Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/18 
(Fortsetzung.) 
In einer Betrachtung über die militärische Lage an der 
Westfront schrieben die „Times" am 2. Juli 1918: „Die 
heutige Gruppierung der deutschen Heere ermöglicht es dem 
Feinde, auf jedem Punkte zwischen Reims und dermKanal 
und selbst auch anderswo anzugreifen. Alle Sachverständigen 
sind darüber einig, daß die Schlacht bald kommen wird, 
aber die Verbündeten sind unbesorgt." Diese scheinbare 
Sorglosigkeit entsprach einer von der Regierung aus 
gegebenen^ Anweisung, im Hinblick auf die kommenden 
schweren Stunden der Bevölkerung neuen Mut zu machen. 
Das taten sogar die in Paris und London ansässigen neutralen 
Zeitungsberichterstatter, von denen einer in einem großen 
schweizerischen Blatte ausführte: „Auf besorgte Tage sind 
sonnigere gefolgt, und wer heute die Lage in Frankreich 
überblickt, wird finden, daß der kritische Punkt überwunden 
ist und daß die Zukunft zu den besten Hoffnungen berechtigt. 
... Es können wieder ungünstigere Zeitabschnitte folgen, 
aber man hat die feste Überzeugung, daß der Tiefpunkt 
überschritten ist und daß es bergauf geht." Diese Schön 
färberei stand in grellem Gegensatz zu dem Bilde, das ein 
holländischer Berichterstatter von der französischen Haupt 
stadt entwarf. Er schrieb: „Die Abwanderung aus Paris 
wächst lawinenartig. Die Abschiedsvorgänge auf den 
Bahnhöfen, der Sturm der Massen auf die Züge, die Flucht 
der Tausende von Fußgängern auf den Landstraßen, das 
wilde Dahinjagen der Kraft- und Lastwagen, die das Bild 
des großen Auszuges vervollständigen, das alles gibt den 
Eindruck, als stünde der Feind schon vor den Toren. Hätten 
die Regierung und die Gesandtschaften nicht Vorbereitungen 
für den Wegzug getroffen, so würde sich auch die Bevölke 
rung ruhiger verhalten haben. Jetzt aber denkt alles nur 
an die Rettung des Lebens und setzt nur zu oft die schönsten 
Schätze seines Heims völliger Ungewißheit aus. Keine 
Feder könnte die Zustände in Paris beschreiben^ Die Ar 
beitslosigkeit wird von Tag zu.Tag größer, weil viele Ge 
schäfte ihren Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten konnten. 
Es macht einen unsagbar traurigen Eindruck, wenn mau 
sieht, wie ganze Straßenzüge oft kaum einen einzigen ge 
öffneten Laden aufweisen. Viele Besitzer haben die Schau 
fenster verrammelt, die Toreingänge verbarrikadiert. Das 
gibt der Stadt inmitten der Sommerpracht einen unheim 
lich düsteren Anblick." 
Diesem Beurteiler gaben die tatsächlichen Verhältnisse 
vollkommen recht. Auch Franzosen hatten sich den Blick 
nicht trüben lassen. So bekannte de Civrieur, der militä 
rische Mitarbeiter der Pariser Hetzzeitung „Matin", frei 
mütig: „Die deutsche Heeresleitung hat sich weder auf die 
Eroberung von Paris, noch auf den Gewinn von Calais 
festgelegt, sondern hat schlechthin die Vernichtung der feind 
lichen Heere im Auge," womit er zweifellos das Richtige traf. 
Die riesigen Einbußen an Mannschaften und Material 
(siehe auch Bild Seite 18), die die Feinde, wie schon erwähnt, 
in der letzten Zeit erlitten hatten, erfuhren durch fortwährende 
Gegenstöße, die Engländer und Franzosen in der ersten Juli 
woche zwischen Pser und Marne' und südlich vom Ourcq unter 
nahmen, eine wesentliche Steigerung. Einigen dieser Gegen 
angriffe war ein ebenso klägliches Ende beschieden,wie jenem, 
den die Franzosen am Ricquebourgrücken ausführten (siehe 
Bild Seite 20/21). Nach der Eroberung dieses Rückens durch 
die Deutschen flüchteten die Franzosen in den Wald, wo sie 
in so starkes Verfolgungsfeuer deutscher Artillerie gerieten, 
daß ihnen der Rückweg abgeschnitten wurde und die Flie 
henden fast alle der Vernichtung anheimfielen. Auf dem 
ganzen Bergkamm lagen tote französische Pferde und ver 
lassene Munitionswagen, daneben tote Feinde, die durch 
den Luftdruck, den die berstenden Granaten erzeugt hatten, 
zur Seite geschleudert worden waren. 
Glücklich für die Deutschen verlief auch am Hartmanns 
weilerkopf ein Vorstoß ihrer Truppen, der ihnen Gefangene 
einbrachte. Nördlich von Albert wurden die Engländer 
blutig abgewiesen. Am 30. Juni gingen die Franzosen 
nach kraftvoller Feuervorbereitung bei St. Pierre-Aigle 
Aus den Verfolgungskärnpfen an der Aisne. 
Nach einer Originalzeichnung von dem Kriegsteilnehmer Leutnant d. R. Willy Müller, Gera.
	        
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