Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Einnahme von Janina. 
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Flügel hatte die Westfront überraschend anzu 
greifen und zu nehmen. Die Artillerie sollte das 
Feuer aufs höchste steigern. Alle diese Befehle 
wurden buchstäblich ausgeführt. Von 7 Uhr 
morgens an nahm der linke Flügel die Infan 
teriestellungen und die Batterie von 4 Geschützen 
auf dem Tsukaberg. Etwas später eroberte ein 
anderer Teil dieser Kolonne nach erbittertem 
Kampfe die Stellungen und Batterien von 
St. Vikolaus und ein dritter Teil das Fort 
Durutti. Zugleich warf der rechte Flügel dieser 
Kolonnen den Feind von den Höhen von Mano- 
liassa. Gegen 3 Uhr nachmittags zogen sich dichte 
türkische Kolonnen von allen Höhen der linken 
Front auf die Ebene von Janina zurück, denen 
unsere Truppen auf den Hacken folgten. Lin 
Versuch des Feindes, sich bei Vapsista zu sam 
meln, wurde durch das Feuer unserer Gebirgs 
artillerie verhindert, die ihn unter großen Ver 
lusten zwang, sich in Unordnung auf Janina zu 
flüchten. So war die ganze Front des Feindes 
von Sadowista bis St. Vikolaus mit 20 Ge 
schützen in unserer Hand. Zwischen 3 und 5 Uhr 
abends waren die Abteilungen unserer 3 Ko 
lonnen in die Ebene hinabgestiegen und ver 
folgten den Gegner, während andere von Vörden 
gegen die Verschanzungen von Sadowista vor 
gingen. Spät abends sehten die Evzonivorpoften 
auf 500 Meter vor Janina aus, schnitten die 
telephonische Verbindung zwischen der Stadt 
und Bisani ab und ebenso jeden Verkehr zwi 
schen den beiden Stellungen. Vehib Bey, der 
Kommandant von Bisani, konnte sich nach seiner 
eigenen Aussage nur auf einer Barke über den 
See nach Janina retten. 
Meine Befehle für den 6. März ordneten 
an, daß der Angriff gegen die Vordwesthänge 
von Bisani fortgesetzt und die dortige Stellung 
von rückwärts genommen werden sollte. In einer 
so verzweifelten strategischen Lage schickte der 
türkische Kommandeur, der einsah, daß jeder 
Widerstand zwecklos und vergeblich sei, Parla 
mentäre an mich, welche die bedingungslose 
Übergabe der Festung und der Armee anboten. 
Ich ließ daher morgens um 5 Uhr das Artillerie 
feuer, das die ganze Vacht hindurch angehalten 
hatte, einstellen. Um Sonnenaufgang begann 
die Übergabe, das amtliche Schriftstück darüber 
wurde am 6. März um 2 Uhr nachmittags 
unterzeichnet. 
Ein Bericht von türkischer Seite. 
Aus diesem Bericht spricht der Stolz des 
Siegers. Bei den Besiegten sah man selbstver 
ständlich die Vorgänge mit ganz anderen Augen 
an. Oberleutnant Ismael Hakki Bey, der 
4 Monate die Belagerung in Janina mitgemacht 
hat, erzählt über das Elend, das auf türkischer 
Seite herrschte und über die Gründe, die schließ 
lich doch zur Übergabe führen mußten, furcht 
bare Dinge. Er hat auf Befehl des Festungs 
kommandanten Oberstleutnant Vehib Bey am 
2. März Janina verkleidet verlassen, um Mu 
nition und Geld für die schwerbedrängte Festung 
herbeizuschaffen, die ohne jede Verbindung mit 
Konstantinopel war. Er gelangte nach einem 
mehrtägigen, an Gefahren reichen Vitt nach 
Valona, wo er nach fruchtlosen Versuchen, weiter 
zu kommen, 3 Wochen blieb. Dort erreichte ihn 
die Vachricht von dem Falle Janinas. Von 
Valona gelang es ihm endlich, in einem kleinen 
Segelboot mit einigen Sanitätsoffizieren durch 
die Blockade zu schlüpfen. Durch einen furcht 
baren Sturm von der schon sichtbaren italieni 
schen Küste abgetrieben, irrte er 4 Tage ohne 
Vahrung und Trank in der Adria umher, bis 
die Insassen erschöpft und ermattet 15 Seemeilen 
südlich der Bojanamündung von einem öster 
reichischen Kohlendampfer aufgenommen und 
nach Teodo bei Cattaro gebracht wurden. Öster 
reichische Offiziere bewirteten dort die türkischen 
Kameraden. Von Cattaro reiste der Oberleutnant 
nach Wien; über das, was er in Janina er 
lebt hat, erzählt er uns: 
Die Griechen haben sich gerühmt, eine mit 
allen modernen Mitteln ausgestattete unbezwing 
bare Festung eingenommen zu haben. Pompöse 
Artikel in den griechischen und französischen Zei 
tungen lobten über alles den Heldenmut der 
griechischen Soldaten, welche 32.000 Mann ge 
fangen genommen hätten. Diese angeblich un 
bezwingbare Festung bestand jedoch zum größten 
Teil aus erst während des Krieges hergestellten 
provisorischen Feldbefestigungen und ihre Be- 
fahung waren 8000 erschöpfte, hungrige Kom 
battanten und 6000 Kranke, die seit anderthalb 
Monaten knapp für einige Kampfstunden Mu 
nition gehabt hatten. Diese sogenannte Festung 
hielt sich, was in der Kriegsgeschichte bis jetzt 
noch nicht vorgekommen ist, anderthalb Monate 
ohne Munition. 
Ich werde versuchen, eine kurze Skizze der 
Ereignisse in Janina zu geben. Genaue Zeit 
angaben kann ich nicht machen, weil mein Tage 
buch verloren gegangen ist. Ich führe nur Tat 
sachen an, Ereignisse, die ich selbst gesehen habe 
und werde nichts erwähnen, was ich etwa nur 
vom Hörensagen kenne. 
Die Befestigungswerke um Janina waren 
in sechs Abschnitte eingeteilt und hatten einen 
Umfang von 32 Kilometer. 
Im Vörden: Erster Abschnitt: Gardiki, ein 
Betonbau für 4 Geschütze und Erdwälle. In 
diesem Abschnitte befanden sich 8 (alte) Ge 
schütze zu 12 Zentimeter. 
Im Westen: Zweiter Abschnitt: Sadowista, 
ein Betonbau für 4 Geschütze auf peristra mit
	        
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