Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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Panorama von Przemysl. 
sie auf verlorenem Posten standen, und haben ihn ge 
halten — wie die Spartaner des Leonidas." 
Die Eroberung von Przemysl hat die Russen mehr als 
70 000 Mann gekostet. Nachdem das Werk nach so großen 
Opfern endlich gelungen war, wurde der Rest der Be 
lagerungsarmee zum größten Teile frei; er verstärkte die 
Russenmacht in den Karpathen, vermochte aber doch nicht, 
den eisernen Wall der Truppen Österreich-Ungarns dort 
zu durchbrechen. Russische Quellen behaupteten, die Be 
lagerungsarmee sei 150 000—200 000 Mann stark ge 
wesen, und daß eine solche Macht einen starken Druck auf 
einer anderen Stelle des Kriegschauxlatzes ausüben kann, 
liegt auf der Hand. In Wirklichkeit war der freigewordene 
Teil der russischen Belagerungsarmee, wenn man berück 
sichtigt, daß ja doch ein Teil in Przemysl zurückbleiben mußte, 
etwa 50 000 Mann stark, und diese sind zum größten Teil 
in den blutigen Karpathenkämpfen, die sich bald darauf 
entwickelten, geblieben. 
In den Tagen nach dem Fall von Przemysl kam es in 
Galizien nur zu kleineren Geschützkämpfen und zur Zer 
störung einer bei Otfinow erbauten russischen Kriegsbrücke 
durch die k. u. k. Artillerie. Am 28. März versuchten 
russische Kräfte, östlich von Zaleszcyki über den Dnjestr vor 
zustoßen, wurden jedoch nach heftigem Kampf über den 
Fluß zurückgeworfen. Am 5. April wiederholten die Russen 
ihre Versuche. Es kam zu einem mehrstündigen Gefecht, 
das zugunsten unserer Verbündeten endete und 1400 Mann 
Gefangene nebst 7 Maschinengewehren 
in ihre Hände brachte. Hierbei wurden 
auch zwei feindliche Bataillone des ruf- , 
fischen Alerander-Jnfanterieregiments k, JBL. 
Türkei. In Wien verbreitete sich die Nachricht mit kaum 
glaublicher Schnelligkeit bis in die entferntesten Teile 
der Stadt. In der Straßenbahn, in den Gast- und 
Kaffeehäusern und auf der Straße selbst ging die Nach 
richt von Mund zu Mund. Überall war der Eindruck 
der gleiche: dankbare Anerkennung für die wackere Be 
satzung, die neben schweren Opfern an Blut zuletzt alle 
Mühsale der Aushungerung mit staunenswerter Zähigkeit 
getragen hatte, und ungebrochene Zuversicht in den Erfolg 
des weiteren Vorgehens der österreichisch-ungarischen 
Armeen auf dem nördlichen Kriegschauplatze. Der Ober 
befehlshaber Erzherzog Friedrich erließ am Tage des Falles 
von Przemysl folgenden Armeebefehl: 
Nach viereinhalbmonatigen heldenmütigen Kämpfen, 
in welchen der rücksichtslos und zäh, aber stets vergeblich 
anstürmende Feind ungeheure Verluste erlitt und nach 
blutiger Abwehr seiner noch in letzter Zeit, insbesondere 
am 20. und 21. März Tag und Nacht unternommenen Ver 
suche, die Festung Przemysl mit Gewalt in die Hand zu 
bekommen, hat die heldenmütige Festungsbesahung, die 
noch am 19. März mit lebhafter Kraft versuchte, den über 
mächtigen Ring der Einschließung zu sprengen, durch 
Hunger gezwungen, auf Befehl und nach Zerstörung und 
Sprengung aller Werke, Brücken, Waffen, Munition und 
des Kriegsmaterials aller Art die Trümmer von Przemysl 
dem Feinde überlassen. Den unbesiegten Helden von 
Przemysl unseren kameradschaftlichen Gruß und Dank. 
Sie wurden durch Naturgewalten und 
nicht durch den Feind bezwungen. Sie 
bleiben uns ein hehres Vorbild treuer 
Pflichterfüllung bis an die äußerste 
Grenze menschlicher Kraft. Die Ver- 
teidigung von Przemysl bleibt für 
ewige Zeiten ein leuchtendes Ruhmes- 
• iMirir^" blatt unserer Armee. 
Feldmarschall Erzherzog Friedrich. 
Der Berichterstatter der „Neuen 
Freien Presse" schrieb über die Ver- 
V ’i leidiger von Przemysl: 
„Die Einschließungen von Przemysl 
haben eine russische Armee vernichtet. 
Die Unsrigen haben übergenug ertragen 
— Entbehrung und Hunger. Solange 
die Festung in unseren Händen war, 
hieß es schweigen. Heute ist jedes 
Wort über die Schwäche der Rüstungen 
ein Vers mehr in der Hymne auf unsere 
Heldenbrüder. Die Knäblein in den 
Kinderstuben — man sollte ihnen die 
Namen Kusmanek und Tamassy vor 
sagen, bis sie die Namen können. 
Sie wie alle übrigen Offiziere, und 
das zeugt erst für ihre echte Tugend, 
kannten die Schwächen der Festung 
und darum ihr Schicksal. Wußten, daß 
Näheres über seinen Flug mitzuteilen, lehnte Rittmeister 
Lehmann ab. Er sagte nur: „Es war ein Flug wie jeder 
andere. Von den in der Festung befindlichen Apparaten 
waren alle durch Granaten beschädigt worden. Ich flog 
auf einer Maschine, die mein Kamerad kurz vor der Über 
gabe hereingebracht hatte. Wie ich um dreiviertel sechs Uhr 
von der sterbenden Festung Abschied nahm, ertönten die 
Detonationen der letzten Sprengungen. Przemysl, das noch 
vor einer Stunde eine unbezwingbare Festung gewesen, 
übergab seine Trümmer dem von allen Seiten anrückenden 
Feind. Bis zum Ende hatten es sämtliche Völker der 
Monarchie verteidigt, an der Süd- und Westseite Tiroler 
und Ungarn, im Norden und Osten Ruthenen und Polen, 
im Osten auch Niederösterreicher." — 
Die Berichterstatter irrt russischen Hauptquartier fuhren 
mit dem Auto von Lemberg nach Przemysl, um Zeugen 
des großen Ereignisses der Übergabe zu sein. Sie kamen 
durch eine ganze Reihe von verwüsteten Dörfern, bis sie das 
äußerste Fort von Przemysl erreichten. Die russischen 
Soldaten riefen ihnen schon von weitem entgegen, daß 
Przemysl in ihren Händen sei. Bei den äußeren Forts 
mußten die Autos halt machen, da die in die Festung 
führenden Brücken gesprengt waren. Von hier betrachteten 
die russischen Berichterstatter mit Ferngläserndas Zerstörungs 
werk und den Einzug der Russen in die gefallene Festung. 
Lebhaft und allgemein war die Trauer über den Fall 
von Przemysl in Österreich-Ungarn, Deutschland und der 
brachte. Bei Cisna wurden bei der Erstürmung einer 
Höhe nördlich dieser Stadt 400 Russen gefangen ge 
nommen. An den nächsten Tagen nahmen die Kämpfe 
an der ganzen Karpathenfront noch an Heftigkeit zu; 
beiderseits des Latorczatales und auf den Höhen nörd 
lich Cisna wurden die Kämpfe stellenweise nicht einmal 
in der Nacht abgebrochen. Überall, wo es den Unsrigen 
gelang, Raum zu gewinnen, unternahmen die Russen 
wiederholt vergebliche Gegenangriffe. Besonders entlang 
der Straße von Baligrod versuchten sie während dichten 
Schneegestöbers mit starken Kräften vorzustoßen. Der 
Angriff, der ganz nahe an die österreichisch-ungarischen 
Stellungen herangekommen war, brach schließlich unter 
großen Verlusten des Gegners im k. u. k. Geschütz- und Ma 
schinengewehrfeuer vollkommen zusammen. In den nächsten 
Tagen gab es in den Karpathen Kämpfe um günstige Höhen 
stellungen, die für die Österreich'sch-ungarischen Kräfte von Er 
folg begleitet waren. Am 6. März nahmen sie hier 8 Offi 
ziere und 570 Mann gefangen. Am folgenden Tage 
machten die Russen im Raume bei Lupkow mit starken 
Kräften einen Angriff. Durch Einsetzung von Verstärkungen 
wurden ihre gelichteten Reihen stets erneuert und mit Ee- 
wa tmitteln vorgetrieben, so daß der Angriff trotz schwerer 
Verluste dreimal bis nahe an die österreichisch-ungarischen 
Stellungen vorgetragen werden konnte. Jedesmal scheiterte 
der letzte Ansturm vernichtend an den gegnerischen Hindernis 
linien. Hunderte von Toten bli-eben vor den Stellungen 
vernichtet. 
Bedeutende Kämpfe spielten sich 
im März in den Karpathen ab. Schon 
am 1. wurden in ihrem westlichen Ab 
schnitt zahlreiche Angriffe der Rus 
sen zur Zurückgewinnung ihrer am 
28. Februar vom Gegner eroberten 
Stellungen abgewiesen. In meter 
hohem Schnee kämpften deutsche und 
österreichisch-ungarische Truppen am 
Lupkowpaß mit einer allen Wetter 
und Eeländeschwierigkeiten trotzenden 
Zähigkeit. In überraschenden Nacht 
angriffen leisteten namentlich die deut 
schen Truppen Wunderbares. 
Uber die Höhen des Uzsoker Passes 
drangen die k. u. I. Truppen nach 
Galizien ein und boten den verzwei 
felten Bemühungen des Feindes die 
Stirn. In der Duklasenke setzte am 
2. März nach zweiwöchigem, ohne be 
sondere Beunruhigung durch die Russen 
geführtem Stellungskriege gleichfalls 
ein harter Kampf ein, der indes die 
Russen um keinen Meter vorwärts 
Österreichisch-ungarische Offiziere in einem Schützengraben am unteren Dunajec. 
.Villa Ninetta" am Dunajec.
	        
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