Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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„Da wir noch keine Einquartierung haben," fügte er 
hinzu, „so meine ich, wir sollten das arme Kind bei uns 
aufnehmen." 
„Nun, warum denn nicht?" entgegnete die Taglöhners¬ 
frau, welche bei Tische saß und schwarzes Brot in die Suppe 
brockte, die zum Abendmahl aufgetragen war. „Ich möchte 
nur vorerst wissen, wer das Mädchen ist," ergänzte sie, „und 
sonst noch das Eine und Andere erfahren, denn in dieser 
schreckensvollen Zeit muß man vorsichtig sein und die Leute 
gar wol kennen, die man unter Dach aufnimmt." 
„Das Kind ist eine Waise, so viel weiß ich schon," 
entgegnete der Mann. „Aber jetzt soll es erst mit uns einen 
Löffel Suppe essen, denn das wärmt aus, und dann mag 
es auf unsere Fragen antworten und Alles erzählen, was 
wir zu wissen brauchen." 
„Recht so, Gottlieb," sagte Martha und gieng auf 
das Mädchen zu. „Komm, setze dich zu uns," sprach sie; 
„doch erst lege dein Umhängtuch ab, es ist ja ganz an¬ 
gereimt, wie ich sehe. Warte, ich will es zum Ofen hängen, 
über Nacht wird es wieder trocken sein." 
„O wie seid Ihr so gut," sagte Luise, indem sie der 
Frau das Tuch hinreichte, — „Gott lohn' es Euch!" 
„Nun aber mußt du etwas essen, du wirst wol ohnehin 
hungrig sein, nicht wahr?" 
„Ach, ich muß es gestehen," erwiederte Luise schüchtern; 
„seit Vormittag habe ich keinen Bissen gegessen." 
„Nun, so habe ich doch richtig ein gutes Werk gethan, 
daß ich das arme Kind zu uns hereingelassen habe," meinte 
Gottlieb, indem er auf seine Gattin hinüberblickte. „Aber 
wiffe, mein Kind," fuhr er zu Luise gewendet fort, „wir
	        
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