Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Geltung gebracht. Die Buren nannten sie „die langen 
Toms". Auch jetzt hatten im letzten Augenblick die Eng 
länder die langen Feuerrohre auf den Wällen der Forts von 
Antwerpen aufgestellt, da die Belgier dem Vernehmen nach 
seinerzeit wohl beabsichtigt hatten, Kruppgeschütze zu diesem 
Zweck anzukaufen, wegen eines jetzt leicht zu erklärenden 
Widerstandes aber noch nicht zur Ausführung der Armierung 
gelangt waren, als die Kanonen hätten da sein müssen. 
Bei ihrem vorsichtig-klugen und rechtzeitigen Rückzüge 
sollen die Engländer den größeren Teil dieser Artillerie 
wieder mitgenommen haben, so daß wir in den heftigen 
Stellungskümpfen am Pserabschnitt ihnen wieder begegneten. 
Unser Bild auf Seite 410 zeigt uns die von englischen 
Matrosenartilleristen und belgischen Kanonieren bedienten 
Kanonen im Feuer. Außer großen Schutzschilden für die 
tätige Bedienung sehen wir eine fortlaufende Panzerung, 
die den gesicherten Verkehr von Stück zu Stück gestattet 
und der ruhenden Bemannung, besonders auch nach oben, 
ausgiebigen Schutz bietet. Dieser beschränkt sich übrigens auf 
Schrapnellkugeln, Sprengstücke und Gewehrgeschosse. Voll- 
trefferderdeutschenBelagerungsgeschütze schlagen glatt durch 
und richten, da sie beim Auftreffen springen, in der Panzer 
batterie durch ihre Sprengwirkung je nach ihrem Kaliber 
neueren Geschützen aus Messing bestehen und die Pulver 
ladung samt Zündhütchen aufnehmen, darf man auch 
daraus auf eine veraltete Bauart schließen. Nach 
oben sind die Eeschoßkammern durch einige unordentlich 
hingelegte Sandsäcke mangelhaft gedeckt. Sodann läuft 
eine „Berme", die die Grasnarbe des gewachsenen 
Bodens zeigt, rings um den Eeschützstand. Auf ihr stehen 
einige Geschosse. Die ausgeschachtete Erde ist als Wall 
nach außen geworfen; dessen innere Böschung wird durch 
Birkenhölzer steil erhalten. Zwischen diesen und der lockeren 
Erde sind wahrscheinlich Rasenstücke als „Verkleidung" 
aufgeschichtet. Vorn hat der Wall eine breite Scharte, 
die ermöglichen soll, weit nach rechts und links die Schuß 
richtung zu ändern. — 
Im Gegensatz zu diesem Bilde der Verlassenheit 
und des Schweigens führt uns der Künstler Seite' 413 
mitten hinein in die frische fröhliche Feldschlacht. Vor 
Antwerpen tobt sie, zwischen dem äußeren und inneren 
Fortgürtel, wo die Belgier, verstärkt durch eine englische 
Brigade, unseren über die Nethe gegangenen Truppen 
entgegentraten. Außer vier schweren Batterien sind un 
serem stürmenden Fußvolk viele Maschinengewehre und 
52 Feldgeschütze neuester Art mit Schutzschilden und Rohr- 
Serbische Gefangene. 
verschieden großen Schaden an. Genau so sind die an der bel 
gischen Nordseeküste in Tätigkeit befindlichen englischenPanzer- 
züge beschaffen, so daß es möglich ist, daß wir einen solchen vor 
uns haben, den die Engländer vor Antwerpen verwendeten. 
Eine weniger von moderner Technik zeugende Hinter 
lassenschaft der „Beschützer Belgiens" zeigt uns das Bild 
auf Seite 412: ein langes Kanonenrohr ohne Rohrrücklauf 
oder Schießbremse und ohne moderne Richtmittel auf 
einer ebenso veralteten Lafette. Der Verschluß ist entfernt, 
damit wir außerstande sein sollten, uns des kostbaren In 
struments zu bedienen. Die Sorge wäre unbegründet 
gewesen. Wenn das Rohr aus Bronze besteht, können 
wir Friedensglocken daraus gießen. Ist es aber Stahl, dann 
muß es zum alten Eisen wandern, wenn nicht Medaillen 
als Ehrenzeichen daraus geprägt werden sollen. 
Auf der oberflächlich hergestellten Bettung hat das Ge 
schütz gewiß nicht lange gefeuert. Da die Hemmkeile fehlen, 
wäre es bei jedem Schuß weit Zurückgelaufen und hätte 
bald den Bretterbelag übereinander geworfen. Wir sehen, 
daß der Eeschützstand in einer Tiefe, die etwa der Höhe 
der Lafettenräder entspricht, in den „gewachsenen Boden", 
wie man die an Ort und Stelle angetroffene natürliche Erd 
oberfläche nennt, eingeschnitten ist. Dieser gewachsene 
Boden gibt bessere Deckung als ein hoher künstlicher Wall 
und unter Umständen selbst ein Panzer. An der best 
geschützten Stelle sind denn auch Geschoßkammern ein 
gebaut. Da keine Kartuschhülsen sichtbar sind, die bei 
Kilophot G. nr. b. H., Wien. 
rücklauf in die Hände gefallen. Wir sehen, wie die 
Bespannungen mit den Protzen eiligst Reißaus nehmen. 
Unsere Schützen werden in der feindlichen Feuerlinie halt 
machen und, solange noch etwas vom Gegner in Schuß 
weite zu sehen ist, ihre Patrontaschen darauf leer schießen. 
Während es sonst in der Feldschlacht Sache unserer Reiterei 
ist, mit flinken Rossen seitlich herumgreifend dem fliehenden 
Feinde den Weg abzuschneiden, müssen hier im Festungsge 
lände die noch flinkeren Geschosse der Feuerwaffen die schnelle 
Verfolgung allein übernehmen. Bald wird unsere Feld 
artillerie heranbrausen, um die Schützen im Verfolgungs 
feuer abzulösen. Dann ordnen diese ihre Verbände, emp 
fangen gleichzeitig neue Patronen aus den nachgekommenen 
Kompaniepatronenwagen und rücken soweit nach, als es das 
Feuer der feindlichen schweren Geschütze vorläufig erlaubt. 
Feldzeugmeister Potiorek und der Feldzug 
gegen Serbien. 
(Hierzu die Bilder Seite 418 und 419.) 
Die Strategen in der Heimat haben sich oft genug mit 
einem gewissen Achselzuckm gefragt, warum denn die Donau 
monarchie so lange mit dem kleinen Serbien nicht fertig 
werde. Aber abgesehen davon, daß das Gelände dort unten 
an Schwierigkeit vielfach mit den Vogesen wetteifern kann 
und die Serben sich bei jeder Gelegenheit als höchst zähe und 
tapfere Gegner erwiesen, sind sich die militärischen Sach-
	        
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