Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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gegen uns barmherzig ist Vonwegen des armen Waisenkindes, 
das wir aufgenommen haben." 
Gottlieb hatte vollkommen richtig geurtheilt. Sein 
Hänschen mit dem stillen Frieden machte eine auffallende 
Ausnahme von allen übrigen Häusern der Stadt inmitten 
des zügellosen Treibens der stegesstolzen Feinde. Die fran¬ 
zösischen Generäle, besonders der gefürchtete Richepanse, der 
auch im Stifte Seitenstetten übel gewirtschaftet hatte, ver¬ 
fuhren oft schonungslos mit den ihrer Habe schon völlig 
beraubten Einwohnern Waidhofens. So verboten sie z. B. 
sogar das Glockengeläute, und nicht einmal an Sonn- und 
Festtagen durfte mehr geläutet werden. Gab ein General 
irgend einen Befehl, so gebot ein anderer den Bürgern im 
nächsten Augenblicke das gerade Gegentheil. Der Stadt¬ 
pfarrer wurde in den Kerker geworfen, bloß deshalb, weil 
er seine Pferde einem General, der sie forderte, nicht geben 
konnte, da er sie schon notgezwungen einem andern abgetreten 
hatte. Besonders schlimm ergieng es während dieser Zeit 
den Handwerkern. Fast keiner derselben konnte ungestört 
seinen Geschäften nachgehen, da der Feind ihre Dienste für 
sich beanspruchte. Die Schneider und Schuster mußten Tag 
und Nacht für das französische Militär arbeiten, und die 
Stadt mußte die notwendigen Stoffe dazu liefern. Die 
Bauern in der Umgebung wurden durch nahezu unerschwing¬ 
liche Abgaben gedrückt. Im Monat Jänner mußten sie 
30.000 Zentner Hafer, 6000 Zentner Heu und 500 Schober 
Stroh liefern. Dem Stadtrate oblag die Sorge für möglichst 
reiche Besetzung der Offizierstafel mit den ausgesuchtesten 
Speisen. Manch armer Familienvater mußte mit Weib 
und Kindern darben, während die feindlichen Gäste im 
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