Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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genommen, 9 Maschinengewehre, 9 Geschütze kleineren
Kalibers sowie viel sonstiges Material erbeutet. Auch bei
Souain versuchten die Franzosen einen Jnfanterieangriff,
der jedoch abgewiesen wurde und 478 Mann nebst 4 Offi
zieren in unsere Hände lieferte. Bei Massiges drangen
unsere Truppen am 12. Februar noch weitere 1200 Meter
vor, und nordöstlich Pont-ö-Mousson entrissen wir am 13.
den Franzosen das Dorf Norroy und die westlich dieses
Ortes gelegene Höhe 365.
Wie in Flandern, so unternahmen die Franzosen auch
im übrigen Frankreich nach dem Eintreffen der Kunde
vom deutschen Siege in Masuren hartnäckige Angriffe
auf unsere Stellungen. Nordöstlich von Reims wurden
am 16. Februar heftige feindliche Angriffe abgewiesen und
hierbei 2 Offiziere und 170 Mann gefangen genommen,
welche Zahl sich am nächsten Tage noch erhöhte. Ebenfalls
am 16. richteten sich gegen unsere Linien in der Champagne
besonders starke Vorstöße, die mehrfach zu erbitterten Nah
kümpfen führten. Fast überall wurden die feindlichen
Angriffe abgewiesen und 300 Franzosen gefangen ge
nommen, eine Zahl, die schon am nächsten Tage auf
11 Offiziere und 785 Mann stieg. In einigen Gräben war
der Feind allerdings eingedrungen, aber schon am 17. Fe
bruar konnte er sich nur noch an wenigen Stellen halten.
Am nächsten Tage führten diese Kämpfe unter Gefangen
nahme von 100 Mann zur Zurückweisung sämtlicher fran
zösischen Angriffe. Tags darauf suchte der Gegner nörd
lich Perthes und nördlich Le Mesnil unsere Linien zu
durchbrechen, was ihm an einigen Stellen gelang, so daß
er in unsere vordersten Gräben eindrang, wo er sich aber
nicht lange behaupten konnte.
Wie unsere Heeresleitung am 22. Februar bekannt gab,
wurden bis zu diesem Tage in der Champagne 15 Offiziere
und über 1000 Mann gefangen genommen. In den
nächsten Tagen unternahmen die Franzosen bei und nörd
lich Perthes wiederholte Angriffe, die sämtlich zu unseren
Gunsten endeten. Am 23. Februar kam es hier an mehreren
Stellen zu erbitterten Nahkämpfen, in deren Folge der
Feind in seine Stellungen zurückgeworfen wurde.
Ein anschauliches Bild von solchen Kämpfen gibt der
folgende Feldpostbrief:
„Wir haben seit drei Wochen tagtäglich die heftigsten
Gefechte. Die Franzosen greifen mit bewundernswertem
Mut immer wieder aufs neue an. Es grenzt häufig an Wahn
sinn. Hunderte von Toten füllen oft den Raum zwischen
den beiden Drahtverhauen aus. • Aber kaum ist einige
Ruhe nach einem hitzigen Gefecht eingetreten, so beginnt
die französische Artillerie ihr Konzert schon wieder von
neuem. Einen französischen Artillerieangrisf schildern, halte
ich für ausgeschlossen, und stundenlang einem solchen aus
gesetzt sein für mit das Schrecklichste, was der Krieg bringt.
Wo man gerade ist, da bleibt man
liegen, stundenlang. Unsere Gräben
und Drahtverhaue haben schon aus
gesehen, als wenn sie mit einem
riesigen Pflug umgepflügt worden
seien. Das geht Salve auf Salve,
ein Getöse, daß einem die Nerven
nachher wie erlahmt sind. In letzter
Zeit sind wir, um uns besser gegen
dieses wahnsinnige Artilleriefeuer zu
schützen, dazu übergegangen, in den
Schützengräben und Unterständen
3—4 Meter tiefe Stollen in die Erde
zu treiben, wo wir dann das Unwetter
an uns vorübergehen lassen. So
lange die französische Artillerie ar
beitet, sind wir lahmgelegt, nur ein
zelne Lauscherposten halten Wache.
Plötzlich verstummt die Kanonade,
und dies ist der Augenblick, wo die
französische Infanterie vorstürmt.
Aber auch wir stehen schon auf dem
Posten, und mit einem Schnellfeuer
geht's dazwischen, dazu rattern die
Maschinengewehre, so daß der Feind
meistens noch nicht bis an unsere
Drahtverhaue herankommt. Wohl
und die Franzosen an verschiedenen
Stellen auch schon bis in die vor
dersten Gräben hereingekommen, aber nie haben sie sich
dessen lange erfreuen können. Bei Anbruch der Dunkelheit
oder am anderen Morgen war die Strecke wieder rein. So
geht's hier schon wochenlang tagtäglich und oft nachts; hin
und her wogt der Kampf zwischen den vordersten Gräben.
Diese Erde ist mit Blut getränkt. Aber die Franzosen
lassen noch nicht nach. Wie in Heller Verzweiflung kommen
sie jeden Tag aufs neue vor."
Bis Ende Februar setzten die Franzosen diese Angriffe
täglich fort, ohne irgend einen Erfolg zu erringen. Immer
neue Kräfte brachten sie in die Kämpfe in der Champagne,
aber nichts nützte; fast jeder Tag brachte dem Feind nur den
Verlust von Tausenden Toter und Verwundeter.
Am 7. März kam es zu heftigen Kämpfen bei Souain.
Im Handgemenge wurden die Franzosen am Abend zurück
geschlagen; doch begann der Kampf nachts von neuem,
und tags darauf gelang es dem Feind sogar, an einzelnen
Stellen vorübergehend in unsere Linien einzudringen. In
erbittertem Nahkampf, bei dem zur Unterstützung herbei
geeilte französische Reserven durch unseren Gegenstoß am
Eingreifen verhindert wurden, warfen wir den Feind end
gültig aus unserer Stellung.
Aus dieser außerordentlich lebhaften Eefechtstätigkeit
in der Champagne veröffentlichte der französische Eeneral-
stabsbericht häufig unwahre Meldungen von Erfolgen, die
die französische Armee errungen haben sollte. Dies ver
anlaßte unsere Heeresleitung am 10. März zu einer zu
sammenfassenden Darstellung, durch die alle Lügenmel
dungen des Gegners mit aller Deutlichkeit richtiggestellt
wurden. Der Bericht lautete:
Mit den heute und in den letzten Tagen gemeldeten
Kämpfen ist die Winterschlacht in der Champagne so weit
zu einem Abschluß gebracht, daß kein Wiederaufflackern
mehr an dem Endergebnis etwas zu ändern vermag. Die
Schlacht entstand, wie hier schon am 17. Februar mit
geteilt wurde, aus der Absicht der französischen Heeres
leitung, den in Masuren arg bedrängten Russen in einem
ohne jede Rücksicht auf die Opfer angesetzten Durchbruchs
versuch, als dessen nächstes Ziel die Stadt Vouziers be
zeichnet war, Entlastung zu bringen. Der bekannte Aus
gang der Masurenschlacht zeigt, daß die Absicht in keiner
Weise erreicht worden ist. ' Aber auch der Durchbruchs
versuch selbst darf heute als völlig und kläglich gescheitert
bezeichnet werden. Entgegen allen Angaben in den offi
ziellen französischen Veröffentlichungen, ist es dem Feinde
an keiner Stelle gelungen, auch nur den geringsten nennens
werten Vorteil zu gewinnen. Wir verdanken dies der
heldenhaften Haltung unserer dortigen Truppen, der Um
sicht und Beharrlichkeit ihrer Führer, in erster Linie dem
Generaloberst v. Einem, sowie den kommandierenden
Generalen Riemann und Fleck. In Tag und Nacht un-
Von einer Granate zerstörtes Haus in Ostpreußen.
Die hintere Wand wurde weggerissen, worauf sich das Dach auf die Seite legte.