Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Photoglob, Zürich, 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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im Oberelsas;, in den Tälern des Unterelsaß, in Lothringen, 
in so gleichförmiger Weise wiederholt, daß man aus ein 
wohlüberlegtes, lange vor der Mobilmachung geplantes 
Vorgehen Frankreichs schließen muß. In den Händen der 
französischen Truppen und ihrer Befehlshaber müssen ge 
naue Verzeichnisse über die deutscher Gesinnung verdächtigen 
Elsässer und Lothringer gewesen sein, Verzeichnisse, die 
aus den ersten Wochen des Jahres 1914, wenn nicht aus 
noch weiter zurückliegender Zeit stammen; das wird durch 
die Tatsache belegt, daß in einzelnen Fällen Erkundigungen 
nach Beamten angestellt worden sind, die seit Monaten 
nach einem anderen Dienstort versetzt waren. 
Nach den Verrätern, die für den längst erwarteten 
Krieg gegen Deutschland solche Listen anfertigten und an 
Frankreich abgaben, brauchte nicht lange gesucht zu werden, 
sie sind inzwischen gur Genüge bekannt geworden. An den 
Tränen und der Not der weggeschleppten Geiseln und 
derer daheim sind diese Verräter schuld, die kurz vor der 
Aus M. nahmen sie den Notar mit Frau und Kind mit. 
Die Frau schrieb vor kurzem, daß sie nicht vasse, ob sie je 
wiederkehren würde; die furchtbaren körperlichen und see 
lischen Qualen rieben sie auf. Eins nur wisse sie: ihr Kind 
würden sie nicht wiederbringen; das läge in französischer 
Erde begraben. Von einem Beamten aus Lothringen ist 
bekannt, daß er trotz eines schweren Leidens, das feit 
Jahren an seiner Kraft zehrt, abgeführt wurde, daß er 
tagelang durch die Augusthitze und den Sommerstaub zu 
marschieren gezwungen war. In Beziers, wo er nach langen 
Irrfahrten endlich festgesetzt wurde, bestrafte man ihn mit 
vierzehn Tagen schwerer Haft, weil er gewagt hatte, ohne 
Begleitung zur Kantine zu gehen. Ein verhaftetes und in 
zwischen wieder freigelassenes Dienstmädchen bekundete 
mir, daß das Haar jenes Beamten ergraut sei und daß 
er, ein Mann Mitte der Dreißiger, den Eindruck eines ge 
brochenen Greises mache. 
Von Beziers sah ich Ansichtskarten von dem Amphi- 
Der Markt in Barmouth. 
Mobilmachung über die Schweiz nach Frankreich flüchteten 
und heute entweder im französischen Heere dienen oder 
in schwülstigen Zeitungsartikeln Deutschland beschimpfen. 
Wo man eines altdeutschen Beamten noch habhaft 
werden konnte, wurde er gefangen weggeführt. Der Post 
meister in Rirheim, Beamte aus Markirch, der Bürger 
meister der Stadt Mülhausen, ein Notar aus Masmünster, 
ein Amtsrichter, ein Rentamtmann aus Chateau-Salins 
gehören unter diese altdeutschen Beamten, die ohne Verhör 
und Anklage verschleppt und mit Hunderten von Männern 
und Frauen festgesetzt worden sind. Aber auch einhei 
mische Elsässer aus altelsässifchen Familien wurden nicht 
verschont. Es genügte die Tatsache, daß sie sich irgend 
einmal bei einem der feigen Verräter unliebsam gemacht 
hatten. Uns sind Fälle bekannt, die das zur Genüge be 
legen; es sind Männer und Frauen als verdächtig abgeführt 
worden, die kaum die deutsche Sprache beherrschten und 
deren einziges Verbrechen darin bestand, daß sie sich nicht 
in deutschfeindlichem Sinne betätigt haben. 
Aus S., einem Städtchen nahe der Grenze, nahmen die 
Franzosen vierzehn Frauen und siebzehn Kinder gefangen. 
II. Band. 
theater, in dem die Stierkämpfe stattfinden und das den 
Festgenommenen als Gefängnis dient: in den Stierställen, 
auf Stroh, das auf dem Steinboden aufgeschüttet ist, 
schlafen die unschuldigen Männer, Frauen und Mädchen. 
Es bleibt ein Schandmal auf der Ehre der französischen 
Nation für alle Zeiten, daß Frankreich gegen das Völker 
recht sich an Müttern vergriff, die Kinder an ihrer Brust 
hielten, an Greisen, die still die Furchtbarkeit eines Krieges 
zu ertragen bereit gewesen sind, an Männern, die nur eine 
einzige Schuld hatten: ihrem angestammten deutschen 
Vaterlande die Treue zu halten. Und daß das „große 
Frankreich" sich in diese Schande durch ein paar Feiglinge 
hineinhetzen ließ, die nur eben noch den Strick wert sind, 
an dem sie die feige Tat vieler Jahre, den unter dem 
Deckmantel der Loyalität geübten Landesverrat, büßen 
sollten. 
Eine Frucht aber hat wohl das Wüten der französischen 
Armee gegen unschuldige Männer, Frauen und Kinder 
gezeitigt: weite elsässische Kreise sind von dem Wahn ge 
heilt, als ob jenseits der Vogesen eine „große Nation" 
wohne. 
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