Die Einnahme von Janina.
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Flügel hatte die Westfront überraschend anzu
greifen und zu nehmen. Die Artillerie sollte das
Feuer aufs höchste steigern. Alle diese Befehle
wurden buchstäblich ausgeführt. Von 7 Uhr
morgens an nahm der linke Flügel die Infan
teriestellungen und die Batterie von 4 Geschützen
auf dem Tsukaberg. Etwas später eroberte ein
anderer Teil dieser Kolonne nach erbittertem
Kampfe die Stellungen und Batterien von
St. Vikolaus und ein dritter Teil das Fort
Durutti. Zugleich warf der rechte Flügel dieser
Kolonnen den Feind von den Höhen von Mano-
liassa. Gegen 3 Uhr nachmittags zogen sich dichte
türkische Kolonnen von allen Höhen der linken
Front auf die Ebene von Janina zurück, denen
unsere Truppen auf den Hacken folgten. Lin
Versuch des Feindes, sich bei Vapsista zu sam
meln, wurde durch das Feuer unserer Gebirgs
artillerie verhindert, die ihn unter großen Ver
lusten zwang, sich in Unordnung auf Janina zu
flüchten. So war die ganze Front des Feindes
von Sadowista bis St. Vikolaus mit 20 Ge
schützen in unserer Hand. Zwischen 3 und 5 Uhr
abends waren die Abteilungen unserer 3 Ko
lonnen in die Ebene hinabgestiegen und ver
folgten den Gegner, während andere von Vörden
gegen die Verschanzungen von Sadowista vor
gingen. Spät abends sehten die Evzonivorpoften
auf 500 Meter vor Janina aus, schnitten die
telephonische Verbindung zwischen der Stadt
und Bisani ab und ebenso jeden Verkehr zwi
schen den beiden Stellungen. Vehib Bey, der
Kommandant von Bisani, konnte sich nach seiner
eigenen Aussage nur auf einer Barke über den
See nach Janina retten.
Meine Befehle für den 6. März ordneten
an, daß der Angriff gegen die Vordwesthänge
von Bisani fortgesetzt und die dortige Stellung
von rückwärts genommen werden sollte. In einer
so verzweifelten strategischen Lage schickte der
türkische Kommandeur, der einsah, daß jeder
Widerstand zwecklos und vergeblich sei, Parla
mentäre an mich, welche die bedingungslose
Übergabe der Festung und der Armee anboten.
Ich ließ daher morgens um 5 Uhr das Artillerie
feuer, das die ganze Vacht hindurch angehalten
hatte, einstellen. Um Sonnenaufgang begann
die Übergabe, das amtliche Schriftstück darüber
wurde am 6. März um 2 Uhr nachmittags
unterzeichnet.
Ein Bericht von türkischer Seite.
Aus diesem Bericht spricht der Stolz des
Siegers. Bei den Besiegten sah man selbstver
ständlich die Vorgänge mit ganz anderen Augen
an. Oberleutnant Ismael Hakki Bey, der
4 Monate die Belagerung in Janina mitgemacht
hat, erzählt über das Elend, das auf türkischer
Seite herrschte und über die Gründe, die schließ
lich doch zur Übergabe führen mußten, furcht
bare Dinge. Er hat auf Befehl des Festungs
kommandanten Oberstleutnant Vehib Bey am
2. März Janina verkleidet verlassen, um Mu
nition und Geld für die schwerbedrängte Festung
herbeizuschaffen, die ohne jede Verbindung mit
Konstantinopel war. Er gelangte nach einem
mehrtägigen, an Gefahren reichen Vitt nach
Valona, wo er nach fruchtlosen Versuchen, weiter
zu kommen, 3 Wochen blieb. Dort erreichte ihn
die Vachricht von dem Falle Janinas. Von
Valona gelang es ihm endlich, in einem kleinen
Segelboot mit einigen Sanitätsoffizieren durch
die Blockade zu schlüpfen. Durch einen furcht
baren Sturm von der schon sichtbaren italieni
schen Küste abgetrieben, irrte er 4 Tage ohne
Vahrung und Trank in der Adria umher, bis
die Insassen erschöpft und ermattet 15 Seemeilen
südlich der Bojanamündung von einem öster
reichischen Kohlendampfer aufgenommen und
nach Teodo bei Cattaro gebracht wurden. Öster
reichische Offiziere bewirteten dort die türkischen
Kameraden. Von Cattaro reiste der Oberleutnant
nach Wien; über das, was er in Janina er
lebt hat, erzählt er uns:
Die Griechen haben sich gerühmt, eine mit
allen modernen Mitteln ausgestattete unbezwing
bare Festung eingenommen zu haben. Pompöse
Artikel in den griechischen und französischen Zei
tungen lobten über alles den Heldenmut der
griechischen Soldaten, welche 32.000 Mann ge
fangen genommen hätten. Diese angeblich un
bezwingbare Festung bestand jedoch zum größten
Teil aus erst während des Krieges hergestellten
provisorischen Feldbefestigungen und ihre Be-
fahung waren 8000 erschöpfte, hungrige Kom
battanten und 6000 Kranke, die seit anderthalb
Monaten knapp für einige Kampfstunden Mu
nition gehabt hatten. Diese sogenannte Festung
hielt sich, was in der Kriegsgeschichte bis jetzt
noch nicht vorgekommen ist, anderthalb Monate
ohne Munition.
Ich werde versuchen, eine kurze Skizze der
Ereignisse in Janina zu geben. Genaue Zeit
angaben kann ich nicht machen, weil mein Tage
buch verloren gegangen ist. Ich führe nur Tat
sachen an, Ereignisse, die ich selbst gesehen habe
und werde nichts erwähnen, was ich etwa nur
vom Hörensagen kenne.
Die Befestigungswerke um Janina waren
in sechs Abschnitte eingeteilt und hatten einen
Umfang von 32 Kilometer.
Im Vörden: Erster Abschnitt: Gardiki, ein
Betonbau für 4 Geschütze und Erdwälle. In
diesem Abschnitte befanden sich 8 (alte) Ge
schütze zu 12 Zentimeter.
Im Westen: Zweiter Abschnitt: Sadowista,
ein Betonbau für 4 Geschütze auf peristra mit