Volltext: Linzer Hessen

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T\k Hessen lialten und verbluten 
flus dem lagebuche des Oberleutnants i. d. Bes. Br. fllois Bruneder 
flm 10. Juni 191? holten die Italiener die österreichische 
Steilung auf Kote 2071 vor der Lima Uteri genommen. Die 
von uns versuchte Wiedereroberung war infolge Munitions¬ 
mangels mißlungen. Ute Italiener ergriffen erneut, wenn 
auch erfolglos an, wobei unser standhaftes 2. Bataillon 
schwere Einbußen erlitt, flm 15. Juni war auch das dritte 
Bataillon eingesetzt worden und am 15. kam die Beche an 
uns sdas 1. Baonj, das 4. abzulösen. 
In der Nacht marschierten wir Hinaus. Es war ein scheu߬ 
licher weg, eigentlich gar kein weg und der wollte kein Ende 
nehmen. Minutenlang stand die Kolonne, dann mußten wir 
wieder lausen. Obendrein begegneten uns auf dem schmalen 
Pfade jeden flugenblick Trägerpartien, die einrückten. End¬ 
lich kamen wir beim Standplatz der beiden Bataillonskom¬ 
mandanten an. Übergabe und Übernahme dauerte bis gegen 
früh. Bruppenkommandant war Oberstleutnant Baszel, der 
Kommandant des rechts von uns liegenden dritten Bataillons, 
den ich in den kommenden schweren Stunden als einen Mann 
von ruhiger Entschlossenheit kennen lernte, flm Morgen des 
1?. begann ein emsiges flufräumen im Umkreis des Batail¬ 
lonskommandos. Bas Ordnungmachen sollte jedoch durch das 
am 18. um 1/28 Ulzr früh beginnende furchtbare flrtillerie- 
und Minenfeuer gestört werden, fllles nahm in der Kaverne 
Zuflucht. 
wenige Schritte vom Eingang fielen die schwersten Be¬ 
schösse ein. Ich habe selbst den Beschoßboden eines flchtund- 
zwanzigers gemessen. Bas Telephon wurde umsonst in die 
Kaverne verlegt. Sämtliche Eeitungen waren bald abgeschossen. 
Mit einer vielleicht nur einhalbstündigen Unterbrechung trom¬ 
melte der Italiener ohne Unterlaß Z5 Stunden auf die Stellung 
und kilometertief in das Bückengelände, flm Nachmittag des 
18. gingen zwei Unteroffiziere freiwillig, trotz des starken 
Sperrfeuers in die pioniermulde hinüber, um von dort zu 
beobachten. Schließlich entsandte mich der Bataillonskomman¬ 
dant Blajor Theodor Malina ebenfalls hinüber. Ich traf Leut- 
nant pum drüben, der infolge des starken Sperrfeuers nicht 
zu seinen Minenwerfern gelangen konnte, fluch mir war es 
anfangs unmöglich, infolge der heftigen Kanonade auf den 
Beobachtungsstand zu gelangen. Endlich mußte es aber sein. 
Ich stieg hinauf und bemerkte, wie auch der linke Llügel 
unserer Stellung unter schwerem Minenfeuer stand. Ute armen 
Teufe! in der Schwarmlinie mußten Schreckliches erdulden. Ute 
armseligen Beste einer Mauer waren längst eingeebnet, so 
lagen sie schutzlos olzne Kaverne, jede Sekunde gewärtig, 
zerrissen zu werden, wie es vielen auch geschalz. Ich kelzrte 
zurück und meldete was ich geselzen. Bom dritten Bataillon 
langte die Nachricht ein, daß es schon die kälste der Leute 
verloren habe, dabei wußte man nicht, wann der italienische 
flngriff zu erwarten sei. Baß ein solcher erfolgen werde, 
wurde immer deutlicher. Ute Lage war bedenklich. Ba fragte 
mich der Oberstleutnant Baszel, ob ich zum Begimentskom- 
mando zurückgelzen wolle, um dem Begimentskommandanten 
den Stand der Binge zu schildern und um Unterstützung zu 
bitten. 
Ich sagte selbstverständlich ja und machte mich, mit einem 
schriftlichen Bericht in Begleitung einer Begimentsordonnan; 
fertig. Ber Oberstleutnant sagte, er hasse unbedingt auf eine 
fintwort und ich versprach ilzm wieder zu kommen. Bieser 
Bang zum Begiment durch das fürchterliche Sperrfeuer und 
noch melzr der weg zum Bataillon zurück wird stets zu meinen 
grausigsten Kriegserinnerungen gelzären. Ber Oberst lzörte 
meine kurze Meldung an, empfing den Bericht des Oberst¬ 
leutnants und begab sich sofort ans Telephon, um von der 
Brigade eine Beseroe anzusprechen. Trotz seiner Borstellungen 
wurde dazu die eigene 1Z. Kompagnie bestimmt, die eben erst 
aus dem Bebtet gezogen worden war. Ich erhielt vom Obersten 
eine Menge Zigaretten, von Oberleutnant Schattenfrolz Zei¬ 
tungen und trat mit einer an Oberstleutnant Baszel gerichteten 
Weisung den Bückweg an, nachdem mir der Oberst ausge¬ 
tragen hatte, zu meiden, daß wir unbedingt auslzarren 
müssen, denn von uns hänge der Bestand der ganzen Zront 
ab. Bachtragen möchte ich noch die dem Begimentskom- 
mando wörtlich überbrachte, in einen Satz zusammengepreßte 
Schilderung der Lage durch meinen Bruppenkommandanten: 
„Kessen hält und verblutet. " 
fluf dem Bückweg, in Begleitung eines Zugsfülzrers vom 
Begimentskommando, waren wir gezwungen, längere Zeit 
hinter einem Leisen und dann in einer kilfspiatzkaverne zu 
warten. Bort hatte sich Kur; vorlzer ein schreckliches Unglück 
ereignet: Ein 18-Zentimeter-Beschoß, das knapp vor dem Ka¬ 
verneneingang krepierte, hatte den am Eingang befindlichen 
Leutnant Barzarolli, der krank auf den küfsplatz gekommen 
war, sowie Oberarzt Br. Babor tödlich und den Sanitäts- 
fälznrich Mattaulech schwer verwundet. Barzarolli und Babor 
sind bald nachlzer gestorben. Ich habe mit ihnen gesprochen 
und sie zu trösten versucht, ohne zu ahnen, daß ihr Leben 
so bald zu Ende sein werde. 
fltemlos und verschmutzt kam ich um Z Uhr morgens beim 
Oberstleutnant an und meldete die Burchführung des er¬ 
haltenen fluftrages. Oberstleutnant Baszel las den Befehl des 
Obersten vor. Er enthielt dasselbe, was mir mündlich aufge¬ 
tragen worden war. 
flm nächsten Bormittag kam der Kaiserjäger-Leutnant 
Solomon verwundet beim Kommando an. Er sagte, die Ita¬ 
liener hätten seine Kompagnie bis auf vier oder fünf Mann 
zusammengeschossen. Er sei als der Letzte von der Stellung 
weg und diese verloren. Ich erhielt vom Major Malina den 
fluftrag, dem Leutnant Bu Bieur in der pioniermulde den 
Befehl zu überbringen, daß er mit seinem dort in Beserve 
liegenden Sturmzug zur 11. Kompagnie zu gehen und sich 
dem Oberleutnant Br. Straßmagr zu unterstellen habe. Er¬ 
forderlichenfalls hätte ich den Sturmzug selbst zu übernehmen. 
Ich überbrachte Bu Bieur den Befehl, der sofort ab¬ 
marschierte. Ba kamen Leute und meldeten, die Italiener 
hätten die 11. und die 4. Kompagnie abgefangen. Ich stieg 
sofort auf einen Beobachtungsposten und sah, daß unser 
linker Llügel, also unsere erste und zweite Kompagnie noch 
unversehrt sei, dagegen konnte ich von der 4. nichts mehr 
bemerken, wie sich nachträglich herausstellte, war noch eine 
Besaßung dort, wenn auch nur etliche 20 Mann, die mir eine 
Bergrippe verdeckte. 
Bechts von unserem Bataillon wogte der Kampf hin und 
her. Ich zeichnete schnell eine Skizze über die Lage und sandte 
sie zum Bataillon. Ich wollte schon eine neue Skizze beginnen, 
da härte ich, daß Major Malina selbst gekommen sei. Er ent¬ 
sandte eine aus dem Pionierzug, Leuten der Z. Kompagnie 
und Breiundzwanzigerjägern zusammengesetzte Bruppe unter 
dem Kommando des Jägeroberleutnants Bott in den Baum 
der geschwächten 4. Kompagnie. 
Ber Major kam selbst auf den Beobachtungsposten hinauf. 
Ba lagen wir lange und freuten uns, wie sich rechts oben 
Italiener rudelweise ergaben, wahrscheinlich dem Leutnant 
Bangl, der dort mit einer kandvo» kessen den dichtdesehten 
italienischen Braben stürmte, wir krochen dann wieder herab 
und konnten, geschützt vom Lelsenrand der Pioniermulde das 
gewaltige italienische Sperrfeuer in unserem Bückengelände 
niederprasseln sehen. Ber italienische flngriff am IS. Juni 
hatte nur vorübergehenden Erfolg. 
Burch den Begenangriff der kaiserschützen am 25. Juni 
wurde alles wieder wettgemacht und die Kote 2071 von 
Kessen (Oberleutnant kern) wieder zurückgewonnen. Ich hatte 
am IS. abends noch das Bergnügen, gefangene und ver- 
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