Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Dhot. Bert. Jllustrat.-Ges. in. b. H. 
Österreichisch-ungarische Truppen überschreiten auf einer Notbrücke die Tysmienica. 
und östlich von Lokal zu nehmen, die von den Russen un- 
gemein stark befestigt worden waren. Zunächst mußte der 
Feind aus seinen Vorstellungen am westlichen Ufer geworfen 
werden, ehe man seine Hauptstellung um Lokal angreifen 
konnte. Während die Russen nicht weniger als fünf In 
fanteriedivisionen und eine halbe Kavalleriedivision einsetzten, 
stand ihnen auf österreichisch-ungarischer Leite nur ein 
Armeekorps gegenüber, das sich außer den Deutschmeistern 
aus dem Infanterieregiment Nr. 4, zwei Jägerbataillonen 
und mehreren Landwehrinfanterieregimentern zusammen 
setzte. Da die Russen alle über den Bug führenden Brücken 
gesprengt hatten, mußten die österreichisch-ungarischen 
Truppen den durch Gewitterregen angeschwollenen Fluß 
unter den größten Schwierigkeiten in: wütenden Feuer des 
Feindes überschreiten. Aber dies kühne Wagnis gelang, 
und am 16. Juli, nachmittags zwei Uhr, konnte die 16. Kom 
panie des Teschener Landwehrinfanterieregiments zuerst 
auf dein rechten Ufer festen Fuß fassen. Ihm folgte das 
Reusandeker Landwehrinfanterieregiment, der weitere Nach 
schub geriet jedoch ins Stocken, da die von den Pionieren 
gebauten Stege durch das Hochwasser und die russische 
Artillerie zerstört wurden. Trotzdem hielten die beiden 
tapferen Regimenter ihre am 16. und 17. Juli unter 
schweren Opfern eroberten Stellungen gegen die fortwäh 
renden Gegenangriffe der Russen. Das 5 bis 8 Meter 
aus dem Fluß fast senkrecht ansteigende Ufer war von den 
Russen zu einer starken Verteidigungsstellung ausgebaut 
worden, die sich, mit zahlreichen Maschinengewehren ge 
sehen, und auf den vier Balkönen standen Artilleriebeobachter. 
Und während hier ein mörderischer Kampf tobte, saßen die 
wenigen Mönche, die noch zurückgeblieben waren, in den 
Gängen des Klosters und murmelten Sterbegebete. Nach 
dem der von russischer Infanterie hartnäckig verteidigte 
Bahndamm erobert war, stürmten Truppen eines Land 
wehrregiments, eines Landsturmregiments und eines 
Jägerbataillons das Kloster. Am 19. Juli unternahmen 
die k. u. k. Truppen einen allgemeinen Sturmangriff 
auf die Stadt, nachdem tags zuvor die Deutschmeister 
noch die letzten russischen Verteidigungsstellungen auf der 
Gora Sokala genannten Höhe südwestlich der Stadt ge 
nommen hatten. In den Straßen und Häusern Sokals 
kam es stellenweise noch zu erbittertem Nahkampf, aber 
ein Landsturmregiment drang als erstes in die Stadt ein 
und zwang den Feind zum Rückzug. Fast ein ganzes 
Jahr hatte die Russenherrschaft in Sokal gedauert, und 
wie überall in Galizien, so wurden auch hier die österreichisch 
ungarischen Truppen von der größtenteils jüdischen Be 
völkerung, die besonders unter der rohen Willkür der Ko 
saken zu leiden hatte, jubelnd als Befreier begrüßt. 
Der zweite Angriff auf Serbien. 
Von Major a. D. Ernst Moraht. 
(Hierzu die Bilder Seite 318 und 319 sowie die Vogelschaukarte Seite 320.j 
Ms Österreich-Ungarn am 28. Juli 1914 seine Kriegs 
erklärung gegen Serbien erliest, konnte es noch nicht über- 
iim die von den Russen mit größter Hartnäckigkeit verteidigte 
Stadt Sokal zu führen. Etwa 75 Kilometer in nördlicher 
Richtung von Lemberg entfernt, bildet die auf dem rechten 
Ufer des Bug gelegene galizische Stadt Sokal gewissermaßen 
das Einsallstor nach Wolhynien. Aus diesem Grunde 
suchten die Russen unter Aufbietung bedeutender Kräfte 
diesen strategisch ungemein wichtigen Punkt zu behaupten, 
der ihnen als Sammelplatz für eine neue Offensive in 
Galizien dienen konnte. Im Laufe des Winters hatten die 
Russen eine direkte Eisenbahnlinie von Sokal nach Wla 
dimir Wolynski angelegt, die ihnen eine rasche Truppen 
verschiebung ermöglichte. 
Die russische Buglinie, die immer noch eine Bedrohung 
Lembergs bedeutete, bei Sokal, also an ihrer stärksten Stelle 
zu durchbrechen, diese schwierige, aber auch ruhmvolle Auf 
gabe ward den Wiener Deutschmeistern zuteil, die schon 
so oft während des Feldzuges herrliche Proben ihrer un 
widerstehlichen Tapferkeit und Ausdauer abgelegt hatten. 
In anstrengenden Gewaltmärschen eilte das Regiment von 
Lemberg auf den durch anhaltenden Regen bodenlos ge 
wordenen galizischen Landstraßen an die Front, wo es den 
Befehl erhielt, unter allen Umständen die Höhen südlich 
spickt, in dreifacher Linie die Höhen hinanzog. Die Te 
schener und Troppauer Landwehr nahm aber trotz allem 
am Morgen des 18. Juli innerhalb einer Stunde den Wald 
und Meierhof Walawka und den Schlüsselpunkt der russischen 
Stellung, die Höhen und den Ort Jlkowice, im Sturm, 
wobei ihnen eine große Beute an Waffen, Proviant und 
Munition in die Hände fiel. Erfolgreich griffen hier auch 
die Deutschmeister ein, die bis an die Brust im Wasser 
unter dem Kugelregen der Russen den Bug überschritten 
hatten. Sie hielten drei heftigen Gegenangriffen in den 
eben erst eroberten Schützengräben stand und warfen die 
aus erstklassigen Mannschaften bestehende russische „eiserne Di 
vision" in vollkommener Auflösung 8 Kilometer weit zurück. 
Noch immer aber behaupteten die Russen die Stadt 
Sokal selbst, in deren Häusern sich ihre Infanterie verschanzt 
hatte. Die im Fluß gelegene jüdische Badeanstalt war in 
ein eigenes Bollwerk verwandelt worden, und hinter dem 
Plankenzaun knatterten allein sechs Maschinengewehre. 
Noch stärker hatten die Russen das malerische Bernhardiner- 
kloster besetzt. In den Umfassungsmauern und Basteien 
hatten sie durch Herausnahme von Steinen Schießscharten 
eingerichtet, der Turm war mit Maschinengewehren ver-
	        
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