Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
auch nach dem Kriege in der Übergangszeit wird ein solcher 
Ausgleich von oben und von außen her nicht sogleich ver 
schwinden dürfen. Aber sobald wie möglich werden wir 
auf diesem Gebiet, wie auf so manchem anderen, doch zur 
alten Freiheit des Übereinkommens und Vertrags zurück 
kehren müssen und wollen. Durch das freie Spiel der Kräfte 
wird sich die Sache gewiß rasch, wenn auch nicht ohne blei 
bende Verteuerung regeln. 
Und so kann man in der Frage, ob später wieder Freiheit 
oder immer noch Zwangswirtschaft gelten soll, schließlich 
den Ergebnissen einer Broschüre über „Die Wohnungs 
versorgung nach dem Kriege" zustimmen, deren Verfasser 
Georg Haberland seine Ausführungen dahin zusammenfaßt: 
„Die einzige wirksame, zweckmäßige und billigste Maßnahme 
zur Vermeidung jeder Wohnungsnot ist die Herstellung 
endgültiger Bauten. Die Möglichkeit, die dazu notwendigen 
Materialien zu beschaffen, ist vorhanden. Man vermeide 
für ihre Beschaffung die Zwangswirtschaft, zu der die Er 
fahrungen auf anderen Gebieten (ich würde sagen: nicht 
durchweg) ermutigen. Die Befriedigung des Wohnungs- 
bedürfnisses erfolgt am besten durch die (ich würde sagen: 
nröglichst) freie Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte. 
Je schneller diese einsetzt, desto früher werden wir zu befrie 
digenden Verhältnissen gelangen." Hinzuzufügen wäre 
dem nur noch die Mahnung, daß Staat und Gemeinden 
nicht sparen mögen mit Beihilfen, sei es durch Verbilligung 
von Bauplätzen und Baumaterialien, sei es durch direfte 
Gewährung von Geldzuschüssen für Baugesellschaften und 
private Bauunternehmer; und daß sie sich dadurch eine 
Handhabe verschaffen mögen zrw Verbesserung der Bau 
weise in gesundheitlicher, sittlicher und womöglich auch in 
ästhetischer Beziehung! 
Der Kampf um die Grappahöhen. 
Von Kriegsberichterstatter Walter Oertel. 
(Hierzu das Bild Seite 124)125.) 
Zwischen Brenta und Piave, hart am Rande der ober- 
italienischen Tiefebene, ragt als letzter Bergwall eine Ge 
birgskette auf, deren Mittelpunft der 1779 Meter hohe 
Monte Grappa bildet. Wie ein großes Sperrfort sich er 
hebend, bildet dieses trotzige Gebirgsmassiv den Schlüssel 
der ganzen Gebirgsfront zwischen Brenta und Piave. 
Im Osten durch den Monte Pallone, im Westen durch den 
Monte Cornosega gedeckt, steht man an diesem Abschnitt 
der Kampffront einer äußerst schwer zu bezwingenden 
Stellung gegenüber. 
Schon vor dem Beginn der großen deutsch-öster 
reichisch-ungarischen Offensive hatten die Italiener diesen 
letzten Höhenzug, der dem Angreifer den Austritt in 
die oberitalienische Tiefebene sperrte, mit allen Mitteln 
der modernen Befestigungskunst ausgebaut und diese 
festungsartige Ausstattung noch wesentlich verstärkt, als 
sie auf diese Kampflinie zurückgeworfen wurden, um die 
nun ein heißes Ringen begann. In schweren Kämpfen 
wurde der nördlich vom Grappamassiv gelegene Monte 
Prassolan erstürmt und endlich nach erbittertem Kampfe 
auch die letzte nördliche Vorhöhe des Erappamassivs, der 
Monte Pertica, im Sturm den sich zäh wehrenden italieni 
schen Gebirgstruppen entrissen. Gleichzeitig gingen andere 
österreichisch-ungarische Heeresteile von Nordosten und Osten 
gegen die Grappahöhe vor und nahmen den Monte Spi- 
nuccia, sowie dann auch den Osthang des Monte Tomba, 
wodurch der Monte Pallone» das Äußenwerk des Monte 
Grappa nach Osten, von zwei Seiten umklammert wurde. 
Auf diese Weise erschien die Lage der gesamten Gebirgsfront 
zwischen Brenta und Piave auf das äußerste gefährdet, und 
es ist daher ohne weiteres zu verstehen, daß die Italiener 
alles aufboten, um sich aus dieser unheilvollen Verstrickung 
zu lösen und den Gegner aus der unmittelbaren Nähe des 
Grappamassivs zurückzuwerfen. 
Frische Divisionen wurden herbeigeführt und in der 
Front Monte Äsolone—Monte Pertica und Monte Spi- 
nuccia ein gewaltiger Vorstoß eingeleitet, um dieses Ziel 
zu erreichen. Nachdem eine mächtige zu diesem Zwecke 
Zusammengezogene Artilleriegruppe den Vorstoß durch 
wütendes Trommelfeuer eingeleitet hatte, brachen die 
Italiener zum Sturme vor. Doch kaum hatten die italie 
nischen Bataillone die 
deckenden Gräben verlas 
sen, brach ein wahrer 
Feuerorkan über sie her 
ein. In dem Hagel de^ 
schweren Eisengeschosse 
der österreichisch - unga 
rischen Artillerie, deren 
Granaten auf dem har 
ten Felsboden mit be 
sonders guter Wirkung 
platzten, in dem Streu 
feuer der Schrapnelle flo 
gen die vorstürmenden 
Brigaden in Fetzen aus 
einander, Maschinenge 
wehre hämmerten aus 
Granattrichtern, hinter 
Felsblöcken und Graten 
hervor, und das wohlge 
zielte Feuer der Mann 
lichergewehre riß tiefe 
Furchen in die vorfluten 
den Angriffstaffeln. Un 
ter großen Verlusten brach 
der erste Angriff zusam 
men. Aber die Italiener 
ließen nicht nach. Immer neue Bataillone stürzten sich in 
den Kampf. Tagelang dauerten diese wilden Stürme, dann 
sahen die Italiener ein, daß hier nicht vorwärts zu kom 
men war und stellten dieses nutzlose Anrennen ein. 
Die nächsten Monate verliefen ruhig im Grappagebiet. 
Die Österreicher und Ungarn verzichteten darauf, gegen 
diese starke Stellung frontal Sturm zu laufen, da ein 
Erfolg hierdurch äußerst fraglich war. Es schien vorteil 
hafter zu sein, sie durch Flankenstoß an anderer Stelle aus 
zumanövrieren und so den Gegner zu ihrer Aufgabe zu 
veranlassen. Die Italiener aber hatten von den ersten An 
griffen genug und begnügten sich damit, die Stellungen 
weiter auszubauen. So war bis auf kleine Scharmützel 
kecker Patrouillen und Stoßtruppen alles ruhig, bis der 
Piaveübergang der Österreicher und Ungarn und dann 
deren sich als notwendig ergebender Rückzug auf das öst 
liche Piaveufer neues Leben in die erstarrten Formen des 
Stellungskampfes brachte. Die italienischen Truppen an 
der Gebirgsfront sahen ihre Kameraden an der Piave sieg 
reich, die Heere Habsburgs auf dem Rückzüge. Nun wollten 
sie auch das Ihrige tun, um den verhaßten Gegner weiter 
in das Gebirge hineinzuwerfen. Eine neue große Offen 
sive wurde vorbereitet, und mit brausendem Jubel stießen 
die Italiener gegen die Höhen um den Grappa herum vor, 
die das erste k. u. k. Korps besetzt hielt. 
Aber der Traum von Sieg und Erfolg nahm sehr rasch 
ein Ende. Die Männer vom ersten österreichisch-unga 
rischen Korps fühlten sich keineswegs durch den Fehl-
	        
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