Volltext: Indien im Weltkriege [63]

lagen der indischen Mohammedaner halten sich mehr auf einer 
mittleren Linie. Die hohe Begabung für abstraktes Denken, die 
bei den Brachmanen und anderen hohen Äindukasten so häufig 
ist, daß englische Schüler von den Äinduknaben vielfach über¬ 
flügelt werden, findet sich unter den Mohammedanern zwar 
seltener, aber diese sinken auch selten zu dem Stumpfsinn der 
niedrigen Kasten herab, bewahren vielmehr auch in bescheidener 
sozialer Stellung ihren Stolz und wissen sich Achtung zu ver¬ 
schaffen. Ihr tatkräftiges, furchtloses Wesen macht sie für den 
Militärdienst und für manche Beamtenposten, z. B. in der Polizei, 
besonders geeignet. Was ihre ethische Qualität anlangt, so haben 
sie, soweit es sich nicht um besondere, in ihrer Religion be¬ 
gründete sittliche Anschauungen handelt, im allgemeinen die Be¬ 
griffe und Gewohnheiten Indiens angenommen. 
Für die Einschätzung der politischen Bedeutung der ind ischen 
Mohammedaner fällt noch ins Gewicht, daß sie außer durch ihren 
Glauben auch durch eine gemeinsame Sprache zusammengehalten 
werden. Fast jeder indische Moslem versteht nämlich neben der 
Sprache seiner Amgebung — es gibt an die 150 Sprachen in 
Indien — auch die Ardu- oder Äindustanisprache, jene aus ari¬ 
schen (sanskritischen) und arabisch-persischen Elementen gemischte 
Soldatensprache der turktatarischen Eroberer (Ardu-Äorde), die 
übrigens in Nordindien auch außerhalb der mohammedanischen 
Kreise in Lande! und Verkehr viel gebraucht wird. Das Lin- 
dustani wird gewöhnlich mit arabischen Buchstaben geschrieben, 
ist aber im übrigen sehr leicht zu erlernen?) 
Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die Einheit des Glaubens 
und der Sprache für die Bekenner des Islams in Indien ein 
starkes Bindemittel sein muß, und tatsächlich sind auch die Mo- 
0 Mit ein wenig Lindustani (neben dem Englischen) kommt man in 
ganz Nordindien durch, wenngleich das Volk in Kalkutta naturgemäß meist 
Bengali, in Lahors Pandschabi, in Bombay Mahratti spricht. In Bom¬ 
bay ist Geschäftssprache das von den Parsen adoptierte Gudscherati. In 
Südindien, wo weniger Mohammedaner leben, nützt das Lindustani wenig; 
in Madras und den großen Tempelstädten des Südens herrscht das Tamil, 
das auch von den meisten indischen Kuli in Ceylon, Malakka und den Inseln 
des Indischen Ozeans gesprochen wird. Das Englische wird von den Be¬ 
amten, den größeren Kaufleuten und den europäisch Gebildeten des ganzen 
Landes gesprochen. Auch die Verhandlungen des Indischen National- 
kongresses geschehen in englischer Sprache. 
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