Volltext: Die Waise von Ybbsthal

121 
ihre Wolthäter zu bewegen, sie ziehen zu lassen. Da sie 
aber merkte, daß Gottlieb, trotzdem er wieder hergestellt 
war, keine Arbeit fand und schon wiederholt traurig nach 
Hause gekommen war, so beschloß sie, den guten Leuten auf 
keinen Fall länger beschwerlich zu sein; denn sie ahnte, daß 
dieselben ihretwegen gar manche harte Rede anhören mußten 
und bald noch mehr zu leiden haben würden. 
Der Abschied jedoch wurde schwer und kostete viele 
Thränen. An dem Tage, welchen Luise selbst dafür fest¬ 
gesetzt, hatte sie sich nach dem Mittagessen reisefertig gemacht. 
„Gott vergelte euch tausendmal, was ihr mir Gutes 
gethan habt," sagte sie unter heftigem Schluchzen, indem 
sie auf Gottlieb und Martha zugieng, und ihnen die Hände 
küßte. 
„So möge denn Gott sich deiner annehmen, armes 
Kind," sagte Gottlieb, „er kennt ja dein edles Herz, das 
du stets bewiesen, besonders aber in der Behandlung deiner 
Pflegemutter, die dir so wenig Gutes gethan hat. Aber 
dies sage ich dir noch zum Abschiede: Würde es uns möglich 
sein, dich noch länger, ja für immer bei uns zu behalten, 
wir würden es gerne thun. Nun es aber hartherzige 
Menschen nicht dulden wollen, da sie dich eben zu wenig 
kennen, so müssen wir dich ziehen lassen. Geh also in 
Gottes Namen, der Himmel möge dich geleiten und dich 
noch einmal glückliche Tage erleben lassen, wie du es ver¬ 
dient hast." 
„Aber wohin willst du gehen?" fragte Martha, indem 
sie Luise liebreich an sich zog. „Weit kannst du, ohne von 
Thür zu Thür um Almosen zu bitten, nicht kommen, denn 
wir können dir nichts mitgeben, und du selbst hast deinen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.