Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Erster Band (I. / 1913)

544 
Ein Gesamtbild der tzauptka'mpfe vor Tschataldscha. 
□□ 
heit des Islams ist in unserer Zeit sich über 
stürzender Entwicklung kein Raum mehr. An 
der stetigen zielbewußten Arbeit des Europäers 
muß der wilde Fanatismus des Mohammedaners, 
der erst in der höchsten Rot sich zu verzweifeltem 
Widerstand aufrafft, zerschellen. Die Türkei muß 
sich europäisieren, amerikanisieren oder ihre Tage 
als selbständiger Staat sind gewählt. 
Die amerikanische Welle wähl sich von 
Westen nach Osten. Europa hat sie ergriffen, 
Asien wird ihr nicht widerstehen. Wirtschaft 
liche Erschließung, Busineß, Geldmachen ist die 
Losung, Hell klingt die Ausruferstimme des 
Fortschrittes. Freilich, sein breiter, praktisch be 
nagelter Rützlichkeitsstiefel zertritt auf seiner 
Siegesbahn auch viel verträumte Schönheit, 
die den Fehler hat, unproduktiv zu sein, pera, 
das Europäerviertel, das Stambul gegenüber 
sich mächtig entfaltet, hat heute schon in 
mancher Hinsicht eine verzweifelte Ähnlichkeit 
mit amerikanischen Städten; vielleicht erleben 
wir noch den Tag, wo auch die nutzlosen 
Steinhäuser Stambuls nützlichere Verwendung 
finden, wo die Minaretts für eine wirkungs 
volle Lichtreklame dienen und auf den Kuppeln 
der Moscheen riesige Plakate dem zur See 
Ankommenden künden, daß psulty die besten 
Möbel und Tiring die billigsten Kleider hat. 
Drei interessante Patrouillenritte in der 
Tschataldschalinie. 
Ehe wir uns dem Abschlüsse in der Schil 
derung der Vorgänge an der Tschataldschalinie 
zuwenden, möchten wir noch den Bericht eines 
deutschen Offiziers über drei sehr interessante 
Patrouillenritte in der Tschataldschalinie, den er 
in „Streffleurs militärischer Zeitschrift" veröffent 
licht, anfügen. Der Bericht lautet: 
Rachdem im ottomanischen Reich das jung- 
türkische Regime ins Leben gerufen war, hat 
die Pforte bekanntermaßen eine Anzahl fremder 
Offiziere für die Reorganisation des Heeres, 
der Gendarmerie und der Marine engagiert. 
Jur Zeit des Ausbruches des Balkankrieges 
betrug die Zahl dieser fremden Offiziere zirka 40. 
Bezüglich aller dieser Offiziere hat die türkische 
Heeresleitung die prinzipielle Entscheidung ge 
troffen, daß dieselben am Kriege keinen aktiven 
Anteil nehmen sollen. Die bei der Armee ein 
geteilten fremden Offiziere versahen daher auch 
weiterhin ihren Instruktionsdienst, ebenso wie jene 
der Gendarmerie — soweit sie natürlich durch 
die kriegerischen Ereignisse daran nicht verhindert 
wurden — während man die Jnstruktionsosfiziere 
der Flotte unmittelbar nach Beginn des Krieges 
ausgeschifft hatte. Iu Beginn des Krieges hat 
die türkische Regierung diese Entscheidung ein 
gehalten, später aber ist sie hiervon abgegangen 
und hat mehrere, und zwar ausnahmlos deutsche 
Offiziere, zur Teilnahme an den kriegerischen 
Aktionen zugelassen, einige sogar mit wichtigen 
Aufgaben betraut. Diese günstige Disposition 
der türkischen Heeresleitung benützte der eben in 
Konstantinopel weilende ehemalige bayrische 
Kavallerieleutnant Graf preysing, um seine 
Dienste dem Kommandanten des rechten Flügels 
der Tschataldschastellung, General Mahmud 
Mukhtar Pascha, anzubieten. Der General akzep 
tierte und behielt den deutschen Kavallerieofsizier 
gleich in seinem Stabe. Dies war am 14. Ro- 
vember morgens. Mahmud Mukhtar Pascha 
war selbst auch erst am gleichen Morgen in 
seinem in Bujanli befindlichen Hauptquartier 
eingetroffen und war eben im Begriffe, das 
Vorfeld seines Abschnittes zu rekognoszieren. 
Bekanntermaßen hat sich die türkische Ost 
armee nach der unglücklich verlaufenen Schlacht 
von Lüle Burgas-Viza (vom 28. Oktober bis 
1. Rovember) in die Tschataldschalinie zurück 
gezogen, wo die ersten Truppen etwa am 7. Ro 
vember eintrafen. Die Einrichtung und Ver 
teidigungsinstandsetzung der Tschataldschastellung 
ging jedoch nur sehr langsam vonstatten. Die 
Verbände der Ostarmee waren durcheinander 
gekommen, das Gros der Truppen stark demo 
ralisiert. Es mußte daher in der neuen Ver 
teidigungsstellung eine vollkommen neue Ein 
teilung und Zusammensetzung der Einheiten er 
folgen, wozu die mittlerweile aus Anatolien 
herangezogenen frischen Truppen den Rahmen 
bildeten. Wegen dieser organischen Mängel 
dauerte es lange, bis die auf die verschiedenen 
Abschnitte aufgeteilten Armee- und Truppen 
körper den ihnen zukommenden Aufgaben an 
standslos Genüge leisteten. So kam es auch, 
daß, als Mahmud Mukhtar Pascha am 14. Ro 
vember morgens in der Tschataldschalinie ein 
traf, seine Unterkommandanten (das 3. Korps, 
welches den rechten Flügel besetzte, zählte 3 Di 
visionen zu je zirka 10 Bataillonen) ihm über 
die Ausdehnung des gegenüberstehenden Gegners, 
insbesondere betreffs der Lage des äußersten 
linken Flügels desselben keine Auskunft geben 
konnten. Sie entschuldigten diese Unterlassung 
damit, daß das gegenüber dem äußeren Flügel 
gelegene Terrain infolge Versumpfung und starker 
Gliederung nicht nur fast ungangbar, sondern 
an den einzelnen Annäherungspunkten durch 
feindliche Posten abgesperrt sei. 
Mahmud Mukhtar Pascha bestand dessen 
ungeachtet darauf, daß diese Ungewißheit über 
die feindliche Stellung unverzüglich aufgeklärt 
werde und betraute mit dieser wichtigen Auf 
gabe den Leutnant Grafen preysing. Der Stab 
befand sich auf einem Aussichtspunkt nächst La- 
zarköj und gerade, als er dem Leutnant den 
eben erwähnten Auftrag erteilte, bemerkte Mäh-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.