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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18.
Stand der Schlacht Lm Westen zwischen Arras und Reims am 15. August 1918.
V////////////>~\ Das zwischen Marne und Aisne und zwischen Ancre und Oise von
den Deutschen aufgegebene Gebiet.
englischen Truppen verhielten sich am Vormittage des
12. August ruhig, stürmten aber am Nachmittage längs der
beiden alten Römerstraßen Villers-Bretonneur—Foucau-
court und Amiens—Roge wieder mit starken Kräften vor; sie
wurden auch hier abgewiesen, zum Teil im Gegenstoß. Am
schärfsten tobte der Kampf wieder auf dem Frontstück, das
die Franzosen übernommen hatten. Insbesondere Tillo-
loy, Canny und Lassigny waren Brennpunkte der heftigsten
Zusammenstöße, da sich die Deutschen hier, wo es vor allem
gegen Noyon und Roye ging, nicht nur mit der Abwehr
begnügten, sondern unter Äusnutzung ihrer guten Stel
lungen auch häufig erfolgreiche Gegenstöße unternahmen.
Im Morgengrauen hatte die franzö
sische Infanterie bereits unter Ein
setzung mehrerer Divisionen angegrif
fen, und noch am späten Abend waren
schwere Angriffe im Gange. An man
chen Stellen, wie südlich von Tilloloy,
lief sie sogar fünfmal vergeblich gegen
die deutschen Stellungen an.
Die feindlichen Meldungen hoben
in dieser Zeit immer wieder hervor,
daß der Widerstand der Deutschen im
Wachsen begriffen sei und die ge
waltige Bewegungschlacht zum Stehen
komme. Das zeigten auch die nächsten
Tage» die dagegen ein übergreifen der
Offensive auf andere Fronten mit sich
brachten. Meldeten bereits die deut
schen Berichte der vorhergegangenen
Tage von mehrfach wiederholten Teil-
angriffen südlich von dpern, südlich von
Merris und von Vorfeldkämpfen beider
seits des La Bassöe-Kanals und zwi
schen Scarpe und Ancre» so konnte der
deutsche Tagesbericht vom 14. August,
der von einer Teilung der Front in die
Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht (vom Meere bis etwa
zur Somme), Generaloberst v. Boehn (von der Somme bis
zur Aisne) und Deutscher Kronprinz (Fortsetzung der Front
nach Osten und Süden) sprach, das Scheitern der feind
lichen Vorstöße verkünden. Die scharf in den Feind vor
springenden Stellungen bei Puisieur und Beaumont—
Hamel waren bereits in den vorhergegangenen Nächten
geräumt worden; sie wurden erst am Nachmittag des
14. August vom Feinde besetzt.
Die Teilkämpfe an der Schlachtfront waren am 13.
und 14. August zwar stellenweise heftig und führten auch
zu deutschen Gegenangriffen, aber größere Kampfhand
lungen kamen unter der Einwirkung des deutschen Artillerie-
feuers nicht mehr zur Entwicklung, so daß man von einer
Erschöpfungspause reden konnte. Die Hoffnung der Feinde,
daß die deutsche „elastische Verteidigung" sie bis zu der alten
Hindenburglinie bringen würde, mußte zerschellen. Foch
hatte es jedoch ausgesprochen, daß nach Soissons «uch
Noyon wieder französische Besatzung haben müsse. Und
so lebten daher am 16. August die Kämpfe an den Straßen,
die nach Noyon und Roye führten, mit der alten Heftigkeit
wieder auf. Hier setzte der französische Marschall Kanadier
und Franzosen zum Frontalstoß auf Roye ein, die gegen
das Maschinengewehrfeuer der in den grasüberwachsenen
Gräben der Stellungen von 1916 liegenden deutschen Ver
teidiger anrennen mußten. Auch an dieser Stelle sollten
wieder Tanke die Entscheidung bringen. Aber der Nebel,
der am 8. August den Engländern so günstig gewesen war,
blieb diesmal aus, so daß die französischen Panzerwagen
den deutschen Batterien gute Ziele boten. Sie wurden
zusammengeschossen, ehe sie zum Angreifen kamen. Weiter
südlich, gegen Lassigny, brachen nach Artillerievorberei
tung die Angriffswellen der französischen Infanterie sechs
mal vor. Als Frucht aller Opfer blieb lediglich der kahle
Hügel der Attsche-Ferme südlich von Thiescourt in ihrer
Hand. Im übrigen mußten alle ihre Angriffskolonnen
nach zehnstündigem, erbittertem Kampf wieder in ihre Aus
gangstellungen zurückfluten.
Dennoch war dieser Großkampftag nur das blutige Vor
spiel zu einer weit wuchtigeren feindlichen Anstrengung
am 16. August, mit demselben Ziel, aber auf viel breiterer
Grundlage. Diesmal betätigten sich auch kanadische Divi
sionen an den Massenstürmen, wenn auch die Franzosen
wieder die Hauptarbeit zu leisten hatten. Zwischen Chaulnes
und Lassigny tobte die Schlacht, die der Feind durch ständig
frisch herangeführte Streitkräfte für sich zu entscheiden
suchte. Roye sollte unter allen Umständen fallen. Die
tiefgegliederten und außerordentlich verlustreichen feind
lichen Stürme gewannen über Eoyencourt in der Richtung
auf Roye in der Tat zunächst etwas Boden. Allein ein
wuchtiger deutscher Gegenstoß entriß dem Feinde sofort
wieder das Ergebnis seiner Anstrengungen. An der Straße
Amiens—Roye blieben am Abend des heißen Kampf
tages zwar noch einige Eeländestücke in der Hand der An
greifer, allein deutsche Gegenangriffe brachten auch hier
Phot. Presse-Centrale, Berlin.
Hinter den deutschen Linien zusammengeschossener kleiner französischer Sturmwagen.