Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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gewahrte Luise in etwas größerer Entfernung eine Reihe 
von Wagen, die sehr langsam fuhren, so daß sie einen auch 
nur mäßig dahinschreitenden Wanderer nicht einholen konnten. 
So blieb das Mädchen auf dem ganzen Wege unbehelligt. 
Die Müdigkeit freilich nahm von Viertelstunde zu Viertel¬ 
stunde zu, und schon glaubte Luise nicht mehr weiter zu 
können, als in der Abenddämmerung in dunklen, ver¬ 
schwommenen Umrissen die Thürme der Stadt Waidhofen 
vor ihren Blicken emportauchten. Neue Kraft schien jetzt 
die Glieder zu beleben, und die Hoffnung auf ein schützendes 
Obdach für die bereits hereinbrechende Nacht beschleunigte 
die Schritte. In weniger als einer halben Stunde gelangte 
Luise nun endlich an das so heiß ersehnte Ziel, und mit 
scheuem, furchtsamen Blicke schaute sie zu dem schwarzen 
Thurme empor, der feierlich ernst am äußersten Ende der 
Stadt noch heute als ein ehrwürdiger Zeuge einer längst 
verrauschten Vergangenheit wie sinnend und träumend dasteht, 
während die brausenden Wellen der Ubbs zu seinen Füßen 
ihr tolles Spiel treiben, um das sich der majestätische Riese 
aber so gar nicht zu kümmern scheint. 
Luise folgte der Straße, welche rechts am Thurme 
vorbei in die „untere" Stadt führt. Aus den Häusern 
schimmerte Licht, in allen Gassen und auf den freien Plätzen 
drängten sich die Leute. Die Trachten der einheimischen 
Bürger und die färbigen Uniformen der französischen Krieger 
mengten sich bunt durcheinander und gaben beim Fackelscheine 
ein malerisches Bild. Das Rufen und Schreien der Tau¬ 
sende aber, die in den Straßen der Stadt hin und her 
wogten, erweckte in dem Beschauer ein Gefühl der Angst 
und der Bangigkeit, denn ein so reges und lautes Treiben
	        
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