Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
sich zum zehntenmal ein Ereignis, das heute besonders er 
wähnenswert ist. Der japanische Admiral Kamimura hatte 
die russische Flotte von Wladiwostok am 9. August 1904 
geschlagen und den „Rurik" zum Sinken gebracht. Die 
Reste des Geschwaders stoben in alle Winde und suchten 
sibirische oder neutrale Häfen auf. Das Linienschiff „Zesare- 
witsch" und drei Hochseetorpedoboote erreichten auf ihrer 
Flucht nach Süden Tsingtau und fanden dort einen sicheren 
Schutz. Dank dem Eingreifen auf deutscher Seite mußten 
die verfolgenden japanischen Seestreitkräfte vor Kiautschou 
von ihrem Opfer ablassen. Rußland erhielt nach dem 
Friedenschluß seine Schiffe wieder. Der „Zesarewitsch" 
gehört noch heute zu der kleinen Zahl seebereiter russischer 
Linienschiffe. Der Dank Rußlands tritt in dieser Zeit im 
Tun seines Verbündeten vor Kiautschou in die Erscheinung. 
Es hetzt im Verein mit England seinen damaligen Ver 
folger auf seinen Retter von 1904. Daß der ganze Raub 
zug mit Einschluß Japans gegen uns schon frühzeitig ge 
plant war, zeigt eine Zeitung aus Lima vom 5. August, 
deren Tertteil mit einer zehnzeiligen Überschrift beginnt, 
in der noch in besonders großer Schrift die Worte hervor 
gehoben sind: „Europa und Japan gegen Deutschland." 
Das sogenannte Ultimatum Japans an Deutschland ist 
am 19. August in Berlin überreicht worden, aber schon am 
5. August hat man in Südamerika genau Bescheid gewußt. 
(Fortsetzung folgt.) 
Illustrierte Kriegsberichte 
3Qstif dem Rad auf den Schlachtfeldern 
von Saarburg. 
Von vr. Ernst Rosenfeld. 
(Hierzu die Bilder Seit- 192 und 193.) 
Der Verkehr auf dem Straßburger Bahnhof war un- 
gemein lebhaft. Auf allen Geleisen standen lange Züge mit 
vierzig und mehr Wagen, und die Bahnsteige vor ihnen 
waren überfüllt mit hin und her hastenden Menschen. Um 
die Erfrischungsbuden des Roten Kreuzes, die in großer An 
zahl aufgeschlagen waren, drängten sich Soldaten. Mit 
lauter Stimme riefen die Verkäufer der Zeitungen und Extra 
blätter die neuesten Nummern aus. Junge Hilfsschwestern 
und Pfadfinder eilten mit großen Körben und mit Eimern 
voll Kaffee und Limonade die Züge entlang, um auch die 
Verwundeten, die ihre Plätze nicht verlassen konnten, zu 
bedenken. 
Wie alle Züge in diesen Tagen war auch der, der mich 
nach Saarburg bringen sollte, überfüllt. Der Schaffner 
wies mir, der ich nüt meiner Karte dritter Klasse ver 
gebens einen Platz gesucht hatte, endlich eine Abteilung 
erster Klasse in einem sehr bequemen, bei Kriegsausbruch 
an der Grenze zurückgehaltenen französischen Durchgangs 
wagen an. 
Als der Zug hinter Zabern das schöne, waldreiche 
Zorutal hinankeuchte, konnte man von den Fenstern hier 
und da noch Reste der Sperr- und Verhauarbeiten entdecken, 
die die deutschen Pioniere in den ersten Augusttagen er 
richtet hatten. Außer diesen Spuren strategischer Vorsicht 
war nichts Kriegerisches zu sehen. Erst das Bahnhofgebäude 
von Rieding, der letzten Station vor Saarburg, wies unter 
der stolz wehenden Reichsflagge Zeichen des Riesenkampfes 
auf, der auf der ganzen Linie Metz—Saarburg am 19. und 
20. August den französischen Vormarsch zum Stehen gebracht 
und bald in wilde Flucht verwandelt hatte. — Als ich 
Saarburg erreichte, war die Dunkelheit hereingebrochen. 
Saarburg ist Sitz einer Etappenkommandantur und 
Stütz- und Sammelpunkt aller Transporte nach Blamont, 
der letzten Etappe vor dem Feind. Es herrscht ein nicht 
zu beschreibendes militärisches Leben auf der Hauptstraße, 
die sich vom Bahnhof durch Saarburg erstreckt und hinter 
der Stadt in die große Landstraße mündet, die nach Bla 
mont führt und deren Kilometersteine die Aufschrift tragen: 
„Straße Nr. 1 Straßburg—Paris." Die Bürgersteige sind 
überfüllt von Soldaten aller Grade und Waffengattungen: 
Leichtverwundete, die sich hier erholen, frische Truppen, 
die hier im Quartier liegen und auf den Abmarsch warten, 
Offiziere, die mit Meldungen von der Front kommen, sich 
hier etwas verproviantieren, Zeitungen einkaufen und dann 
im Auto wieder zurück an die Front fahren. Aber das 
holprige Pflaster rollen ewig lange Munitionskolonnen, 
Autos sausen laut huppend vorüber, in bäuerlichen Leiter 
wagen ziehen Nahrungsmitteltransporte vorbei. Durch 
all den Lärm hindurch hört man aber immer wieder aus 
weiter Ferne den Donner der Feldgeschütze rollen, die, wie 
es heißt, Toul beschießen. 
Saarburg hat die Schrecken des Krieges viel besser 
überstanden, als die Nachrichten, die kurz nach der großen 
Schlacht durch die Presse gingen, vermuten ließen. Als 
die Franzosen am 18. August in Saarburg einzogen, haben 
sie sich, offenbar in der Hoffnung, daß Saarburg von nun 
an französisch bleiben werde, zurückhaltend benommen. 
Geplündert und verwüstet haben die Franzosen nur die 
Ulanen- und Artilleriekaserne, die Post, den Bahnhof und 
die Reichsbank. In diesen Gebäuden haben sie allerdings 
in ganz unsagbarer Weise gehaust und auch Privateigentum 
nicht verschont. Besonders in der Reichsbank und den 
Mannschafts- und Offizierstuben der Kasernen ist alles in 
Stücke geschlagen und zertrümmert. Jeder Schrank, jeder 
Schreibtisch ist erbrochen und der Inhalt auf den Boden 
geworfen, Bilder und Bücher Zerfetzt, Tapeten und Vor 
hänge heruntergerissen, alle Fenster, Spiegel und alles 
Porzellan zerschlagen. 
Drei Tage und drei Nächte dauerte der Kampf um 
Saarburgs Besitz. Die Einwohner der Stadt haben diese 
Tage, während deren unaufhörlich die Kugeln und Gra 
naten über die Stadt hinwegpfiffen, in den Kellern ver 
bracht. Sie erzählen mit Schaudern und Entsetzen von 
diesen furchtbaren Stunden. Bei ihrer Flucht haben die 
Franzosen deutsche Beamte als Kriegsgefangene mitge 
schleppt, über deren Ergehen bis heute noch keine Nach 
richt nach Saarburg gedrungen ist. 
Der Besuch der Schlachtfelder in der Umgebung Saar 
burgs ist durch die Militärbehörden jeder Zivilperson aufs 
strengste verboten. Mir gelang es indessen aus Grund meines 
Ausweises als Berichterstatter, von der Etappenkomman 
dantur einen Passierschein zu erhalten. Ich besuchte am 
nächsten Tag zuerst die neue Artilleriekaserne des Ober- 
elsäfsischen Feldartillerieregimentes Nr. 15. In dieser 
Kaserne, die auf der Saarburg beherrschenden Anhöhe ge 
legen ist, hatten sich die Franzosen verschanzt. Sie mußte 
daher vo" den deutschen Truppen, die in weitem Halbkreis 
Saarburg umfaßt hielten, beschossen werden. Der Erfolg 
dieser Beschießung ist grauenhaft. Von der dreistöckigen 
Kaserne stehen nur noch Teile der Umfassungsmauern. 
360 tote Franzosen wurden nach der Einnahme Saarburgs 
allein in dieser Artilleriekaserne gefunden. 
Es war ein wunderschöner Herbsttag. Ich beschloß, nach 
Süden zu fahren, um Blamont zu erreichen. 
Die Felder hinter Saarburg zeigen noch zahlreiche 
Spuren der Schlachttage. Metertiefe, trichterförmige 
Löcher, von den Granaten eingerissen, Schützengräben, leere 
Konservenbüchsen, Kochtöpfe, Kleidungsstücke, Gewehre, 
Feldflaschen, Patronenhülsen und hin und wieder lang 
gestreckte Massengräber mit einfachen Holzkreuzen sprechen 
beredt von dem großen Ringen, das hier stattgefunden hat. 
Auf dem Flugplatz in Bühl, wenige Kilometer hinter 
Saarburg, lagen nahe der Straße die Trümmer eines 
Flugzeuges. Auf meine Frage erzählte mir ein Soldat 
der Fliegerabteilung, daß die Maschine bei einem Er 
kundungsflug ins Feindesland so wirksam beschossen worden 
sei, daß es dem Flieger zwar gerade noch gelungen sei, den 
Flugplatz zu erreichen, daß aber die Maschine dann un 
brauchbar gewesen sei. Nun habe man den Apparat vor 
sichtshalber, um ihn nicht in Feindeshand fallen zu lassen, 
zusammengeschlagen. „Wir haben ja genug Apparate," 
sagte er stolz. 
Starke Spuren der Kriegsschrecken zeigte auch das Dorf 
Schneckenbusch, besonders in und bei der Kirche. 
In Bruderdorf, wieder ein paar Kilometer weiter 
südlich, waren die Häuser um die Kirche herum aus 
gebrannt. Freischärler hatten aus ihnen auf deutsche 
durchziehende Truppen geschossen. Die gerechte Strafe 
war auf dem Fuße gefolgt. Unsere Soldaten haben aber
	        
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