Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

162 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Pbot. A. Grohs, Berlin. 
Türkische Infanterie vor den? Palaste des Sultans, fertig zum Abmarsch nach dem 
Kriegschauplatz. 
die Angreifer verfolgten die Russen in der Richtung auf 
Urmia. 
Um dieselbe Zeit erfuhr man, daß der persische Kurden 
führer Jlhani, den die Russen seit langem zu gewinnen 
trachteten, nach dem Einzuge der türkischen Truppen in 
Saud-Bulagh mit seinem ganzen Stamme, ungefähr 
10 000 Mann, zur ottomanischen Armee übergegangen sei, 
um gegen die Russen zu kämpfen. Bei Sarai, einem Orte 
im russischen Gouvernement Rjchan, hatten sich am 14. De 
zember Kämpfe um die russische Stellung entwickelt, die 
am 15. dazu führten, daß die Türken diese Stellung er 
oberten und in Sarai einrückten. Die Russen versuchten 
nun, auf dem linken Ufer des Tschuruk vorzugehen, wurden 
aber auch hier von den Türken nach fünfstündigem Kampfe 
vertrieben. 
Richt besser erging es ihnen bei Id, wo sie die türkische 
Grenze überschritten hatten. Sie wurden hier und bei Olty 
zurückgeschlagen und genötigt, ihre Stellungen fluchtartig 
zu räumen. Dem Sieg über die Russen bei Olty und Id 
wurde in Konstantinopel die größte Bedeutung beigemessen. 
Mit diesem Sieg war der ganze rechte Flügel der russi 
schen Kaukasusarmee von Batum bis Id über die Grenze 
geworfen. Infolgedessen begann auch schon der Rückzug des 
russischen Zentrums, dessen Verbindungen durch die Be 
setzung von Id bedroht waren. Die Russen waren genötigt, 
sich hier auf Sank am Jsch, der letzten Station der Eisen 
bahn nach Kars, zurückzuziehen. 
Auch die türkische Flotte war unterdes nicht untätig ge 
blieben. Bereits am 18. November war sie ausgelaufen, um 
die russische Flotte aus ihren Verstecken zu locken. Sie traf 
diese auf der Höhe von Sewastopol. In dem 
Kampf, der sich entwickelte, wurde ein rus 
sisches Schlachtschiff ernstlich beschädigt. Die 
übrigen russischen Kriegschiffe ergriffen, von 
den türkischen verfolgt, die Flucht. 
Am 20. November bombardierte der Kreu 
zer „Hamidie" die russischen Petroleumdepots 
und zerstörte die Station für drahtlose Tele 
graphie in Tuapse, einem Ort in der Nähe von 
Noworossijsk. Wie Noworossijsk beschossen 
wurde, erfahren wir aus einem uns freund 
lichst zur Verfügung gestellten Kriegstagebuch, 
in dem es heißt: 
K., den 3. Dez. 1914. 
Teuerste Mutter! 
Heute lasse ich einen kleinen Auszug meines 
Kriegstagebuches folgen, der Dir die Be 
schießung von Noworossijsk schildert. Es ist 
uns jetzt amtlich erlaubt worden, darüber zu 
sprechen. 
Nach pünktlicher Erledigung eines Auftrags 
dampfen wir mit 18 Seemeilen Fahrt nach 
Noworossijsk, wo wir den Russen zum zweiten 
Frühstück unsere Granatäpfel präsentieren 
sollen. Auf der Fahrt gehen heftige Regen 
böen nieder, so daß zeitweise das Land auf 
kurze Dauer außer Sicht kommt, und so nähern 
wir uns, selbst teilweise von strömendem 
Regen verhüllt, unheilbringend der Stadt. 
Als wir dann gegen ein viertel elf Uhr in 
die Bucht von Noworossijsk einfahren, klart 
der Himmel auf. Einzelne Sonnenstrahlen 
huschen über die Stadt, die jetzt noch, fried 
lich von hohen Bergen umgeben, sich in ihrer 
bunten Farbenpracht vor unseren Blicken 
entrollt. Ein anderer kleiner türkischer Kreu 
zer, der vorausgesandt war, um, wenn 
möglich, Kohlendampfer aus dem Hafen zu 
holen, meldet, daß nur russische Dampfer im 
Hafen liegen, mit Ausnahme der größten, 
eines Holländers und eines Engländers, zu 
sammen an einem Pier. Glück im Unglück 
für den letzteren. Denn so können wir ihm 
nicht den Todesgruß senden, ohne den neu 
tralen Holländer zu beschädigen. Der andere 
Kreuzer nimmt das Fort unter Feuer, des 
fluchtartig verlassen wird, und vernichtet die 
Funkenstation. 
Kurz vor elf Uhr drehen wir in der Nähe 
der Mole bei und eröffnen unserseits das Feuer. 
Ein etwas abgesonderter großer, weißer Petroleumtank wird 
zum Einschießen ausersehen. — „Zielwechsel". — Kurz 
nach dem Aufblitzen des Schusses an Bord ein kleines Wölk 
chen an Land, und aus der Mitte des Zieles sieht man 
deutlich einen dicken weißen Strahl hervorschießen. Der 
Tank läuft aus. Der erste Volltreffer. Nun greift auf 
Befehl auch das zweite und dritte Geschütz der Steuer 
bordseite mit ein, und erbarmungslos sausen die Geschosse 
in die großen Behälter. 
Jeder Schuß ein Treffer! Eine mächtige Explosion er 
folgt, und man sieht deutlich weiße Teile des Behälters in 
die Luft geschleudert und zurückfallen. Wieder ertönt es: 
„Zielwechsel rechts" — und dicke Feuergarben, unter 
mischt mit schwarzem Rauch, lassen die Wirkung unserer 
Granaten erkennen. Wer je den Vesuv in Natur oder auf 
Bildern in Tätigkeit gesehen hat, findet hier ein würdiges 
Gegenstück, das in seiner grausamen Schönheit jenen An 
blick noch bei weitem übertreffen mag. Und während Ver 
nichtung und Tod an Land wüten, späht man hier an Bord 
nach neuen Zielen. Andere Tanke und Schuppen, dann 
die im Hafen liegenden Schiffe, eins nach dem anderen, 
kommen an die Reihe. Bald züngeln da und dort die 
Flammen empor, und-der dicke, schwarze Rauch zieht über 
die Stadt, um sich hoch oben zu einer mächtigen, schweren, 
tiefschwarzen Wolke zusammenzuballen. 
Wir haben längst gedreht, und die Backbordgeschütze 
haben ihre Brüder auf der anderen Seite abgelöst. Eine 
schneeweiße Wolke bezeichnet die Explosion in einer Kessel 
anlage, in der vor Stunden vielleicht noch Menschen eifrig 
geschafft haben. Vereinzelt sieht man solche zu Fuß und zu
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.