Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Flieger und ihr Nutzen. 
(Hierzu die Bilder Seite 68 und 69.) 
Der Flieger ist am besten der Kavalleriepatrouille ver 
gleichbar. Beide versuchen Einblick in feindliche Stellungen, 
Aufmärsche, Truppenbewegungen zu erlangen. Die Luft 
schiffe dagegen gleichen den Kavalleriedivisionen, denn sie 
besitzen einen wirklichen Kampfwert. Sie sind dadurch 
geeignet, sich Einblick zu verschaffen, selbst wenn man ver 
sucht, ihnen denselben zu verwehren. Maschinengewehre, 
teilweise auch kleine Revolverkanonen befähigen sie, sich 
ihre Feinde der Luft, die Fliegergeschwader, in nötiger 
Entfernung zu halten. 
Der Flieger dagegen ist eigentlich nicht für den Kampf 
bestimmt. Die Rücksicht auf sein Gewicht erlaubt ihm nur 
in Ausnahmefällen — bei den sogenannten Kampfflug 
zeugen —, sich mit wirksameren Waffen zu versehen als mit 
Gewehren, leichten Bomben und Fliegerpfeilen. Sie sollen 
nur sehen, photographieren, aufklären. 
Unter Aufklärung ist aber nicht allein die strategische 
zu verstehen. Als solche bezeichnet man die Erkundung großer 
Truppenbewegungen, wichtiger Truppenverschiebungen und 
dergleichen. Als Beispiel sei angeführt die Meldung eines 
deutschen Flugzeuges über den Anmarsch der englischen 
Armee gegen den rechten Flügel der Armee v. Kluck. 
Häufiger sogar sind die Fliegeraufklärungen taktischer 
Art. Es gilt Stellungen des Gegners aufzusuchen, einzu 
zeichnen oder auf die Platte zu bringen. 
Auch der Schießtechnik müssen die Flieger Dienste leisten. 
Man wird sich erinnern, schon öfter seit Kriegsbeginn 
gelesen zu haben, daß an dieser oder jener Stelle das 
Artilleriefeuer von Fliegern geleitet wurde. 
Im allgemeinen zeigen die Piloten den Standort einer 
feindlichen Batterie dadurch der eigenen an, daß sie genau 
über jener Bomben abwerfen, die eine lange Rauchfahne 
in der Luft hinterlassen. Ein anderes Mittel ist das der 
Verständigung durch Zeichen. Für jeden Schuß, der zu kurz 
geht, also vor dem Ziel einschlägt, schießt der Flieger bei 
spielsweise eine rote, für jeden zu weiten Schuß eine blaue 
Kugel in die Luft, die von der eigenen Artillerie gesehen 
werden kann. So gelingt es meist durch Schießkorrekturen, 
Wirkung ins Ziel zu bringen. 
Über eine neue Art der Orientierung und der Verständi 
gung zwischen dem Flieger und der Erde sei noch berichtet. 
Die Vorteile dieser neuen Nachrichtenübermittlung liegen 
darin, daß sie nicht vom intensiven Sonnenlicht überstrahlt 
und dadurch unsichtbar gemacht werden kann. Es ist Professor 
Dr. Donath gelungen, einen nicht zu großen Signalspiegel 
herzustellen, der durch ungeheure Temperatursteigerung eines 
Glühlampenfadens eine außerordentliche Helligkeit erzeugt. 
Allerdings wird die Batterie sehr schnell verbraucht, was 
jedoch nicht in die Wagschale fällt, denn man kann mit 
fünfzig Stunden Leuchtdauer mehrere tausend Lichtblitze 
erzeugen und damit gegen tausend Worte signalisieren. 
Abbildung Seite 68 oben zeigt den Apparat, bestehend aus 
Signalspiegel und Batterie. Ein kleines Osramglühlämp- 
chen, das wegen seines Fadens, der auf möglichst engem 
Raum zusammengedrängt ist, beim Leuchten eine Tem 
peratur von 3000 Grad Celsius erzeugt, besitzt infolgedessen 
eine Spiegelhelligkeit von etwa 10000 Kerzen bei mäßigem 
Aufwand an Kraft. Letztere wird von einer Akkumula 
torenbatterie mit sieben Zellen hervorgebracht, die besonders 
dafür hergestellt wurde. Das Gewicht des Apparats, das, 
wie wir schon andeuteten, für den Flieger sehr wichtig ist, 
beträgt nur 5 Kilo. 
Die Anwendung erhellt aus den Abbildungen Seite 68 
unten und Seite 69. Die Station auf der Erde macht sich 
durch weiße Tuchstreisen auf dem Boden und zeltartig auf 
gespannte Streifen dem Flieger weithin bemerkbar. Dieser 
visiert darauf hin, ruft durch längeres oder kürzeres Drücken 
auf den Knopf längere oder kürzere Lichtblitze hervor, die 
nach dem Morsesystem Buchstaben und Worte bedeuten. 
Auf der Erde werden sie mit Hilfe von guten Ferngläsern 
bis zu 10 Kilometer Entfernung abgelesen. Auch können 
umgekehrt von der Erde zum Flieger Morsezeichen auf die 
nämliche Art gegeben werden. 
Man muß sich vergegenwärtigen, daß die Lichtquelle 
des Lämpchens mit seiner Temperatur von 3000 Grad 
Celsius der Temperatur der Sonne, die auf 6000 Grad 
berechnet wurde, für heutige Begriffe außergewöhnlich 
nahe kommt. Die Zeichen erscheinen dem Ablesenden wie 
ein losgelöstes, aufblitzendes und verglimmendes Sonnen 
stückchen. Daß durch diese Erfindung der Nutzen unserer 
Flieger bedeutend erhöht wird, dürfte begreiflich sein. 
Die Wiedereroberung Lembergs. 
(Hierzu die Bilder Seite 63—67.j 
Wie ein reinigender Sturm durch die Ebene, fegten 
die tapferen verbündeten Truppen in den Monaten Mai 
und Juni den Feind durch die Gefilde Galiziens. In den 
ersten Tagen des Mai setzte unser mächtiger Vorstoß ein, 
und trotz harter Kämpfe ging es unaufhaltsam vorwärts — 
von Sieg zu Sieg! Am 3. Juni 1915 wurde Przemysl 
wieder genommen, und am 22, desselben Monats, in den 
ersten Morgenstunden, zogen die vordersten Patrouillen der 
verbündeten Armeen in Lemberg ein. 
Die Hauptstadt Galiziens ward an diesem Tage von 
dem russischen Joch befreit, unter dem sie seit Anfang 
September 1914 geschmachtet hatte. Die Freude der kaiser 
treuen Bevölkerung über ihre Befreiung war unbeschreiblich. 
Männer, die gewohnt sind, stürmische patriotische Kund 
gebungen mitzumachen, beteuern, daß sie noch nie eine 
Begeisterung gesehen hätten wie die, mit der der Führer 
der siegreichen Armee, General der Kavallerie Eduard 
v. Böhm-Ermolli, und sein Stab empfangen wurden, als sie 
nachmittags in die zum größten Teil unversehrte Stadt ein 
zogen. In den Straßen standen Tausende von glückstrahlen 
den, dankbaren Menschen, alle Fenster und Balköne waren 
dicht besetzt, die Häuser prangten im Fahnenschmuck. Alles 
drängte sich zu den Automobilen und überschüttete die In 
sassen mit Blumen und Liebesgaben. Die elegantesten 
Frauen suchten die Hände der Offiziere zu küssen, und die 
armen Juden, die unter der Herrschaft der Russen am 
meisten gelitten hatten, warfen sich den Eroberern tat 
sächlich zu Füßen. 
Darin zeigte sich die Staatstreue aller Kreise Lem 
bergs — an ihrer Spitze der greise Bürgermeister Doktor 
Rutowski —, an der sie volle zehn Monate gegenüber ein 
schmeichelndem russischen Entgegenkommen im Wechsel mit 
strengen Polizeimaßregeln festgehalten haben. Erinnerlich 
ist noch die ablehnende Haltung der Einwohnerschaft, als 
sie von den Russen zur Verherrlichung des Falles von 
Przemysl aufgefordert wurde. „Die Stadt ist in Trauer; 
sie hat keinen Grund zu beflaggen," war des Bürgermeisters 
ruhige, aber entschiedene Antwort. 
Die Befreiung Lembergs ist der 2. österreichisch-ungari 
schen Armee zu danken, die seit Beginn der Krieges unter 
dem Kommando des Generals der Kavallerie Eduard 
v. Böhm-Ermolli steht. Hervorragend beteiligt an den 
letzten Kämpfen um Lemberg waren die Wiener Landwehr 
division (siehe Bild Seite 67), dann böhmische, galizische 
und ungarische Truppen. Unter den letzteren werden die 
Heldentaten des i. u. k. Infanterieregiments Nr. 34 Wilhelm I. 
Deutscher Kaiser und König von Preußen besonders hervor 
gehoben. An dem Sieg haben aber auch die deutsche 
Armee und deren Führer v. Mackensen und v. d. Marwitz 
großen Anteil, da deutsche Truppen, nachdem sie in den 
' früheren Kämpfen bereits heiß mitgefochten hatten, das 
Vorgehen der 2. österreichisch-ungarischen Armee während 
des Angriffs auf Lemberg nördlich dieser Stadt sicherten. 
General v. Böhm-Ermolli (siehe Bild Seite 63) ist noch 
ein Mann in den besten Jahren, eine stattliche, elegante 
Erscheinung, dessen Gesichtszüge schon die Kaltblütigkeit und 
Tatkraft zeigen, die ihn auszeichnen. 1856 geboren, wurde 
er in der Wiener-Neustädter Militärakademie ausgebildet und 
schon 1875 zum Leutnant im 4. Dragonerregiment ernannt. 
Später machte er die Kriegschule durch und diente lange beim 
Eeneralstab. 1896 wurde er als Oberstleutnant zum Kom 
mandanten des 3. Ulanenregiments ernannt und 1897 zum 
Oberst befördert. Danach kommandierte er die 16. Kavallerie 
brigade in Preßburg» dann die Krakauer Kavallerie- und 
bald darauf die dortige Jnfanterietruppendivision. Im 
Jahre 1911 wurde v. Böhm-Ermolli zum Korpskomman-
	        
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