allein schon im Gebiete der Zentralmächte behindert, ihre 
Interessen sind geschädigt, ihr religiöses Gewissen beunruhigt: Ge¬ 
wisse in ihr kirchliches und privates Leben tief eingreifende An¬ 
gelegenheiten, wie Pönitenzsragen und Eheprozesse, können ja nur 
an der Kurie erledigt werden. Für Deutschlands und Osterreich- 
Angarns Bischöfe ist es zudem bedenklich, in der gegenwärtigen 
Kriegszeit die Fahrt nach Rom, zum Besuch der Apostelgräber, 
zu wagen; es ist ihnen erschwert, an der Kurie über wichtige An¬ 
gelegenheiten ihrer Diözesen direkte Rücksprache zu nehmen. 
Das Garantiegesetz hat sich jedenfalls in seinen 
wichtigsten Bestimmungen als unzureichend erwiesen. 
Es ist nur ein schwacher Trost, daß sich das italienische Königtum 
nicht zu einer Aushebung des Gesetzes verleiten lassen wird. Alle 
Zusicherungen gelten im besten Falle bloß so lange, als das gegen¬ 
wärtige Regierungssystem, die Monarchie, besteht. Muß sie der 
Revolution Platz machen, dann ist die Sicherheit des Papsttums 
in gleicher Weise in Frage gestellt, besonders angesichts der zu¬ 
nehmenden sreimaurerischen Agitation, der religionsfeindlich-revo¬ 
lutionären Propaganda aus Frankreich. 
Die Mängel des Garantiegesetzes sind durch die jäh auf¬ 
lodernde Kriegsfackel scharf beleuchtet worden. Der Einwand, daß 
das Gesetz nicht den Kriegsfall erwähne und für diesen von der 
italienischen Regierung abgeändert beziehungsweise mindestens teil¬ 
weise unwirksam gemacht werden könne, ist nicht stichhaltig. Ge¬ 
rade weil es keinerlei Einschränkung in seiner Gültigkeit für den 
Kriegsfall angibt, mußte vom italienischen Staate ohne weiteres, 
dem Wortlaut entsprechend, erwartet werden, daß er für Schutz 
und Rechte der fremden Gesandten beim Papste eintrete, daß er 
dessen Korrespondenz achte, daß er die fremden Geistlichen beim 
Vatikan schütze und so weiter — schon im Hinblick auf folgenden 
Amstand: Einen Artikel 13, der die Aushebung gerade dieser 
Privilegien aussprechen sollte für den Fall eines Krieges Italiens 
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