Volltext: Frankreichs finanzielle Oligarchie [66]

sagte, besonders infolge des „jungen" Frankreich, von dem wir 
später noch ausführlicher zu reden haben werden, warf man andere 
„vitale" Fragen auf, so den Regionalismus, die Dezentralisation, 
soziale Fragen aller Art, den Proporz, die Wahrung der von uns 
bedrohten „dignité“ und was dergleichen Mittel zum Zweck mehr 
waren. „Je öfter all dies wechselt," meinte einst Anatole France, 
„um so mehr bleibt es das gleiche." 
Interessanter für uns als diese gespensterhafte Komödie, die 
man da und dort gern als „reges" politisches Leben pries, ist die 
Laltung der finanziellen Oligarchie in auslandpoliti¬ 
scher Linsicht. Lier soll zum voraus gesagt werden, daß Frank¬ 
reichs herrschende Oligarchie friedliebend war. Das Bündnis mit 
Rußland hatte man teils deshalb geschloffen, um dem Vorwurf, 
daß Frankreich einsam sei, zu begegnen, teils wegen der vielen bei 
den russischen Staatsanleihen zu verdienenden Millionen, und die 
Entente cordiale, aus die Caiüaux noch im Jahre 1911 pßff (er 
soll Francis Bertie, der uns gegenüber ein aggressives Frankreich 
haben wollte, gesagt haben: Je me fiche de l’entente cordiale!), 
war anfangs nur eine Art von Versicherung und zugleich sehr 
geeignet, um die so rentablen Koloniegeschäfte zu erleichtern. Wenn 
die finanzielle Oligarchie nicht gefürchtet hätte, von ihren Gegnern 
des Vaterlandsverrates und der Vaterlandslosigkeit geziehen zu 
werden, so hätte sie sich offen zum positiven, auf dem Frankfurter 
Vertrage beruhenden Frieden bekannt. Als einer der sehr vielen 
Belege dafür, wie gut man sich in diesen Kreisen mit uns vertrug, 
sei der sehr innigen Zusammenarbeit der französischen mit der 
deutschen Montanindustrie gedacht, oder aber auch der Tatsache, 
daß man im nahen Orient manchmal Land in Land mit uns ging, 
sehr zum Ärger Englands. Marschall von Bieberstein könnte hier¬ 
über wohl manches erzählen. Es ist ja rein psychologisch schon un¬ 
denkbar, daß eine Schar kluger und an dem wirtschaftlichen Wohl¬ 
ergehen ihres Landes aufs höchste interessierter Männer sich vor 
den Karren fremder Interessen spannen läßt! Lind schließlich hätte 
eine gegen uns systematisch betriebene Auslandspolitik notwendiger¬ 
weise eine Stärkung des Leeres zur Folge gehabt, was gewiß nicht 
in der Absicht der Oligarchie lag. Denn man fürchtete die „rote 
Lose" als einen unberechenbaren Faktor, welcher Befürchtung der 
Kampf der Oligarchie gegen die privilegierte Stellung des Offiziers 
zuzuschreiben ist, den man zu einem mäßig bezahlten Beamten 
12
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.