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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
eine einzige deutsche, und die war nachdem
Völkerrecht bereits durch die automatische
Verrieglung unschädlich, während die
neutralen Seefahrer von den englischen,
französischen und russischen zu ihrem Leid
wesen gerade das Gegenteil erfahren
mutzten.
Die Gewehre der
europäischen Machte^).
3. Von Dreyse über Mauser zu Mann
licher.
Von Major a. D. Schmäht.
(Hierzu die beiden Zeichnungen Seite 160.)
Das Zündnadelgewehr von Dreyse
hatte, wie wir sahen, drei grotze Fort
schritte gebracht: Hinterladung, Einheits
patrone — das heißt Geschoß, Pulver
und Zündmittel vereinigt — und sichere
Eeschotzführung. Die letztere war eigen
artig und glich weder einer vorhergehen
den noch einer neueren: das „Langblei"
(b), dem man die sozusagen organische
Entwicklungsstufe von der Kugel zum
heutigen Spitzgeschotz ansieht, kam mit
der gezogenen Laufseele gar nicht in Be
rührung. Es saß in einem aus gepreß
tem Papier hergestellten „Spiegel" (c).
Dieser war durch die „Pression" gezwun
gen, der Drehung der Züge zu folgen,
und nahm das fest von ihm umschlossene
Langblei mit in die Drehung. Außer
halb der Mündung fiel er zu Bodens
das Langblei aber behielt seine Drehung
um die Längsachse bei.
Von 1841 bis 1871 machte das Gewehr
eine ganze Reihe von Verbesserungen
durch, die'in der Patrone und dem
Visier gipfelten. Die verbesserte Patrone
(B) zeigt ein leichteres, schlankeres Ge
schoß, das so eine Anfangsgeschwindig
keit von 341 Meter, statt der bisherigen
285 Meter, bekam und einen besseren
Easabschluß durch eine geölte Tuchein
lage im doppelten Boden (k) der Pa
pierhülse.
Während für die kurzen Schußweiten
des glatten Vorderladers bei dem da
maligen Massenfeuer einfach der „wag
rechte Anschlag" ohne Visiereinrichtung
genügt hatte, mußte der größeren Trag
weite und Treffgenauigkeit nunmehr durch
*) Siehe auch unsere Aufsähe S. 20 u. 99.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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Die Mine im modernen Seekrieg, seiner Originalzsichnung von G. Martin.
1. Das englische Minenschiff „Jphigenia" beim Legen von Treibminen. 2. Die deren Minenleger „Nautilus", „Albatros" und „Pelikan". 3. Die Sperrminenanlage.
Deutsches Unterseeboot.
verschieden hohe Visiere Rechnung ge
tragen werden. Da das Korn auf
der Mündung immer gleich hoch bleibt,
wird der Höhenwinkel, den die Seelen
achse der Waffe zu der Visierlinie bil
det, um so größer, je höher die Visier
kimme kommt. Unter Visierlinie versteht
man die gerade Linie vom Auge des
Schützen über die Kimme — den drei
eckigen Ausschnitt im Visier — und die
Kornspitze nach dem Ziel. Diese Linie zu
bilden, nennt man zielen. Je größer
der genannte Winkel wird, desto weiter
geht der Schuß. Das Visier des Zünd
nadelgewehrs ist sehr einfach: bis
350 Schritt blieb die kleine Klappe (b)
rückwärts und die große Klappe (c)
vorwärts liegen. In unserem Bilde
ist o hochgeklappt, wie es zum Schießen
über 550 Schritt nötig war. Richt
so einfach war der Gebrauch für den
Schützen, weil für die Zwischenent
fernungen verschiedene Haltepunkte
der Kimmen auf vier brachte, eine voll
befriedigende Lösung aber erst dem Rtcht-
bogenvisier des Gewehrs 98 mit nur
einer Kimme und völlig freier Übersicht
verdankt wurde.
Das Gewehr 71 zeigt den Vorteil,
daß sich beim Öffnen die Schlagfeder von
selbst spannt. Das Geschoß, gleich dem
des Chassepot 11 Millimeter stark und
walzenförmig mit rundem Kopf, über
nimmt die Führung selbst, ohne Spiegel.
Den größten Fortschritt aber brachte
die schon im nordamerikanischen Kriege
(1861—1865) entstandene Metallpatrone.
Sie ist das Ei des Kolumbus, denn die
schwierige Aufgabe, einen gasdichten Ge
wehrverschluß herzustellen, wird über
flüssig dadurch, daß die Patrone eine
gasdichte Hülse aus Messing bekommt.
Damit wurde gleichzeitig unter anderem,
die Aufbewahrung und Verpackung sowie
das Laden sicherer. Die kleinere Seelen
weite bewirkte durch Leichterwerden des
Geschosses eine größere.Anfangsgeschwin
digkeit (430 Meter) mit all ihren schon
erwähnten Folgeerscheinungen, besonders
der flacheren Flugbahn mit ihrer größeren
Treffwahrscheinlichkeit. Die Zahl der
gezielten Schüsse in der Minute stieg
auf zwölf gegenüber fünf bei M/41.
Das Gewicht des Gewehrs sank von
5 Kilogramm auf 4,5 Kilogramm, kurz,
das Gewehr war vorzüglich für seine
Zeit. In der Anfangsgeschwindigkeit
hatte es das Chassepot (420 Meter) zwar
nur wenig, in allen übrigen Beziehungen
aber weit überholt.
Auch die übrigen Staaten, die zum
Teil nach den Schnelligkeitsleistungen
des Zündnadelgewehrs im Feldzuge 1866
rasch ihre Vorderlader nach dem Klappen
system in Hinterlader umgewandelt hat
ten, ebenfalls mit der Metallpatrone, im
Gegensatz zum Chassepot, das die Pa
pierpatrone beibehalten hatte, bewaffneten
fast alle ihr Fußvolk in den Jahren vor
und nach 1870 neu. So entstanden in
Österreich das Werndl 67, in Bayern
Werder 69, Italien Vetterli 70, Eng
land Henry-Martini 71, Niederlande
Beaumont 71, Rußland Berdan71. Frank
reich folgte mit dem Grasgewehr 74, das
dem deutschen 71 ähnlich war.
Aber bald wollte man für entscheidende
Augenblicke noch rascher.feuern können
und griff dazu auf den uralten Gedanken
genommen werden mußten. Auch war
das Zielen durch die beiden Schlitze vi
und 62 nicht so leicht.
Hatten schon die erwähnten fort
gesetzten Verbesserungen des Zünd
nadelgewehrs eine Schieberklappe bis
zu 1200 Meter gebracht, so zeigt das
Visier des Mausergewehrs, das als
M/71 im Jahre 1872 eingeführt wurde,
uui nicht von den Nachbarstaaten über
holt zu werden, eine Ausdehnung bis
zu 1600 Meter, damit aber auch den
Höhepunkt der Unbequemlichkeit für
den Schützen, für den einschließlich
Standvisier und kleiner Klappe sechs
Visierkimmen zur Auswahl standen,
davon drei in Schlitzen mit sehr be
schränktem Gesichtsfeld. Wir verlassen
diese Betrachtung der Visiere end
gültig mit dem vorausgreifenden Hin
weise darauf, daß das Gewehr 88, trotz
der Ausdehnung auf 2050 Meter, eine
Vereinfachung durch Verminderung
Ein Torpedo verläßt das Ausstoßrohr.
Phot. Gebr. Haeckel, Berlin.