Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

358 
Die internationale Situation. 
□□ 
und begannen mit den Gewehrkolben auf ihn 
einzuschlagen. 
Pater Angelus stürmte mit mehreren Rippen- 
und Knochenbrüchen )u Boden, die orthodoxen 
Geistlichen geboten den Soldaten Einhalt und 
fragten den Schwerverletzten, ob er nunmehr 
übertreten wolle. 
Und abermals schüttelte er das Haupt und 
sagte ruhig: „7km, ich verlasse meinen Glauben 
nicht und breche nicht mein Gelübde." 
Pater Angelus erlitt nun wieder zahllose 
Kolbenschläge, bis schließlich ein Soldat ihm 
mit einem Bajonettstich die Lunge durchbohrte 
und so dem Leben des Unglücklichen ein Ende 
bereitete. 
Wie wir erfahren, soll von Rom aus dem 
Andenken des Fran)iskanerpaters, der als 
Märtyrer für seinen Glauben gestorben ist, eine 
große Ehrung widerfahren. 
Die )wangsweise )ur orthodoxen Kirche über 
getretenen Katholiken werden natürlich nach 
Eintritt geordneter Verhältnisse von der katho 
lischen Kirche die Absolution von der auf dem 
Übertritt ruhenden Exkommunikation erhalten 
und wieder römisch-katholisch sein. 
Soweit der Bericht. Es ist nachträglich von 
montenegrinischer Seite in Abrede gestellt 
worden, daß die Soldaten den Pater marterten, 
und man hat behauptet, er sei erschossen worden. 
TNan hat auch eine Leiche gezeigt, die nur eine 
Schußverletzung aufwies, aber es ist nie authen 
tisch festgestellt worden, ob diese Leiche auch mit 
der des Paters palic identisch war. 
Run muß man sich vergegenwärtigen, daß 
Österreich-Ungarn das Protektorat über die 
Katholiken in der Türkei, vor allem in Albanien 
ausübte, um )u ermessen, wie solche Vorfälle 
in Men wirken mußten. Serbien und Monte 
negro schienen es ja direkt darauf angelegt )u 
haben, die österreichisch-ungarische Monarchie 
)um Eingreifen )u xwingen. Es ist erklärlich, 
wenn die Sprache Österreich-Ungarns in London 
immer energischer wurde, denn bei aller Friedens 
liebe konnte sich die Monarchie doch nicht )um 
Gespött der Rachbarn im Südosten machen 
lassen. 
Vorstellungen in Cetinje und Belgrad. 
Am 20. Mär) 1913 hatte der österreichisch 
ungarische Geschäftsträger in Eetinje folgende 
Fordrungen gestellt: 
An der Angelegenheit des Dampfers 
„Skodra" wurde die Bestrafung der Schuldigen 
verlangt. 
Ferner wurde verlangt, daß der Zivil 
bevölkerung in Skutari freier Ab)ug gewährt 
werde. 
In bexug auf die Affäre palic verlangte 
Österreich-Ungarn eine Untersuchung, an der 
ein österreichisch-ungarischer Konsularfunktionär 
teilnehmen sollte. 
Am 21. Mär) gab König Mkolaus die 
Antwort. Die Skodraaffäre solle untersucht 
werden. Auf die Forderung des freien Abzuges 
für die Zivilbevölkerung von Skutari erklärte 
der König Rikolaus, er müsse diese Forderung 
ablehnen. Er bedauere, daß die Stadt be 
schädigt wurde, und werde den Befehl erteilen, 
das Feuer künftig nur auf die Befestigungen )u 
richten. 
Die Untersuchung der Affäre palic lehnte 
König Mkolaus gleichfalls ab, da er in Djakova 
Souveränitätsrechte beanspruche. 
Man erwartete weitere Schritte der öster 
reichisch-ungarischen Regierung, die sich mit der 
italienischen ins Einvernehmen gesetzt hatte. 
Am 21. Mär) wurde bekannt, daß die 
Botschafterreunion den Beschluß gefaßt habe, 
den Mächten eine Kollektivdemarche in Cetinje 
)u empfehlen, in welcher der montenegrinischen 
Regierung neuerlich )ur Kenntnis gebracht 
werden sollte, daß das Schicksal Skutaris nicht 
durch die Waffen entschieden werden könne. 
Am 24. Mär) teilte das „Reutersche 
Bureau" mit, die Mächte hätten sich über die 
Rord- und Rordostgren)e Albaniens von Dja 
kova bis )um Ochridasee geeinigt. 
Unter jenen Örtlichkeiten, hieß es in der Mit 
teilung, deren künftige Zugehörigkeit bestimmt 
wurde, befinden sich Skutari und Djakova. 
Eine diesbe)ügliche offyielle Erklärung steht un 
mittelbar bevor und wird vielleicht noch 
morgen erfolgen. Die Verbündeten werden )u 
diesem Behufe eine gemeinschaftliche Mitteilung 
der Mächte erhalten. 
Zwei der schwierigsten Punkte der Balkan 
angelegenheiten werden somit eine Regelung 
finden und, da die Verbündeten in einer jeden 
Zweifel ausschließenden Mise werden ver 
ständigt werden, daß Europa diese Frage ge 
regelt hat, wird es nicht mehr notwendig sein, 
militärische Operationen vor)unehmen, deren 
Ausgang in keiner Weise die Entscheidung der 
Mächte ändern würde. 
Die Botschafter werden sich sodann mit der 
Feststellung der südlichen Gren)en Albaniens 
befassen, be)üglich deren Österreich-Ungarn und 
Italien besondere Anschauungen haben. Dies- 
be)üglich sind jedoch, wenn auch die Verhand 
lung hierüber langwierig werden könnte, keine 
Schwierigkeiten )u befürchten. 
In einer Unterhaussitzung vom 25. Mär) 
hob Sir Edward Grey hervor, daß infolge der 
Entscheidung der Mächte die Feindseligkeiten 
gegen Skutari aufhören müssen. Sollte die 
Entscheidung der Mächte nicht geachtet werden, 
so werden diejenigen, welche die Entscheidung
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.