Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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„Feuer!" rief sie, „das ist Feuer!" — und instinkt¬ 
mäßig lief sie mit dem letzten Rest ihrer Kraft ins an- 
stossende Zimmer, von wo sie aufs Dorf hinübersehen konnte. 
Hier bot sich ihr ein schreckliches Bild. „Jesus, Maria!" 
stammelte sie und stürzte wie betäubt zu Boden. Der Blick 
auf die zwei schrecklichen Feuersäulen, die an den entgegen¬ 
gesetzten Enden des Dorfes zum Himmel emporschlugen, 
hatte Luise die Besinnung geraubt. Doch nur wenige Augen¬ 
blicke mochte sie in diesem Zustande auf dem Boden gelegen sein, 
als das Plötzlich sich nähernde, wilde Geschrei sie aus ihrer 
Betäubung aufweckte. Sie, raffte sich empor, blickte ver¬ 
wirrt herum und lief dann in noch halb besinnungslosem 
Zustande aus dem Zimmer und hinunter über die Stiege. 
An der Hausthüre angelangt, riß und rüttelte sie mit der 
Kraft einer Verzweifelnden an dem Thürschloffe. Umsonst. 
Die Hausthüre gieng nicht auf. „Barmherziger Gott — 
ich bin verloren!" rief sie und eilte wieder zurück hinauf ins 
Zimmer, wo sie die Fenster aufriß und laut um Hilfe aufs 
Dorf hinüberschrie. Schon brannte das nächstgelegene Haus, 
und der Wind trieb die glühende Lohe gerade herunter über 
den Anger. Luise war zum Aeußersten entschlossen und 
rüttelte an den Eisenstäben des Fenstergitters. Auch sie 
wichen nicht der durch die Angst verdoppelten Kraft des 
Mädchens. 
Doch was hätte ein Sprung durchs Fenster hinab auch 
genützt, selbst wenn er gelungen wäre? In dem Augenblicke 
nämlich, als Luise an dem Eisengitter zerrte, sprengten aus 
dem brennenden Dorfe Reiter heraus, und bald folgten auch 
Soldaten zu Fuß, welche alle in wilder Hast hin und her 
eilten.
	        
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