Volltext: Linzer Hessen

in der Sefangenschaft. Lin Beispiel will ich nur anfülzren, um 
;u zeigen, wie wolzltuend sich die Belastung der Seistlichen aus¬ 
wirkte: Lines lages wurde ein Offizier, der schon monatelang 
wegen Spionageverdacht in Untersuchung stand, vom russischen 
Kriegsgericht zum lode verurteilt. Unmittelbar nach Verlaut¬ 
barung dieses Urteiles wieder in die Zelle abgefülzrt, kam — 
wie von Sott gesendet — ein Priester in dieselbe Zelle gleich- 
salls als flrrestant. wieviel Irost konnte dieser wann 
spenden und wieviel Seelenqual lindern! Seinem Einfluß war 
es auch zu danken, daß die Untersuchung gegen den Todes- 
kandidaten neuerdings aufgenommen wurde und er mit einer 
Lreilzeitsstrafe davonkam. Die Sonn- und Zeiertage durch 
die Sottesdienste feierlicher gestaltet, bildeten Lichtpunkte in 
unserem traurigen vasein. 
Lürsorge durch Delegationen und Vertretungen 
Vie nur angedeuteten wißstände in der Velzandlung und 
Lebensfülzrung der Kriegsgefangenen lassen schon zur Senüge 
erkennen, welch reiches Leid der lätigkcit — zur Linderung 
von Liend, Schmer; und Not — der Velegierten des Noten 
Kreuzes und sonstiger Vertretungen lzarrte. Uns allen erschien 
es wie eine bevorsteliende Lrlösung von Qual und Pein, als 
wir anfangs ISIS die Nachricht erlzielten, daß von unserer 
lzeimat eine velegierte des österreichisch-ungarischen Noten 
Kreuzes, Sräfin flnna Nevertera, die Kriegsgefangenenlager 
besuchen werde, wieviel Hoffnungen, Zuversicht und Lreude 
knüpften wir an diesen Besuch! Viele wonate schon vor dem 
kintreffen wurde täglich von der Vame gesprochen und 
wurden Bitten und flnträge der Sesamtlzeit und des einzelnen 
zur weiteren Verwertung ausgearbeitet! 
Und was wir sie alles fragen wollten und welche Mission 
chr für die lzeimat und die Lamilie mitgegeben werden sollte! 
endlich, am 23. wär; 1916, traf Sräfin Bevertera in Be¬ 
gleitung des lzofjägermeisters 0. vind, als velegierter des 
dänischen Boten Kreuzes in Petrograd, bei uns im Lager ein. 
Vas wiederanknüpfen der Beziehungen, die die verlassenen 
mit der Heimat verbinden, ist wolzl einer der wichtigsten 
Punkte der Mission gewesen. 
Vor allem bewunderten wir dankerfüllten lZerzens die 
Vame, daß sie trotz aller Strapazen, befahlen, Widerwärtig¬ 
keiten und wühseligkeiten tausendfachster flrt diese schwere 
und heikle flusgabe übernommen hatte. Bald salzen wir auch, 
daß die Heimat in der Lntsendung gerade dieser vame eine 
glückliche walz! getroffen, denn sie verfügte über alle Ligen- 
schasten, die zu diesem schwierigen flmte nötig waren. 
Sprachengewandtheit, Tatkraft, bolze Intelligenz, diplo¬ 
matischen Scharfsinn, Herzensgüte und Opfermut bis zum 
Heroismus. 
Baß die große wolzltäterin als ein Kind Oberösterreichs in 
erster Linie ilzrer engeren Landsleute gedachte, ist wolzl be¬ 
greiflich. wie erfreut auch sie war, ilzre Landsleute zu 
setzen, erlzellt am besten aus einer Stelle ilzres Berichtes 
aus dem Lager Bowo-Bikolajewsk, 2. bis 8. Jänner 1916, 
die ich lzier wörtlich wiedergebe: ..Hier lzabe ich die besten 
unserer Truppen gefunden, liessen und Bainer, veutschmeister 
und Kaiserjäger, Husaren und vragoner und viele andere, 
deren Bamen jedem Österreicher so tief ins Her; gewachsen 
sind." welch reiche Tätigkeit diese Kommission entfaltete, 
geizt am besten aus der flnzahl der besuchten Kriegsgefan¬ 
genenlager lzervor. In der Zeit vom 6. vezember 1915 bis 
26. Mai 1916 wurden ZI Lager mit 621? österreichisch-unga¬ 
rischen Offizieren und 1S6.2ZZ Mannschaften, sowie etwa 980 
Offizieren und zirka 34.990 Mannschaften anderer Natio¬ 
nalitäten besucht. Ls wurde also mit einer Viertelmillion 
Menschen die Verbindung aufgenommen. Im Oktober 1916 
kamen auch Sräfin kinskg und zu wiederlzolten Malen Ver¬ 
treter des amerikanischen, schwedischen und dänischen Boten 
Kreuzes zur Inspizierung in das Lager. Lrau o. Hanneken 
in Tientsin feine reichsdeutsche Bamej war wolzl auch eine 
unserer größten wolzltäterinnen wälzrend des ganzen Krieges. 
Ilznen allen sei an dieser Stelle mit aufrichtigstem Banke 
gedacht. 
Nürkreise— Heimkehr 
Infolge der melzrjälzrigen eintönigen und unbekömmlichen 
kost zog ich mir ein chronisches Magen- und Varmleiden zu, 
das mich körperlich derart herunterbrachte, daß ich endlich im 
Sommer 191? nach wiederlzoiter Vorstellung bei flustausch- 
kommissionen als Halbinoalide zur Hospitalisierung in ein 
neutrales Land geschickt werden sollte. Lrst ein halbes Zalzr 
darauf, am 23. November 191?, wurde ich mit noch 49 
anderen Offizieren und 299 Mannschastspersonen nach drei- 
jälzriger Verbannung von krasnaja-Bjetschka abtransportiert, 
wenn auch die Heise im flrrestantenwagen bei vergitterten 
Loupefenstern und -türen vonstatten ging, dankte ich doch 
Sott, endlich wieder nach Luropa zu gelangen. 
flber schon nach eintägiger Lalzrt lzatten wir eine ein¬ 
monatige Beiseunterbrechung in Bikolsk-Ussurisk. flm 
Steplzanitag (26. vezember 1917) ging es schließlich weiter 
und nach 26tägiger Beise, unter den schwierigsten verhält- 
nissen und in vielzwaggons, erreichte der Transport Tozk bei 
Samara. glücklicherweise kam an demselben Tage, als wir 
dort eintrafen, der Befehl zur Bäumung dieses Lagers und so 
wurden wir nach Petersburg — noch weitere zelzn Beisetage — 
abgeschoben, lzier ließ man uns dreimal 24 Stunden auf dem 
Geleise stelzen und wollte uns wieder nach Ostasien zurück¬ 
schicken. 
vem Vertreter des dänischen Boten Kreuzes und der 
Baronin Huszar gelang es endlich, uns doch wenigstens aus- 
zuwaggonieren und in einer Kosakenkaserne unterzubringen. 
In Petersburg kamen wir gerade in der Zeit der täglichen 
Straßenkämpfe und der flnarchie an und wurden im Spital, 
in das wir nach einigen Tagen überfülzrt wurden, fast ganz 
ausgeraubt. Ls war wieder ein glücklicher Zufall, daß man 
es sperrte. Lin selzr lzumaner russischer flrzt erklärte uns alle 
für ganz invalid und zum flustausch in die Heimat geeignet. 
Vas war ein Jubel! vurch die vielen jahrelangen Lnt- 
täuschungen konnte man das Slück gar nicht fasten, flber 
endlich sind wir tatsächlich auch von Petersburg durch die 
deutsche Lront nach Wilna mit einem Sanitätszug gebracht 
worden, wo wir am 1?. Lebruar 1919 eintrafen. 
Vie erste Station bei den Unsrigen! Vas Slücksgefülzl, 
endlich aus russischer Sefangenschast erlöst zu sein, läßt sich 
nicht schildern, das muß man selbst erlebt lzaben. Boch zirka 
14 Tage Kontumaz in Wilna und vzieditz bei Bielitz-Viala (die 
erste österreichische Sanitätsanstalt), wurde das letzte Stück 
der Beise angetreten, flm 11. wär; 1918, 6 Ulzr frülz, war 
ich in der lieben, teuren Heimat, in meinem Sarnisonsorte tin; 
mit meiner Lrau, die gleichfalls dreieinlzalb Jalzre tapfer durch- 
gelzalten, mit verwandten, Lreunden und Kameraden wieder 
vereint. 
Bald war das Böse und Schreckliche vergessen und ver¬ 
blaßt und nach einem kleinen krlzolungsurlaub und kurzer 
Vienstleistung als krsatzbaonskommandant beim Infanterie¬ 
regiment Br. 14 zog ich wieder an die Lront. 
wenn ich auch nicht des Slückes teillzastig wurde, bei 
meinen lieben „vierzelznern" eingeteilt zu werden, so lzatte ich 
doch die Senugtuung und das berulzigende Sefülzl, nicht zu 
spät gekommen zu sein, um noch einmal für das Vaterland 
Kämpfen zu können?) 
>) fluch Major v. Kirchner, der zuletzt in Salzburg als Oberst 
in Pension lebte, ist bereits zur „Sroßen flrmee" eingerückt. 
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