Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
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Die Türken werfen am Suezkanal die Engländer aus ihren Stellungen. Nach einer Originalzeichnung von Bruno Richter. 
gestört werden. Die Türkei hatte somit bei ihrem Eintreten 
in den Krieg alles getan, um ihr kriegerisches Vorgehen 
streng auf die Mächte des Dreiverbaudes zu beschränken. 
Die Bewegung im Islam zog so weite Kreise, daß so 
gar die Muselmanen im Somaliland (siehe Bild Seite 102) 
sich erhoben und mehrere tausend Reiter gegen Ägypten 
sandten. Die englische Militärbehörde sah sich genötigt, 
Anfang Dezember die Wüste östlich Port Said unter 
Wasser zu setzen, um die Stadt zu isolieren. Jedenfalls 
waren auch hier Aufstände der Eingeborenen Ursache 
dieser Maßnahme. 
Um der aufständischen Bewegung unter der muselmani 
schen Bevölkerung Ägyptens Herr zu werden, war England 
gezwungen, für die Verwaltung des Pharaonenlandes ganz 
neue Einrichtungen zu treffen, gegen die vom Khediven 
Abbas Hilmi, dem rechtmäßigen Landesherrn von Ägypten, 
allerdings heftig Einsprache erhoben wurde. Am 9. De 
zember erfuhr man aus Kairo, daß Hussein Kamel (siehe 
Bild Seite 104) im Begriffe sei, als Sultan den ägypti 
schen Thron zu besteigen. Die englische Besetzung solle 
in ein Protektorat umgewandelt und der neue Staat von 
der Türkei ganz unabhängig gemacht werden. Am 17. De 
zember wurde das englische Protektorat in Ägypten aus 
gerufen und der Nach 
folger des Khedive mit 
dem Titel „Sultan" er 
nannt. Kairo blieb die 
Residenz des neuen Sul 
tans. Die Haltung der 
Eingeborenen war nach 
außen fast gleichgültig. 
Es schien, als wenn sie 
die Lage mit der denkbar 
größten Ruhe betrach 
teten, was aber insofern 
nicht weiter verwunder 
lich ist, als sie durch 
unerhörte Zwangsmaß 
regeln in Unkenntnis über 
alle Ereignisse erhalten 
wurden. Die einheimische 
Presse hatte entweder 
völlig zu existieren auf 
gehört, oder ihre Leitung 
befand sich ausschließlich 
in englischen Händen. 
Am 28. Dezember er 
fuhr man, daß auch eine 
syrische Armee gegen den 
Suezkanal zu ziehen be 
rufen sei. Ihr Kom 
mandant hatte folgenden 
Befehl erlassen: 
„Krieger! Hinter euch 
befind et sich die ungeheure 
Wüste, vor euch der feige 
Feind, hinter ihm das 
reiche Land Ägypten, das 
ungeduldig auf unsere 
Ankunft harrt. Wenn 
ihr zurückweicht, wird der 
Tod das Ende sein, vor 
euch liegt das Paradies." 
Sogar auf die euro 
päischen Schlachtfelder 
hat die Erklärung des 
Heiligen Krieges Einfluß 
gehabt. So konnte man 
in einem Feldpostbrief 
von Mitte November 
lesen: 
„Oft kam aus den 
Schützengräben die An 
frage, was mit den über 
gelaufenen Indern ge 
macht werden solle. Es 
sei unheimlich, sie lägen 
neben unseren Soldaten 
und schössen auf die Eng 
länder. Ich wollte es 
erst gar nicht glauben." Offenbar war dies eine Wirkung 
des Heiligen Krieges. 
Daß die Nachricht davon so schnell zu den Truppen nach 
Frankreich durchgedrungen war, wurde begreiflich, als man 
etwa um dieselbe Zeit bei mehreren gefangenen Indern in 
Mannheim ein mit indischen Lettern bedrucktes Blatt fand, 
das diese auf der bloßen Brust trugen. Man vermutete darin 
zunächst eine Art Amulett, erkannte aber bald, daß es sich 
um etwas anderes handelte. Der Inhalt des Blattes 
lautete in deutscher Übersetzung: 
„Der Scheich ul Islam hat sich nach dem heiligen Mekka 
begeben und am Jdfeste den Heiligen Krieg gegen Eng 
länder, Russen und Franzosen verkündet. Der Sultan in 
Rum (Konstantinopel) hat Krieg begonnen gegen die 
tyrannischen Engländer, Russen und Franzosen, und mit 
ihm hat sich das afghanische Volk verbündet." 
Eine eigenartige Wirkung hat die Verkündung des Hei 
ligen Krieges auch in der russischen Armee gehabt. So 
meldete die „Nowa Reform«", daß die russische Heeres 
leitung, als die Nachricht eintraf, die Türkei habe Ruß 
land den Krieg erklärt, einen Armeebefehl erließ, in dem 
es unter anderem hieß, daß die Mohammedaner den Heiligen 
Krieg verkündet haben und alle Christen auf der Welt ver-
	        
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