Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Orte. Blutrot geht die Sonne auf und beleuchtet von 
Artillerie, Fußvolk und Bagagekolonnen dicht besetzte 
Straßen. Alles drängt vorwärts. Nach längerem Marsche 
traf die Kompanie etwa um sechs Uhr beim Regiment ein, 
und sofort geht es weiter. Wir sind heute nötig, heute 
kommt der Ernst, so denkt jeder. 
In der nächsten Ortschaft, die wir passieren, liegen in 
der Kirche Verwundete. Immer vorwärts! Scharenweise 
begegnen uns flüchtende Einwohner mit ihren Habselig 
keiten, meist Frauen und Kinder. Links der Straße steht 
die Artillerie schon schußfertig. Hin und wieder Kanonen 
donner und Eewehrfeuer. Im Straßengraben der erste 
Tote und Ausrüstungsgegenstände französischer Gefallener 
und Verwundeter. Noch eine kleine Anhöhe. Auf der 
Höhe das Dorf Lauterfingen. 
Kompanie halt! Hinlegen! Die Kriegslage wird be 
kanntgegeben. Vor uns im Grunde ein besetzter Wald, 
derselbe muß genommen, die Franzosen geworfen werden. 
Doch soll zuvor Kasfee gefaßt werden. Ich gehe zurück zur 
Feldküche. Bum — saust die erste Granate über unsere 
Köpfe und bietet uns den Morgengruß. Alles schreckt zu 
sammen. Wir gehen durch die Ortschaft vor und stehen 
am linken Flügel der 
Brigad e. Unaufh altsam 
geht es vorwärts; ein 
Teil unserer Infanterie 
hat den Wald schon ge 
nommen. Die erste feind 
liche Granate schlägt ein, 
ohne zu schaden. Die 
zweite sitzt besser. Das 
Bataillon geht zurück und 
wird an einer anderen 
Stelle eingesetzt, aber 
auch hier gibt es keine 
Arbeit für uns, denn 
durch andere Regimenter 
ist der Wald bereits ge 
nommen worden. Ver 
wundete schleppen sich 
aus dem Wald zum Ver 
bandplatz. 
Die Brigade sammelt 
sich und marschiert auf 
der Straße vorwärts, ein 
Trupp Gefangener wird 
vorbeigeführt. Der Hitze 
wegen gehen wir am 
Waldrand, wo eben das 
E efe cht stattgefund en 
hatte. Doch welch ein An 
blick! Unter den Büschen 
und in Gräben, hinter 
Bäumen Tote und Ver 
wundete. Noch mancher verwundete Franzose sucht auf 
uns zu schießen, empfängt aber dafür seinen Lohn. Er 
müdet, ermattet, hungernd und dürstend liegen wir in 
einem Stoppelfeld. Es geht wieder vorwärts. Durch Rohr 
bach durch, das vor einer Stunde vom Feinde geräumt 
wurde, gegen den dahinterliegenden Wald. Die Brigade 
hält im Wald auf der Straße und wird vom Wald aus an 
geschossen. Alles stürzt in den Wald hinein, der mit Hurra 
durchsucht wird. Endlich ist der Waldrand erreicht. Ich 
lege mich mit den Schützen in den Graben am Wald 
rand. Vor uns ist eine etwa 800 Meter breite freie 
Fläche, die nach rechts offen, von links und hinten vom 
Walde eingerahmt ist. In der Mitte steht ein Gehöft, das 
zur Verteidigung eingerichtet ist. Unaufhörlich pfeifen die 
feindlichen Geschosse an uns vorbei und schlagen dicht hinter 
uns ein. Bum — bum, die französische Artillerie greift ein 
und bestreicht den ganzen Wald mit Geschossen, die, wo sie 
einschlagen, Tod und Verderben speien. In unmittelbarer 
Nähe krepiert ein Geschoß, ich komme aber glücklich mit 
einigen Erdspritzern davon. Nun folgt eine schwere halbe 
Stunde. Unaufhörlich schlagen feindliche Granaten ein. 
Die auf der Straße Vordringenden sind besonders gefährdet, 
unter diesen auch der General. 
Endlich geht es sprungweise vorwärts. Die Franzosen 
warten aber nicht, bis wir herankommen, sondern nehmen 
schon vorher Reißaus. Die Artillerie bringt uns noch be 
deutende Verluste bei. Noch ein Schuß, alles ruhig. Die 
Brigade sammelt sich zwischen Gehöft und Waldrand. Nun 
erfährt man die ersten Verluste. Mancher treue Kamerad 
liegt tot oder verwundet in dem Gehölz. Die Überlebenden 
drücken einander stumm die Hand, und nun geht's ans Ein 
teilen der Kompanie. Sie hatte bedeutend gelitten. Etwa 
fünfzig Mann waren verwundet oder tot, und doch war 
das im Verhältnis zu anderen Kompanien, bei denen die 
Verluste das Doppelte und Dreifache betrugen, wenig. 
Diesen Wald auszuräumen, der nun wieder vor uns lag, 
war unmöglich. Es war halb acht Uhr abends, und noch 
hatten wir nichts genossen. Wir stellten Sicherungen aus 
und zogen uns in den Wald zurück. Nun begannen die 
Sanitäter mit dem Absuchen des Schlachtfeldes. 
Wieviel Schmerzliches gak/s zu hören und zu sehen. End 
lich um neun Uhr kamen die Feldküchen nach, um uns zu 
stärken. Wir kehrten wieder aufs Schlachtfeld zurück und 
schliefen unter den Gefallenen. Schon vor Tagesanbruch 
gingen wir in den Wald zurück, um nicht gesehen zu werden. 
Diese Vorsicht war unnötig, da sich der Gegner weit zurück 
gezogen hatte und fluchtartig die Grenze zu erreichen suchte. 
Unter den Toten und Verwundeten befinden sich sehr 
viele Offiziere. Auch un 
sere Kompanie verlor 
einen Zugführer. Dies 
mein erstes Gefecht. 
Liebe Eltern und Ge 
schwister, von Euch habe 
ich seit Ingolstadt nichts 
mehr erhalten. Gestern 
bekam ich von Frau Wal 
ter einen Brief. 
Laßt diesen Brief alle 
Freunde und Bekannte 
lesen und grüßt alle herz 
lichst von mir. Schickt 
auch Onkel Hans den 
Brief. Ich habe wirklich 
sehr wenig Zeit zum 
Schreiben. 
Entschuldigt bitte die 
schlechte Schrift. Ich liege 
nämlich auf dem Bauche 
und schreibe auf der 
Trommel meines Tam 
bours. 
Nun zum Ende, da es 
alle Augenblicke weiter 
geht. Deutschland ist jetzt 
sauber von Franzosen, 
und wir liegen jetzt hinter 
der Gefechtslinie, 3 Kilo 
meter von der Grenze 
entfernt. Solange ich 
schreibe, dringt heftiger Kanonendonner an mein Ohr, 
der von unseren schweren Feldgeschützen herrührt, welche 
die Forts beschießen. 
Euer Fritz. 
Gebirgskrieg in Serbien. 
(Hierzu die Bilder Seite 105 und 107.) 
Die Bevölkerung nicht nur Deutschlands, sondern selbst 
Österreich-Ungarns hat sich den Krieg in Serbien viel 
leichter vorgestellt, als er tatsächlich ist. Daß dies in Deutsch 
land geschah, ist mit Rücksicht auf die geringe Kenntnis der 
einschlägigen Verhältnisse leichter begreiflich als bei der Be 
völkerung von Österreich-Ungarn, die sich ja doch noch an 
die Schwierigkeiten der Okkupation Bosniens erinnert und 
leichter Gelegenheit hat, den landschaftlichen Charakter 
Bosniens, der vielfach mit jenem Serbiens übereinstimmt, 
sowie die bosnischen Serben kennen zu lernen. Allerdings 
liegt Belgrad förmlich auf dem Präsentierteller, vom un 
garischen Boden nur durch die Donau und die an ihrer 
Mündung dort übrigens sehr breite Save getrennt, und 
ladet gewissermaßen geradezu zur Beschießung ein. Aber 
Belgrad allein ist noch nicht Serbien, und aus strategischen 
Gründen ist ein Schwerpunkt des Angriffes der öster 
reich-ungarischen Armee gegen Serbien an die bosnisch 
serbische Grenze und an die Drina verlegt worden, wo 
«. . . Mit Inbrunst werden Liebesgaben verzehrt . .
	        
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