Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Deutsche Truppengepäckwagen auf der Petersburger Straße Ln Suwalki. 
Photothek, Berlin. 
auch ihre Stellungen bei Angerburg und die im Zentrum 
bei Gerdauen fielen verhältnismäßig rasch in deutsche Hände. 
Nun machte sich die zunehmende Umfassung des Flügels 
immer deutlicher dadurch bemerkbar, daß sich die weichenden 
russischen Regimenter mehr und mehr in nördlicher und 
nordwestlicher Richtung zusammenschoben, also in Gefahr 
gerieten, von ihren rückwärtigen Verbindungen abgeschnitten 
zu werden. Die deutschen Truppen ließen denn auch nicht 
locker; mit aller Macht drückten sie nach, bis der Rückzug 
der Feinde in regellose Flucht ausartete. Am 14. Sep 
tember konnte General v. Hindenburg dem Kaiser melden: 
„Die Wilnaarmee, wenigstens das 2., 3., 4., 20. Armee 
korps, die 3. und 4. Reservedivision und fünf Kavallerie 
divisionen sind vollständig geschlagen. Die Kriegsbeute ist 
außerordentlich." Allerdings hatten die Russen noch den Ver 
such gemacht, dem General v. Hindenburg 
selber in die rechte Flanke zu fallen. Die so 
genannte Erodnoer Reservearmee, bestehend 
aus dem 22. Armeekorps, dem Rest des 
6. Armeekorps und Teilen des 3. sibirischen 
Armeekorps, rückte gegen Lyck vor. Sie 
wurde gleichfalls geschlagen und erlitt 
schwere Verluste anTotenundVerwundeten. 
Die erste schöne und besonders erfreu 
liche Folge des Sieges war, daß auch der 
letzte Russe — ausgenommen die Ge 
fangenen — von deutschem Boden ver 
schwand; Nikolai Nikolajewitsch und Ren 
nenkampf selber verließen Gumbinnen in 
Zivilkleidern Hals über Kopf. Mit Ge 
waltmärschen dem Feinde nacheilend, be 
setzten die Deutschen alsbald das russisch 
polnische Gouvernement Suwalki, das unter 
deutsche Verwaltung gestellt wurde. Außer 
den Resten der geschlagenen Truppen 
dürften sich keine nennenswerten russischen 
Streitkräfte mehr im Nordosten von Su 
walki befinden; vielmehr gestanden nach 
dänischen Zeitungsmeldungen die Russen 
selber zu, daß sie Truppen vom galizischen 
Kriegschauplatz nach Norden schaffen muß 
ten, dort ihre Stellungen gegen General 
v. Hindenburg zu sichern. Die Deutschen 
begannen inzwischen die Belagerung der 
Festung Ossowiec, die so ziemlich in der 
Mitte des Festungsgürtels Kowno—War 
schau liegt und die nach Bjelostok führende 
Bahnlinie deckt. Ein neuerlicher Vorstoß 
der erwähnten Erodnoarmee wurde An 
fang Oktober bei Augustow ebenso gründ 
lich wie bei Lyck zurückgeschlagen. Wass-rtrüs-- 
Bericht eines bei Ausbruch des Krieges 
in England zurückgehaltenen Deutschen. 
., den 19. September 1914. 
Eben komme ich nach Haus und finde Deine lieben 
Zeilen vor. Ich bin also wieder in der Heimat und habe 
bereits eine sechswöchige Kriegsgefangenschaft in Eng 
land hinter mir. Unser Schiff mußte in der Nacht vom 
31. Juli zum 1. August zwei Stunden vor Gibraltar um 
kehren wegen drohender Kriegsgefahr, und besonders weil 
England zu dieser Stunde die Meeresenge für einfah 
rende Schiffe gesperrt hatte. Wir erreichten Lissabon am 
Abend des 1. August. Am 2. kam dann die Mobilmachung, 
und die wehrpflichtigen Deutschen mußten auf dem 
schnellsten Wege nach Hause eilen. Das 
war natürlich eine sehr schwierige Sache, 
denn wir befanden uns am ungünstigsten 
Punkte Europas für diesen Zweck. Der 
Landweg war durch Frankreich völlig ver 
sperrt und der Seeweg durch England und 
Frankreich nicht minder. Da kam uns un 
erwartete Hilfe. Am 3. fuhr ein hollän 
discher Dampfer „Tubantia" über Vigo 
nach Amsterdam. Wir lösten nun eine 
Fahrkarte und kamen auch wirklich fort. 
Als wir Vigo in Spanien verließen 
(4. August), war zwischen England und 
Deutschland noch tiefer Friede. Da er 
schien plötzlich am 5. August auf hoher 
See der englische kleine Kreuzer „High 
flyer", der 10 Tage später „Kaiser Wil 
helm den Großen" bei Las Palmas in 
Grund bohrte, und nahm den Dampfer 
mit allem darauf als Kriegskonterbande 
in Beschlag: 140 Millionen Mark deutsches 
Kapital und alle wehrpflichtigen jungen 
Männer. Zu dreißig führte man uns ab 
in ein „Marinezuchthaus" in Plymouth, 
dort saßen wir in Zellen, abgeschlossen, 
bei Pritsche und Schiffszwieback und Tee 
— weiter nichts!! — etwa eine Woche 
lang. Dann wurden wir nach neun 
stündiger Bahnfahrt in Dorchester, nicht 
weit von Southampton, in einer alten, ver 
lassenen Artilleriekaserne untergebracht, die 
selbst nach vierwöchigem Putzen noch wie 
ein schmutziger Pferdestall aussah. Viele 
sind dort erkrankt, viele sogar an Typhus 
«"«>.. gestorben. Ungefähr 400 Menschen — fast 
i„ Suw.lki. alle aus besten Ständen: Grafen, Barone,
	        
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