Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
Professor Thomas 
Präsident der tschechoslowa 
publik. 
Die Regierung L a m nt a f cf) (siehe Bild Seite 298) 
machte zur Erläuterung dieser auffallenden Bestimmungen 
des Waffenstillstandsvertrages bekannt, datz die Abmachun 
gen von den feindlichen Heeren nicht zu einem Angriff auf 
Deutschland ausgenutzt werden dürften. Das war nichts 
anderes als eine irreführende Bemäntelung der Tatsache, 
daß die Regierung Lammasch, die für den Waffenstillstand 
verantwortlich war, zu der Schändung alten deutschen 
Landes durch die erobe 
rungsgierigen Italiener auch 
noch die Schmach der Mit 
hilfe an der Niederwerfung 
Deutschlands fügte, des 
Kampfgefährten, der mit 
seiner nimmermüden Auf- 
opferungsbereitschaftdieDo- 
naumonarchie in den bis 
dahin schwersten Stunden 
ihres Daseins vor dem 
feindlichen Einfall bewahrt 
hatte. 
Die zu einem Angriff 
auf Deutschland erforder 
lichen Geschützmassen sicher 
ten sich die Feinde durch 
Forderung der Hälfte des 
gesamten Artilleriegerätes 
— hauptsächlich schwerer Ge 
schütze — des österreichisch 
ungarischen Heeres. Ein an 
derer Punkt des Vertrages 
bestimmte, daß nur noch 
zwanzig Divisionen in Frie 
denstürke in ganz Österreich-Ungarn unter Waffen gehalten 
werden dürften. Die Gefangenen mutzten sofort heraus 
gegeben werden, wogegen die gefangenen Österreicher und 
Ungarn noch zurückbehalten wurden. 
Ebenso schwer waren die Waffenstillstandsbedingungen 
für die Seestreitkrüfte. Italien verlangte die Hergäbe von 
15 bl-Booten aus den Jahren 1910 bis 1918, sämtlicher 
deutschen 17-Boote in österreichisch-ungarischen Gewässern, 
Übergabe von drei Schlachtschiffen, drei leichten Kreuzern, 
neun Torpedobootzerstörern, einem Minenleger, sechs 
Donaumonitoren mit Bemannung, Ausrüstung und Ver 
pflegung. Sämtliche Seebefestigungen und der Kriegshafen 
Pola (siehe Bild 
Seite 299) sollten 
vom Feinde besetzt 
und die Luftstreit 
kräfte in einem von 
ihm bestimmten 
und überwachten 
Hafenplatz ver 
einigt werden. Die 
Blockade wurde in 
vollem Umfange 
aufrecht erhalten. 
Das war da 
Ergebnis der Frie 
denspolitik des 
Kaisers Karl. Er 
verlor Reiche und 
Kronen und zwang 
seine ehemaligen 
Länder, sich einem 
Gewaltfrieden 
schlimmster Art zu 
beugen. Der for 
mellen Verant 
wortung für dieses 
Ende mit Schrecken 
entzog sich Kaiser 
der tschechoslowakische Minister 
präsident. 
'Ucujur uiiv fcuuyet ui 
Karl, indem er den Oberbefehl über die Armee niederlegte; 
andernfalls hätte er die Waffenstillstandsurkunde mit seinem 
Namen zeichnen müssen. Er überliefe es dem General v. Arz 
(siehe Bild in Band HI Seite 248), dem Sieger von Brest- 
Litowsk, das Schriftstück zu unterschreiben. 
In D e u t s ch - O st e r r e i ch empfand man das Be 
schämende der Waffenstillstandsbedingungen am meisten. 
Die Hoffnung, datz wenigstens dieses Land zum Deutschen 
Reiche stehen würde, schwand aber bald. Der Vorstand des 
neuen deutschösterreichischen Staatsrates erklärte bereits am 
3. November: „Deutsch-Österreich hat keine eigene Armee. 
Seine Truppenkörper sind Verbänden zugeteilt, deren 
slawisch-magyarische Mehrheit nicht mehr kämpfen will. 
Daher ist Deutsch-Österreich nicht imstande, den Kampf 
allein fortzusetzen. Aber wenn auch Deutsch-Österreich den 
Kamvf an der Seite des Deutschen Reiches nicht fort 
setzen kann, steht es doch 
nach wie vor in treuer 
Freundschaft zu dem Deut 
schen Reiche und will die' 
Friedensvrrhandlungen im 
engsten Einvernehmen mit 
denr Deutschen Reiche füh 
ren. Es hält die Hoffnung 
fest, datz aus dem Zusam 
menbruch Österreich - Un 
garns eine staatliche Ord 
nung hervorgehen wird, die 
eine lange und dauernde 
Gemeinschaft zwischen dem 
Deutschen Reiche und 
Deutsch-Österreich begrün 
den wird." 
Deutschland war des 
halb darauf angewiesen, sich 
selbst zu helfen, wenn es 
den in Aussicht stehenden 
Angriff auf seine südliche 
Grenze (siehe die Kunst 
beilage) abwehren wollte. 
Infolgedessen überschritten 
deutsche Truppen am 7. November die Tiroler Grenze. Es 
galt, die Brenner- und die Tauernbahn, die militärisch 
wichtigen Linien aus dem Süden, zu gewinnen und in ihrer 
Besetzung dem Feinde zuvorzukommen. Die Behörden Tirols 
erhoben zwar Widerspruch, fanden sich aber mit den Tat 
sachen ab, weil die Deutschen als Freunde nahten, ver 
meidbare Zwangsmaßnahmen unterließen und den Tirolern 
überdies gar nicht ungelegen kamen. Denn schvn erschienen 
vom italienischen Kriegschauplatz die Haufen heimkehrender 
Krieger, die zum Teil, mangels geregelter Verpflegung, auf 
den Nahrungsmittelraub ausgingen, wobei sie gelegentlich 
auch vor einem Mord nicht zurückschreckten. Diesem Trei 
ben konnten die 
deutschen Truppen 
entgegenwirken, 
die deNr Alpen 
korps angehörten 
und unter der Füh 
rung des Generals 
Krafft v. Delmen- 
singen (siehe Bild in 
Band V Seite 326) 
standen. Sie durch 
eilten in kurzerZeit 
Nordtirol und be 
setzten die wichtige 
Franzensfeste 
(siehe Bild Seite 
305). 
ZudenWaffen- 
stillstandsbedin- 
gungen gehörte 
auch, datz die deut 
schen Truppen Un 
garn binnen vier 
zehn Tagen zu ver 
lassen hätten, wid 
rigenfalls sie ent 
waffnet und fest 
gesetzt werden sollten. Zur Erfüllung dieser Bedingungen 
hätte Ungarn reichliche Transportmittel zur Verfügung 
stellen müssen. Es litt aber selbst Mangel an Verkehrs 
mitteln und war infolge des Aufstandes auch gar nicht 
in der Lage, für eine ordnungsmäßige Abwicklung dieser 
Aufgabe die Verantwortung zu übernehmen. Daraus 
mutzten den Deutschen Schwierigkeiten erwachsen, weil 
sich auch der Rückmarsch der Armee Mackensen aus Rumä-
	        
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