Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
Europäische Türkei und Marmara-Meer. 
und vier französische Schiffe beschossen die Dardanellen 
forts bis vier Uhr nachmittags. Das Bornbardernent be 
gann aus einer Entfernung von 16 Kilometer mit Ge 
schützen schwersten Kalibers, darunter auch 15-em-Schiffs- 
geschütze, Die osmanische Artillerie erwiderte das Feuer 
zunächst nicht, sondern wartete, bis der Feind näher kam. 
Das englisch-französische Geschwader näherte sich denn 
auch der Küste in der Meinung, die Forts zum Schweigen 
gebracht zu haben. In diesem Augenblick erst wurde von 
türkischer Seite das Feuer eröffnet. Von 18 abgegebenen 
Schüssen trafen 14. Das feindliche Admiralschiff erlitt eine 
schwere Havarie und wurde von Torpedobooten, die es sofort 
umringten, als sie es in Gefahr sahen, aus der Schlachtlinie 
geschleppt. Auch zwei weitere feindliche Schiffe wurden außer 
Gefecht gesetzt und zogen sich zurück. Nach Vergeudung von 
600 Granaten mußte die feindliche Flotte, von der nun 
mehr drei Einheiten fast vollständig unbrauchbar gemacht 
waren, sich entfernen. Der Schaden, den sie ihrerseits 
angerichtet hatte, war sehr gering: nur ein Offizier und ein 
Mann fielen auf türkischer Seite, ein anderer wurde leicht 
verwundet. Auch der Materialschaden war kaum nennens 
wert. In Konstantinopel hatte man schon eine Woche 
vorher von dem Plan der Beschießung gewußt und alle 
Vorkehrungen getroffen. Die Bevölkerung fühlte sich durch 
den neuen Mißerfolg der englisch-französischen Flotte ge 
hoben und wurde in der Ansicht bestärkt, daß die Erzwingung 
der Einfahrt in die Dardanellen höchst unwahrscheinlich sei. 
Am 25. Februar erschien die französische und englische 
Flotte von neuem vor den Dardanellen, diesmal in 10 Ein 
heiten. Um neun Uhr fünfzig Minuten begann die Be 
schießung der äußeren Dardanellenforts, die bis halb 
sieben Uhr abends anhielt; dann zogen sich die Angreifer 
in der Richtung der Insel Tenedos zurück. Ein feindliches 
Schiff vom Agamemnontyp und zwei andere Panzer 
schiffe wurden durch die von den Forts an der anatolischen 
Küste abgegebenen Schüsse beschädigt. An den beiden folgen 
den Tagen beschoß die Flotte der Verbündeten die Festungen 
auf der anatolischen und der rumelischen Seite sowie das 
am Dardanelleneingang liegende Fort Seddil-Bahr. Dabei 
versuchten die Engländer und Franzosen an einigen Stellen 
Erkundungstruppen zu landen, was jedoch vereitelt wurde. 
Gleichzeitig gingen vier französische Kreuzer und einige Tor 
pedoboote ohne jedes Ergebnis gegen die feindlichen Stel 
lungen am Golf von Saros vor. Türkische Flieger bombar 
dierten, wie das türkische Hauptquartier mitteilte, mit Erfolg 
die feindlichen Schiffe. Der Golf von Saros liegt nördlich 
der Halbinsel von Eallipoli, die durch die befestigten Linien 
von Valair gegen einen Angriff von Norden her gesichert ist. 
Am 1. März setzte bei klarstem 
Wetter die feindliche Beschießung in 
mäßigem Umfange wieder ein. In 
folge des freundlichen Entgegenkom 
mens der maßgebenden militärischen 
Stellen hatten eine Anzahl zuver 
lässiger Journalisten Gelegen 
heit , einen Teil dieser Opera 
tionen, auf die die Augen von 
Europa gerichtet waren, vom 
Hauptturme des Forts Tschanak- 
Kale aus zu beobachten. Der 
Vertreter von Wolffs Tele 
graphenbüro konnte nach Besich 
tigung mehrerer Befestigungs 
anlagen und Erklärung der ge 
samten Organisation der Ver 
teidigung durch einen Fachmann 
das Einverständnis aller Teilnehmer 
dieser journalistischen Expedition da 
hin feststellen, daß die Dardanellen 
niemals stärker gerüstet und ent 
schlossener verteidigt gewesen sind 
als heute. Man gewann allgemein 
die Überzeugung, daß eine Erzwin 
gung der Dardanellenstraße, wenn 
überhaupt, so doch nur unter unge 
heuren Opfern von englischer Seite 
möglich sei, die die gesamten mari 
timen Stärkeverhältnisse im Mittel 
meer beeinflussen und die Vorherr 
schaft der Westmächte dort beein 
trächtigen würden, ein Fall, dessen Eintreten der Aufmerk 
samkeit der italienischen und griechischen Staatsmänner 
nicht entgehen dürfte. Die Beschießung am 1. März durch 
einen Teil der feindlichen Geschwader zeigte wiederum 
eine möglichste Fernhaltung der französischen Schiffe und 
kennzeichnete sich als englisches Sonderunternehmen durch 
die ausschließliche Beteiligung englischer Schiffe, die die 
asiatische Seite des äußeren Dardanelleneingangs beschossen, 
ohne die gewünschte Erwiderung zu erzielen, durch die 
die Stellung der türkischen Artillerie verraten worden 
wäre. Dagegen erwiderten Batterien von europäischer 
Seite das Feuer mit dem Erfolge, daß auf dem Achterdeck 
eines englischen Torpedobootzerstörers ein Brand aus 
brach. Nach der Beschießung erschien ein englischer Doppel 
decker, um aus großer Höhe zu erkunden; gleichzeitig stieg 
ein türkischer Blorioteindecker auf. Um halb zwölf Uhr 
nachts gab es Alarm: mehrere Minensucher näherten sich 
dem Minenfeld, zogen sich aber, da sie sofort beschossen 
wurden, zurück, während ein Linienschiff vor dem Eingang 
der Meerenge das türkische Feuer auf große Entfernung 
und erfolglos erwiderte. 
Ein klägliches Ende nahm am 3. März ein bei Kum-Kale 
unternommener Landungsversuch der ^Engländer; denn 
die 400 Mann, die am Tage unter dem Schutze der Schiffs 
artillerie gelandet waren, mußten bei Eintritt der Dämme 
rung dem Ansturm der schwachen türkischen Besatzung 
weichen und verließen die Landzunge unter Zurücklassung 
einiger Maschinengewehre, einer großen Anzahl von Kee- 
Metford-Gewehren sowie von Munition und Proviant. Man 
hatte die Absicht gehabt, sich häuslich einzurichten, aber es 
blieb bei der Absicht. Am 4. März spät abends versuchten 
die Engländer abermals unter verstärktem Feuer, außerhalb 
des Bereichs der türkischen Artillerie in Schaluppen zu 
landen. Anfangs ließen die Türken den Feind gewähren, 
aber dann erwiderten sie das Feuer. 60 englische Sol 
daten, die sich bei Seddil-Bahr ausgeschifft hatten, flüch 
teten wieder in ihre Schaluppe und zogen sich unter Zurück 
lassung von 20 Toten und Verwundeten zurück. Nach diesen 
mißglückten Landungsversuchen teilte sich die verbündete 
Flotte in mehrere Teile und beschoß die offenen und un 
verteidigten Häfen Dikili, Sarmsak und Aivalik am Ngäischen 
Meer. Zwei Flieger, die den Golf von Saros überflogen, 
stürzten mit ihrem Apparat ins Meer. 
Am 6. März meldete der auf türkischer Seite zugelassene 
Korrespondent der Mailänder „Jtalia", daß die ver 
bündeten Flotten täglich etwa 3000 Geschosse auf die 
äußeren Forts abfeuerten, von denen etwa 15 wirkliche 
Treffer waren. Die türkischen Batterien stünden überhaupt
	        
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