Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Vom Kreuzerkrieg der Unterseeboote 
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sicht über den Krieg zur See, die der erste Lord der britischen Admiralität, Balsour, 
anläßlich der zweiten Wiederkehr des Tages der Kriegserklärung gab. Er sagte: 
„Das Glück, das unsere Feinde so lange begünstigte, war in der Seeschlacht von Jütland (vgl. XV, 
S. 272 f.) vollständig auf unserer Seite. Jede Woche, nachdem die schwer heimgesuchte deutsche Flotte in 
ihre Häfen zurückgekehrt war, hat auch im einen oder andern Gebiet des Kampfes den Alliierten neue 
Erfolge gebracht. ES wäre jedoch unrichtig, zu glauben, daß der Sieg den Zustand verändert habe. 
ES hat dies allein bestätigt, sowohl vor alS nach der Schlacht war die deutsche Flotte eingeschlossen. 
Die Schlacht von Jütland war nur ein Versuch, dieser Einschließung ein Ende zu machen. Der Ver 
such mißlang, und damit sank die deutsche Flotte in Ohnmacht. 
Der Zweck einer Seeschlacht ist, die Herrschaft zur See zu gewinnen oder zu behalten. Ohne 
Zweifel hat Deutschland sie nicht erhalten und wir haben sie nicht verloren. Wenn Deutschland 
überzeugt wäre, daß eS uns zur See gleichwertig werden könne, warum macht es dann so viel 
Reklame mit dem Bau und der Fahrt eines Tauchbootes der Kauffahrteiflotte, das 200 t deutscher 
Produkte von Bremen nach Baltimore brachte, um nicht von einem eigenhändigen Briefe des Kaisers 
zusprechen! Die ganze Unternehmung hatte keine maritimen Schwierigkeiten, und die kommerziellen 
Ergebnisse waren natürlich äußerst klein, aber daS Hauptgewicht lag für die Deutschen darin, daß 
dieses II-Boot unter dem Verschluß durchgehen konnte, den die deutsche Flotte nicht brechen oder 
schwächen konnte. Die Seemacht läßt sich jedoch nicht allein geltend machen, indem man dem Feinde 
die Weltstraße zu Waffer abschneidet, sondern indem man sie auch zu seinen militärischen Zwecken 
gebraucht. In den letzten zwei Jahren ist ein ununterbrochener, stets anwachsender Strom von 
Soldaten und Munition über den Kanal gegangen, und niemals ist der Transport sicherer und 
von Angriffen deutscher Schlachtschiffe oder Kreuzer weniger bedroht gewesen als nach dem soge 
nannten deutschen Sieg vom 31. Mai 1916. 
Der Wert, den die Deutschen ihrer Flotte zuschreiben, wird durch die II-Boot-Politik bestimmt. Der 
Vorteil der 17-Boote als Handelsschiffe besteht darin, daß sie nicht kontrolliert werden können; ein 
Nachteil aber ist es, daß sie nicht im großen Maßstab verwandt werden können, ohne daß man mit 
den Kriegsgesetzen oder mit denen der Menschlichkeit in Widerspruch kommt. Man muß also doppett 
vorsichtig sein. Die Deutschen wußten, daß ihre glorreiche Flotte von keinem Nutzen war; sie könnten 
ruhig innerhalb ihrer Häfen bleiben, während draußen der II-Bootkrieg regelmäßig fortgesetzt wurde. 
Sie sagten, daß unsere Handelsschiffe, welche von Kriegsschiffen nicht begleitet und nicht imstande 
waren, sich selbst zu verteidigen, durch diese neuen Handels-II-Boote auf kommerziellem Gebiet ge 
schlagen werden würden. Sie haben unrecht. Zweifellos ist eS ihre kaum verhaltene Wut über die 
Tüchtigkeit der englischen Kapitäne, welche mit ihren Seeleuten Gut und Blut verteidigen, die die 
deutsche Admiralität allein zu ihrer letzten Miffetat, die Ermordung des Kapitäns Fryatt (vgl. 
S. 189) veranlaßt hat. 
Was müffen die Neutralen von alledem denken? Die deutschen Agenten versicherten stets, daß 
die Zentralmächte für die Freiheit des MeereS kämpfen. Dies ist eine Pflicht, die verschieden 
ausgelegt werden kann, und wir haben jetzt reichlich Gelegenheit, zu sehen, was sich die Deutschen 
darunter denken. Sie wollen, daß die deutsche Marine sich zur See ebenso aufführt, wie daS deutsche 
Heer zu Lande; daß weder Bürger noch Neutrale sich gegenüber den kämpfenden Deutschen auf 
irgendwelches Recht berufen können; daß diejenigen, welche keinen Widerstand bieten, ertränkt, die 
jenigen, die Widerstand bieten, erschaffen werden. Bereits 244 neutrale Schiffe sind ohne Rücksicht 
auf Recht und Menschlichkeit in den Grund gebohrt worden; ihre Zahl nimmt mit jedem Tage zu. 
Man konnte sich im Verlauf dieser 2 Jahre eine Meinung bilden über die deutsche Kultur, und an 
Stoff und Material, um sich über die deutsche Freiheit ein Urteil zu bilden, fehlt eS ebenfalls nicht." 
Diesen großsprecherischen Ausführungen gegenüber, gewinnen die ruhigen Erwägungen 
und genauen Berechnungen, die A. A., Wien, in der „Frankfurter Zeitung" (6. XII. 16) 
veröffentlicht hat, an Eindringlichkeit. Er gibt zunächst ein Bild von der Größe der 
englischen Handelsflotte und schreibt sodann: 
§Die Welttonnage betrug Ende Juni 1914 45403875 t in 24444 Fahrzeugen. 
Von diesen gehörten England und den Kolonien, die wir der Einfachheit halber 
Englisches Imperium nennen wollen, 20523 706 t in 10123 Fahrzeugen, das somit 
zirka 44 Prozent allen Schiffsraumes besaß. Deutschland verfügte über 5134 720 t in
	        
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